Putin: In der Ukraine verkalkuliert, dem Westen gegenüber erfolgreich

Möglicherweise sucht Putin in diesen Wochen einen Weg aus der selbst gebauten Falle, in die er sich im Donbas gebracht hat. Und möglicherweise geht Putin dabei genau so unüberlegt vor wie vorher. Den Westen fernzuhalten hingegen, ist ihm gelungen.

Screenprint ORF ZIB1

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben die Evakuierung von bis zu 700.000 Personen nach Russland angekündigt und mit ihr begonnen, berichtet ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz. Er hat die Bilder von der Ankunft der ersten in Rostow am Don gesehen. Putin, weiß Wehrschütz zu berichten, hat jedem ankommenden Evakuierten 10.000 Rubel an Hilfe versprochen. Der Einsatz von russischen Soldaten in der Ukraine, erklärte Wehrschütz in einem anderen ORF-Beitrag, ist anders als auf der Krim in Russland unpopulär. Deshalb wertet Wehrschütz die Evakuierungsoperation als Popularisierungsmaßnahme, die dazu dienen könnte, den Russen eine militärische Operation zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe schmackhaft zu machen.

So distanziert ich westliche Geheimdienstnachrichten von einem bevorstehenden Krieg Russlands gegen die Ukraine sehe, die Joe Biden und andere verkünden, Christian Wehrschütz, einen der letzten Journalisten mit unabhängigem Urteil nehme ich sehr ernst. Nicht in seinem eingangs zitierten Statement in ZIB1 des ORF, sondern in einer anderen Schilderung in ORF III aktuell gestern fiel mir eine Überlegung von Wehrschütz auf, die ich hier wiedergeben will. Ich fand sie eingebettet in einen Bericht auf kleinezeitung.at und kann sie in der Mediathek des ORF nicht wiederfinden, was aber an mir liegen kann.

Nachdem Wehrschütz daran erinnert, dass so etwas wie Krieg in der Ostukraine seit acht Jahren Alltag ist, erklärt der erprobte Journalist, warum er meint, dass Putin sich mit seiner Politik in der Ukraine verkalkuliert hat. Solange die russisch bewohnten Gebiete im Osten und auf der Krim an Wahlen und öffentlicher Meinungsbildung in der Ukraine teilnahmen, konnte sich Putin darauf verlassen, dass es keine Mehrheiten für ein Wechseln der Ukraine in den politischen Westen geben würde. Ohne die Krim und vor allem ohne den Donbas hat Putin dieses Pfand aus der Hand gegeben (ca. fünf Millionen Stimmen).

Gleichzeitig sind die zwei breiten Landstreifen an der 450 km langen Grenze zwischen den abtrünnigen Gebieten auf beiden Seiten zerstört und – bis auf die alten Leute, die bleiben, weil sie keine Alternative haben – entvölkert. Mit dem Donbas hat Putin nicht die einst mächtige Industieregion gewonnen, sondern sich einen riesigen Zuschussbedarf an den Hals geholt. Zu Amtszeiten von Putin dürfte das nicht reparierbar sein.

Während bild.de mit reißerischem Titel von der Tötung eines ukrainischen Soldaten durch russisches Schrapnell, von Separatisten abgefeuert, berichtet, konnte Wehrschütz bei seinem Statement, drei Kilometer von der Front entfernt, die Abschussgeräusche von ukrainischer Artillerie hören. Kleinezeitung.de meldet:

„Im Konfliktgebiet in der Ostukraine sind die Angriffe in der Nacht auf Samstag nach Darstellung der Separatisten und der Regierungsarmee fortgesetzt worden. Die Separatisten riefen zudem zu einer ‚Generalmobilmachung‘ auf. Der Chef der Aufständischen im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, schrieb im Nachrichtenkanal Telegram, er habe ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Auch im Gebiet Luhansk gab es einen derartigen Appell. Es soll zudem zum ersten Todesopfer gekommen sein.“

Wehrschütz sagte nicht, was ich mir aber selbst vorstellen kann, wenn ich mir seine vielen Kommentare zur alten Konfliktregion zwischen Litauen und Ukraine und solche von anderen Kundigen vor Augen halte, vor allem auch von alten Freunden, die Russland sehr gut kennen: Möglicherweise sucht Putin in diesen Wochen einen Weg aus der selbst gebauten Falle, in die er sich im Donbas gebracht hat. Und wahrscheinlich geht Putin dabei genau so unüberlegt vor wie zu Beginn auch: Taktik statt Strategie. Leider muss ich davon ausgehen, dass die möglichen Handlungen von westlicher Seite keinen Deut überlegter sein werden.

