Medienmehrheit statt Wählermehrheit als Machtbasis untergräbt die Demokratie

Wer es noch nicht wusste oder wissen wollte: Es gibt gar keine Politik- oder Demokratie-Verdrossenheit. Am Angebot fehlt es, nicht an der Nachfrage.

picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Mehrfach schon habe ich hier die einsame Ausnahme von der Umfragenorm präsentiert und tue es noch einmal. Eine einzige Antwort-Möglichkeit mehr beleuchtet bereits den in der politischen Arena ignorierten Nichtwähler. Jedes Prozentpünktchen rauf und runter wird unseriöserweise interpretiert, nicht selten gleich als „Absturz“ oder Superaufstieg, aber 21 Prozent Nichtwähler sind den Demoskopen keinen Blick wert.

So viele Befragte wie Ampelparteien – 16 Prozent – möchten eine andere Partei wählen können. Das bedeutet im Verhältnis der folgenden Grafik, 16 Prozent bei insgesamt 21 Prozent Nichtwählern würden sich an Wahlen beteiligen, gäbe es ein sie ansprechendes Angebot. Dann sänke der Anteil der Nichtwähler auf 5 Prozent. Oder anders ausgedrückt, die Wahlbeteiligung wäre 95 Prozent. Wer es noch nicht wusste oder wissen wollte: Es gibt gar keine Politik- oder Demokratie-Verdrossenheit. Am Angebot fehlt es, nicht an der Nachfrage.

Werden in Umfragen nicht die Wahlberechtigten als Grundlage genommen, gibt es dieses irreführend verkürte Wähler-Bild der Sonntagsfrage – ein anderes kennen die Kunden der braven Medien seit Jahrzehnten nicht.

Was eine seriöse Meinungsforschung rausfinden könnte, kümmerte sie sich nur darum, ist: Das kritische Bild der Nichtwähler von den Parteien und Politikern unterscheidet sich von jenem der derzeit Wählen-Wollenden nur graduell. Die allerwenigsten wollen wählen, weil sie die real existierenden Personen, Programme und Politiken gut finden, sondern die einen dies, die anderen das verhindern wollen und die meisten es einfach für ihre Bürgerpflicht halten, an Wahlen teilzunehmen. In den Wahllokalen sehen die Mitbürger wie in der Kirche, wer kommt und wer nicht. Und die meisten kommen, um weiter dazu zu gehören. Ersatzweise kann man am Arbeitsplatz, am Stammtisch, beim Sport und so weiter sagen, dass man natürlich auch gewählt hat, dass der von der X-Partei gut wäre und jener von der Y-Partei ein ganz übler Finger. Wahr braucht es nicht zu sein, gemeinschaftsstiftend reicht … und wer auch das nicht will, schweigt eben. Die Verhaltensweise im Sozialismus 1.0 und 2.0 war auch schon in weiten Kreisen, Politik im Gesellschaftsleben auszusparen.

Wer den alten Medien folgt, aber durchaus auch neuen, kann leicht glauben, was Politiker, Jornalisten und Experten seit je teils bewusst, teils unbewusst unbeirrt verbreiten: Die Probleme der Zeit würden von Parteien und ihren Politikern im Wettstreit untereinander den Bürgern zur Entscheidung bei Wahlen vorgelegt. Parteien und Politiker wollen nur eine Generalvollmacht – Wählervoten für diese oder jene Politik gibt das entkernte Wahlsystem der dritten Republik systemisch auch gar nicht her.

Das zitierte Institut Ipsos hatte immerhin nach der Wichtigkeit von Themen gefragt …

… und den „Polarisierungsgrad“ dieser für die Befragten wichtigsten Themen ermittelt.

Der demoskopische Blick in ein Bundesland, wo bald gewählt wird, zeigt, die Potentiale von SPD, CDU und Grünen sind statisch, auf den harten Kern reduziert. Bewegung ist nur bei AfD und BSW.

Die Wahltermine in Sachsen-Anhalt im Sommer 2026 und Hessen im Herbst 2028 sind noch weit weg. Im Ostland Sachsen-Anhalt sieht es ganz ähnlich aus wie in Brandenburg.

Im Westland Hessen hat das BSW bei allen anderen Stimmen abgezogen, aber am meisten bei den Grünen. Wo die Grünen solche Verluste an das BSW haben, muss bei der Habeck-Baerbock-Truppe die Alarmsirene heulen.

Sobald die Medienmehrheit kein Garant mehr ist für der Grünen und Roten Umfrageprozente, hat die Medienmehrheit selbst zu bröckeln begonnen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 19 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

19 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Dieanderemeinung
11 Tage her

Die in den Schaubildern verwendeten Fragestellungen halte ich für realitätsfern. Die meisten Menschen reagieren in besonderem Maße auf persönliche Ängste. Also sollten die für Umfragen relevanten Fragen auch die Ängste der Menschen berücksichtigen.
Insofern würde ich andere Schwerpunkte setzen und die Ängste der Menschen in den Vordergrund stellen – und zwar wie folgt:
–         Angst vor Wohlstandsverlust
–         Angst vor Deindustrialisierung Deutschlands
–         Angst vor Klimaveränderungen
–         Angst vor Gesundheitsnotstand
–         Angst vor Demokratieverlust
–         Angst vor Wohnungsnotstand
–         Angst vor Entfremdung
–         Angst vor illegaler Migration
–         Angst vor dem persönlichen sozialen Abstieg
Ich bin sicher, dass eine solche Fokussierung zu anderen Ergebnissen führen würde.

