Die Herrschenden schweigen zum 17. Juni

Dass angesichts russischer Panzer in der Ukraine kein Herrschender auf den Zusammenhang kommt und diesen öffentlich macht, sondern zum 17. Juni einfach schweigt, ist eine Selbstdarstellung, die für sich – genauer: gegen sich – selbst spricht.

IMAGO / Photo12
Sowjetischer Panzer am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin

Als ich zu Beginn der 1960er Jahre in Graz studierte, haben viele wie ich ihren Pass als verloren gemeldet. Tatsächlich gingen die verlorenen Pässe nach Westberlin, wo mit ihrer Hilfe Leute aus dem Osten in den Westen gelangen konnten.

Heute ist der 17. Juni. Das Wissen um den Aufstand vom 17. Juni 1953, der Volksaufstand oder Arbeiteraufstand genannt wurde, was beides zutraf, ist bei den jüngeren Generationen nicht vorhanden oder stößt auf Gleichgültigkeit.

Dabei war es der einzige und letzte Aufstand einer großen Menge an Bürgern gegen eine autoritäre Obrigkeit in Deutschland.

Am Vorabend des 17. Juni begab sich Kanzler Scholz unter dem Patronat des Präsidenten von Frankreich und Ministerpräsidenten von Italien nach Kiew. Bildhafter hätte er – unfreiwillig, versteht sich – nicht zum Ausdruck bringen können: Deutschland spielt in Europa wie in der Welt keine Rolle mehr.

Mit der Standortlosigkeit international korrespondiert die Orientierungslosigkeit im eigenen Land. Eine Classe Politique, die unter Anleitung der neuen SPD, der Grünen also, die Erde vor ihrem Klima rettet und Klimaflüchtlinge zu ihrer Rettung ins dünn besiedelte Europa lotst, beschäftigt sich selbstverständlich nicht mit dem für ihr Empfinden reaktionären Anlass des 17. Juni.

An der historischen Wahrheit ändert das allerdings nichts, ja, lässt sie nur noch deutlicher hervortreten: An die 1,5 Millionen Bürger erhoben sich 1953 in 500 Städten und Orten, übernahmen mancherorts für einige Zeit die Macht an Ort und Stelle. Das SED-Regime wäre damit nicht fertig geworden ohne die Rote Armee und ihre Panzer.

Dass angesichts russischer Panzer in der Ukraine kein Herrschender auf den Zusammenhang kommt und diesen öffentlich macht, sondern zum 17. Juni einfach schweigt, ist eine Selbstdarstellung, die für sich – genauer: gegen sich – selbst spricht.

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Kommentare ( 27 )

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libelle
1 Jahr her

Westdeutschland fehlte und fehlt ein eigener 17 Juni. Das Jahr 68 war es jedenfalls nicht. Das war der Beginn des Aufstandes und Durchmarsches der links aktivistischen Zerstörer der Demokratie, und der Verleumder Deutschlands.                                         
Den Einen, den Westdeutschen, wurde mit Bananen das Maul gestopft, Jahrzehntelang, den  Anderen den Ostdeutschen mit sowjetischen Bajonetten. Allein – mit Bananen sediert erwächst einem keine zwingende Notwendigkeit sich mit der Realität auseinander zu setzen, auf Bajonetten hingegen wächst den Menschen ein Rückgrat.
 

Peter Mueller
1 Jahr her

Erbärmlich ist es, wenn man Beiträge zensiert, weil einem die dort genannten historischen Fakten nicht gefallen. Ein Blog wie TE, der, wenn’s drauf ankommt, kein bißchen anders agiert als die Staats- und Konzernmedien, ist entbehrlich. Der kann weg. Liberal oder redlich ist an dieser ekelhaften Zensurpraxis genau:
gar nichts.

Es gibt Momente, da kann man den Liebermann gar nicht so oft zitieren, wie man vomieren möchte.

Andreas aus E.
1 Jahr her

Am 3. Oktober feiert die politische Kaste sich selbst – für ein völlig risikofreies Abwinken eines Verwaltungsakts in wohltemperiertem Gebäude.
Der passende Feiertag wäre der 9. November gewesen.
Und natürlich hätte der 17. Juni Bestand als Feiertag haben müssen.

Brotfresser
1 Jahr her
Antworten an  Andreas aus E.