Dass es dabei auf deutsche Politik nicht ankommt, deren Handeln ohnedies nur aus Reden besteht, ist eine Protokollnotiz, weil gerade die sogenannte Sicherheitskonferenz in München stattfindet.

Dem Westen gegenüber hat sich Putin nicht verkalkuliert. Was auch immer Putin in der Ukraine tun wird oder nicht, eines hat er jetzt schon erreicht: Der Westen hat seine Pläne, die Ukraine in die EU und/oder die Nato zu holen, mindestens vertagt, wenn nicht aufgegeben. Aber das neue Ost-West-Spiel findet sowieso nicht mehr in Europa statt.

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Kommentare ( 89 )

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L.Sch
2 Jahre her

An alle Russen Bewunderer

„Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eignen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung leider auf Deutschland beschränkt ist.“ — Otto Von Bismarck

Peter Zinga
2 Jahre her

Was für ein Unsinn: prorussische Separatisten! Erstens: es sind Russen! Und zweitens: „séparé“ heist abtrennen von irgend etwas, in diesem fall russische Gebiete nach Kosovo-Art von der Ukraine. Dass, dass Sie Rebelierenden unterschieben, heisst Iredentität! Das würde heissen, dass die russische Bevőlkerung Donezk und Luhansk nach eingliederung zu Russland offentlich strebt. Wie z.B. Nordirland zu Irland.

Ralf Poehling
2 Jahre her

Die einzigen, die als Volk derzeit wirklich profitieren, sind die Ukrainer selbst.
Krisen härten ein Land ab.
Das Volk lernt gerade den Dienst an der Waffe und damit ihre eigenes Land zu verteidigen. In sämtlichen Regionen und Lagern.
Die USA wie auch Russland sorgen also für den nötigen Feinschliff eines unabhängigen Landes. Und genau das sollte das Ziel sein:
Die Ukraine unabhängig und wehrhaft werden zu lassen.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Die sogenannten „Grünen“ wollen den Krieg, den werden sie wohl auch bekommen.
Um Gotteswillen: Wer hat diese Leute gewählt?

Falk
2 Jahre her

Erschreckend, wie unterschiedlich Situationen bewertet bzw aufgefasst werden können.
Sie werfen Putin eiskalten Imperialismus vor…
Was bitteschön betreiben dann die US und die EU?
Was hätte Russland tun sollen, um nicht als imperialistisch dazustehen? Den Schlüssel zu Sewastopol überreichen?

Last edited 2 Jahre her by Falk
TschuessDeutschland
2 Jahre her

Die Hirnverrenkungen, die westliche Journalisten vollführen müssen, um Rußland irgendwie in die Rolle der Unterlegenen oder „in einer Falle“ befindlichen Partei zu manövrieren werden immer abenteuerlicher. Das einzige woran Rußland in der Ukraine kurzfristig nach dem „Machtwechsel“ in 2014 wirklich Interesse hatte war die Krim, aus sehr nachvollziehbaren strategischen und geo-politischen Gründen. Die Pläne der NATO zur Annexion Sevastopols lagen nicht nur in der Schublade, sondern bereits auf dem Tisch. Das hat Rußland verhindert, und das ging dann auch ratz-fatz. Bevor „der Westen“ überhaupt mitbekommen hat, daß da was läuft war der Drobs auch schon gelutscht. Hätte Rußland gewollt, hätte… Mehr

Last edited 2 Jahre her by TschuessDeutschland
TschuessDeutschland
2 Jahre her
Antworten an  TschuessDeutschland

In Lviv gibt es 132 Kirchen. Ein paar katholische sind dabei, da haben Sie Recht. Sogar ein paar sehr große. Und Herr Voitila wird auch hier und da verehrt. Aber genauso gibt es da armenische, georgische, griechisch- und russisch-orthodoxe Kirchen. Auch ziemlich große. Und jeder schimpft über die Russen, hat aber Freunde oder Familie in Rußland.