Mausi
11 Tage her

Hat sich der Anteil der Nichtwähler in den Jahrzehnten verändert?
Bundestagswahlen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2274/umfrage/entwicklung-der-wahlbeteiligung-bei-bundestagswahlen-seit-1949/
Ja, sinkt eher.
Landtagswahlen https://de.statista.com/statistik/daten/studie/255400/umfrage/wahlbeteiligung-bei-landtagswahlen-in-deutschland-nach-bundeslaendern/
Na, und die Beteiligung letzte TL Wahlen bis 2023 sieht gar nicht prikelnd aus.

giesemann
11 Tage her

Sie haben ebend alle eine Heidenangst vor gewissen Meinungsäußerungen, die sie hinweg fegen könnten. Erfahrung aus der DäDerRä. Nicht ganz unberechtigt. Wenn die Leute zunehmend merken: Der Hubsi Aiwanger hat schon recht g’habt: A pain in the ass and brainache. Dass der selber den … hat, geschenkt. Das A und das O. Das Alpha und das Omega, God verdimmich.

Biskaborn
11 Tage her

Klimaschutz bewegt die Menschen noch vor der Wirtschaft! Was ist da bloß los mit diesen Deutschen?

W aus der Diaspora
11 Tage her

Richtig! Wen soll man denn noch wählen? Eine CDU die nach wie vor Merkel(SED)Partei ist? Eine SPD mit Cum-Ex-Kanzler, der die arbeitende Bevölkerung sowas von egal ist? Eine Die_Grünen, die absolut nicht mehr grün sind, sondern außer die Natur zu zerstören auch noch Demokratie und Wirtschaft mit bravour zerstören? Eine FDP, die alle verrät? An der nichts, aber wirklich gar nicht mehr liberal ist? Deren Spitzen es nur um Posten geht? Eine Die_Linke, die den Kommunis der DDR zurück möchte? Eine BSW, die einfach nur Wagenknecht an der Stelle von Honecker sehen möchte, ansonsten aber genauso kommunistisch ist? Eine AfD,… Mehr

Boudicca
11 Tage her

Ehrlich mich hat noch nie jemand nach der Partei gefragt die ich wählen würde. Aber würde ich heute noch die Wahrheit sagen? Die Politik aller Parteien hat in diesem Land die Probleme verursacht, gegen die sie angeblich im Krisenmodus regiert muss. (Putin ist nicht die Ursache für hohen Energiekosten, sondern der Mangel an voraussichtigem Handeln. Seit 2022 wurde unter lautem Jubel der Grünen 6 Kernkraftwerke abgeschaltet.) Die Linken sind ein Überbleibsel als SED-Nachfolgepartei und BSW die Quintessenz daraus. Die AFD hat sich aus Merkels Fehlern etabliert. Die Freien Wähler gegen alles und für nichts bestimmtes. Ehrlich gibt es irgendeinen Anlass,… Mehr

Der Klartexter
11 Tage her

Ich plädiere seit Jahren für eine Wahlpflicht wie z.B. in Belgien. Viermal in fünf Jahren für ein meist in der Nähe geöffnetes Wahllokal für eine Bundestags-, Landtags-, EU- und Kommunalwahl gehen zu müssen, sollte jedem Bürger zugemutet werden können, zumal es weiterhin ein eingeschränktes Briefwahlrecht geben sollte. Da sich die Altparteien dagegen sperren kommt allerdings der Verdacht auf, dass diese befürchten, dass der „Zwangswähler“ aus Protest sein Kreuzchen bei der „falschen Partei“ machen würde…

Rob Roy
11 Tage her

Die Nichtwähler könnten symbolisch berücksichtigt werden, indem deren Anteil an den Wahlberechtigten durch unbesetzte Mandate abgebildet wird.
D.h. konkret, in den Parlamentssälen wird der entsprechende Anteil an Sessels demontiert.
Da den Parteien dann Mandate durch die Lappen gehen, fühlen sie sich vielleicht bemüßigt, bessere Politik zu machen.

Protestwaehler
11 Tage her

Sorry, aber diese Pseudoumfragen sind doch nichts als billige Propaganda mit dem man versucht die Wähler zu manipulieren. Und wie durchschaubar man hier meint die BSW gegen die AfD in Stellung bringen zu können, parallel zu den neusten Diffamierungskampagnen gegen die AfD, da fällt doch keiner mehr drauf rein. Nach den kommenden Wahlen ist nicht nur der Ruf aller großen Medien ruiniert, sondern deren Helfershelfer-Umfrage-Propaganda-Institute können ebenfalls einpacken.
Und wie widersprüchlich diese Propaganda ist konnte man die Tage erst wieder bestaunen, AfD angeblich im Sinkflug, während man bei Wählern bis 29j. Rekordwerte erzielt. Ja was denn nun ?!?

gmccar
11 Tage her
Antworten an  Protestwaehler

Das mit den Sinkflug-Zahlen macht man, um der Tatsache gerecht zu werden, das sich dann niemand wundert nach Auszählung der Briefwahl. „Siehste, die Umfragen waren doch echt“.

Martin Mueller
11 Tage her

Die inszenierte Demokratie….. Die parlamentarische Demokratie verfestigt mit den Jahrzehnten eingespielte Machtstrukturen. Und das tritt in forcierter Aktion auf, seitdem die Balance zwischen sogenannten linken und rechten politischen Lager nicht mehr vorhanden ist. Das gilt natürlich auch für die Mainstreammedien im Allgemeinen und für den ÖRR im Speziellen. Das politisch linksgrüne Lager, angefüttert auch mit der politisch nach links und grün gedriften CDU-Masse, dominiert den öffentlichen Diskurs und hat längst die staatlichen und nonstaatlichen Schalthebeln zur definierten Gestaltung des demokratischen Handlungsraumes in der Hand. Man redet von Schutz und Rettung der Demokratie, meint aber den politischen linksgrünen Machthorizont zu zementieren.… Mehr

Last edited 11 Tage her by Martin Mueller