Nenene, das geht ja gar nicht! Ein Feiertag in Gedenken an einen Bürgeraufstand gegen ein totalitäres System? Damit würde man ja möglicherweise Teile der Bevölkerung auf dumme Gedanken bringen! Das kann ja keiner wollen! Der Feiertag war im Westen gut, solange man damit Gratismut und kostenlose Solidarität mit den armen Unterdrückten in der Ostzone ausdrücken konnte, aber spätestens seit dem Beitritt der BRD zur DDR (meine ich so, wie es hier steht!) und seinem Feiertag am 3. Oktober war es nur richtig und konsequent, den Feiertag am 17. Juni zu streichen! Vor fast auf den Tag genau dreißig Jahren habe… Mehr

Geezer
1 Jahr her

Herr Goergen ich finde zwischen den Sowjet Panzern die 1953 in Osten Deutschland rollten und denen in der Ukraine einen gehörigen Unterschied, nicht nur wegen dem Alter. Dass der frühere Feiertag gänzlich in Vergessenheit gerät ist eine Schande und auch ein Teil der Geschichtsklitterung, die man allgegenwärtig beobachten kann, indem man die DDR als Staat darstellt, indem es vllt nicht alles zu kaufen gab, aber ansonsten sehr sozial war. Und das nur 30 Jahre nach dem Untergang. Aber ich unterscheide deswegen, weil es damals die Panzer der kommunistischen Ideologie waren und heute die eines Despoten, die Menschen Töten. Die Sowjets… Mehr

Teide
1 Jahr her

Das SED-Regime wäre damit nicht fertig geworden ohne die Rote Armee und ihre Panzer.“
Daran sollte die jetzige Regierung beim Versuch eine DDR 2.0 zu errichten denken.
Die Russen haben jetzt eine andere Feldpostnummer.

Alf
1 Jahr her

Die „Herrschenden“ können den 17. Juni als Feiertag streichen, für mich ist und bleibt es ein Feiertag.
…Der einzige und letzte Aufstand einer großen Menge an Bürgern gegen eine autoritäre Obrigkeit in Deutschland…., wird sich wiederholen und diese Wiederholung wird anders ausgehen, als sich die „Herrschenden“ dies in ihren ideologisch verwirrten Träumen ausmalen.

Max Rein
1 Jahr her

Von den Sozialisten ist nichts anderes zu erwarten.
Dass aber auch Merz dröhnend schweigt, sagt über die CDU mehr aus als die 1000 Worte. Diese CDU verdient es einfach, den Weg der Democrazia Cristiana zu gehen. Wer wählt die noch?

ketzerlehrling
1 Jahr her

Das wollten die anderen doch und die Deutschen erst recht. Die Wiedervereinigung war der Anfang vom Ende Deutschlands. Dieses sowie der Kontinent wird vom Pöbel regiert und bestimmt.

giesemann
1 Jahr her

Freiheit bedeutet eben zuerst, nicht das tun zu MÜSSEN, was ich nicht will. Zum Beispiel, mehr und schneller zu arbeiten zum Ruhm der Partei. DAS war der Anlass für den 17. Juni damals. Wenn es heute heißt, ihr müsst zusammen rücken, müsst euch einschränken, weniger Platz, weniger Fleisch, weniger Mobilität, damit sich die Hyperfertilen umso hemmungsloser ausbreiten können, dann ist das heute der Grund, der Anlass … . Wir müssen woker werden: Wacht auf, Verdummte dieser Erde, malocht, bis euch die Schwarte kracht – auf dass es immer besser werde und euch die Sonne wieder lacht, https://www.youtube.com/watch?v=r1dvJkz15mc Bei 40 Millionen Einwohnern… Mehr

RMPetersen
1 Jahr her

In dem Text zeigt sich eine typische Unsicherheit, die auch in weiten Teilen der Medien und explizit die Linken (- einschl. den Linken in der SPD und bei den Grünen) befällt: Man will den Sozialismus bzw die DDR nicht negativ darstellen, damit auch nicht die kommunistische Herrschaft in DDR und UdSSR, sehr wohl aber „die Russen“. So weiss auch Herr Goergen nicht, ob der „russische“ oder „sowjetische“ Panzer am 17. Juni anprangern soll. Da nennt er mal sie mal so und so. Dass Putin Antikommunist ist und sowohl die KPdSU als auch damalige sowjetische Politiker in seinen Reden kritisiert hat,… Mehr

Farbauti
1 Jahr her
Antworten an  RMPetersen

Für mich heißt der Kern der Botschaft Aufstand. Und dazu ist unsere Gesellschaft nicht mehr in der Lage. Ihre Sachkunde und Intellektualität in allen Ehren, aber wie deprimierend ist es und wie armselig, daß wir Menschen heutzutage zu einem 17. Juni gar nicht mehr in der Lage sind. Das Handy ist vielen schon angewachsen, zukünftige Babys werden wohl bald mit Maske geboren oder ihnen schon im Kreißsaal angelegt und so wird es weiter gehen. Einfach atmen und denken wird bald oldschool sein. Da ist mir doch ihr Detailwissen gerade mal überhaupt nicht wichtig. Der Verlust der Wehrhaftigkeit ist für mich… Mehr