L.Sch
2 Jahre her
Antworten an  TschuessDeutschland

Wenn du schon ein ambitionierter besser Wisser und ein „experte“ bist, dann merke dir – LVIV!!! und nicht lvov oder Lemberg

Last edited 2 Jahre her by L.Sch
willy
2 Jahre her

Die Vorgeschichte begann 2013 auf dem Maidan, wo der demokr. gewählte Janukowich durch einen Putsch entmachtet wurde (Nuland, 5Mrd. Dollar, EU mit Erpressungsversuch Freilassung der „heiligen“ Julia etc), 2014 die Vorgänge in Odessa u. Mariupol (mörderische Hetzjagden auf die ethn. Russen, von hiesigen Medien so gut wie verschwiegen)- erst anschl. die Abgrenzung des Donbass von der UA!

bfwied
2 Jahre her

Welchen Gewinn sollte Deutschland davontragen können, wenn die derzeitige „Regierung“ eines der korruptesten Länder, mit dem man bisher nichts zu tun hatte, quasi zum Lebenspartner erklärt, für den man durchs Feuer geht? Eine Bärbock wird nicht leiden, auch wenn sie so vollmundig dummdreistg verspricht, dass sie, d. h.: wir „bereit [sind], für die Sicherheit der Ukraine einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen.“ Sie maßt sich an, im Namen eines jeden dt. Bürgers zu sprechen. Ich bin dazu nicht bereit! Es ist ein Kampf um die Vorherrschaft, um den Platz am Tisch der Macht, der zw. USA, Russland, China ausgefochten wird.… Mehr

moorwald
2 Jahre her

Der Westen will Putin unbedingt in einen Krieg treiben. Und wenn er angreift, hat der Westen recht gehabt. Wenn er nicht angreift, dann hat ihn der Westen daran gehindert.
Schon wird von einem „europäischen Krieg“ gefaselt, der angeblich bevorsteht. Es ist ein lokaler Konflikt, der schließlich so oder so lokal beendet werden wird.
Putin ist vollständig Herr des Geschehens – das weiß er, und das wissen auch die Kriegshetzer.

ktgund
2 Jahre her

Putin hat sich nicht verkalkuliert, er hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Den ukrainischen Bürgerkrieg hat ja nicht er vom Zaum gebrochen, ebensowenig wie Russland den Zugangsvertrag zur Krim aufgekündigt hatte. Die Ukraine der Maidan-Revolutionäre, darunter viele stramme Nazis, wollten alles Russische in der Ukraine tilgen und versuchen das auch heute noch. Der Donbass ist nicht mehr als eine Schutzzone, um ein Heranrücken des Konflikts an die russische Grenze zu verhindern. Hätte Putin je eine Annektion angestrebt, wäre das 2014 vollzogen worden. Doch bereits damals war die Ostukraine eine Ruine, wirtschaftlich am Boden und massivem Abwanderungsdruck ausgesetzt. Genau deshalb… Mehr

Falk
2 Jahre her
Antworten an  ktgund

Egal, das ist eh alles hinfällig. Die Ukraine meint, fordert und tut weil sie dabei von außen (vorgeblich) unterstützt wird. Nur durch Unterstützung von außen kann sie sich so weit aus dem Fenster lehnen. Sie ist evtl eine Art Köder… Der WerteWesten polltert so unglaublich gegen Russland und benutzt dabei/dafür die Ukraine. Anders macht dieser Schwachsinn keinen Sinn. Als damals die Olympiade in Sochi stattfand, ging es, meiner Meinung, mit dem medialen Dauerfeuer gegen Russland los. Zumindest fiel mir damals auf, dass die Berichterstattung sprunghaft penetrant und an den Haaren herbeigezogen – negativ wurde. Hauptsache etwas negatives berichten, bzw durch… Mehr

TschuessDeutschland
2 Jahre her
Antworten an  Falk

In USA wird gerade über den neuen Verteidigungs-Haushalt verhandelt. Es geht um schlappe 800 Milliarden Dollar für das Pentagon.
Da Afghanistan jetzt durch ist braucht man einen neuen Popanz, um das zu rechtfertigen. So einfach ist das.

Last edited 2 Jahre her by TschuessDeutschland
Falk
2 Jahre her
Antworten an  TschuessDeutschland

Wären se in Afghanistan geblieben, hätten sie es einfacher haben können. Syrien, Lybien, Afrika… Es gibt mehr als genug Möglichkeiten.
Stattdessen wird das nächste Fass ganz groß aufgemacht…
Hier geht es um mehr!

TschuessDeutschland
2 Jahre her
Antworten an  ktgund

Die ukrainische Armee ist nach über einem Jahr Grabenkrieg komplett demoralisiert. Die marschieren nirgendwo mehr ein.