Trotz 60 Kilo Heroin – Drogendealer kommt frei

Ein Mann soll mit 60 bis 600 Kilo Heroin für 7 bis 70 Millionen Euro geschmuggelt haben - und kommt frei, weil ein Gerichtstermin erst im November frei war und 10 Monate U-Haft unzumutbar sind. Evtl. hat er sich gleich in seine ausländische Heimat abgesetzt. Unser Rechtsstaat verkommt zur Lachnummer.

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Für die Presse präsentiert sich unser Staat wehrhaft. Beamte des Hauptzollamtes Frankfurt an der Oder in Brandenburg präsentieren schon mal in voller Montur und mit Gesichtsmaske Heroin-Pakete, die sie beschlagnahmt haben. Solche Inszenierungen sollen wohl einen starken Staat demonstrieren, vor dem sich Kriminelle fürchten müssen und auf den sich seine Bürger in Sachen Sicherheit verlassen können. Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Am 1. August wurde in Brandenburg ein Mann aus der Untersuchungshaft entlassen, der im Januar mit 60 Kilogramm Heroin im Schwarzmarktwert von rund sieben Millionen Euro aufgegriffen wurde. Bei einer Routinekontrolle auf der Autobahngaststätte Buckowsee unweit der polnischen Grenze entdeckten Beamten Unregelmäßigkeiten im Inneren des Wagens; bei einer genaueren Untersuchung fanden sie das in kleine Päckchen verpackte Heroin in einem eigens eingerichteten Hohlraum unter der Rücksitzbank. Der mutmaßliche Drogendealer war auf dem Weg aus der Türkei über Osteuropa in die Niederlande. Laut Angaben aus Justizkreisen soll der 63-Jährige die polnische und griechische Staatsangehörigkeit haben und mehrfach auf der gleichen Route gefahren sein. Die Ermittler schätzen, dass er insgesamt rund 600 Kilogramm Heroin transportierte – was in etwa einem Schwarzmarktwert von 70 Millionen Euro entspricht.

Im rot-dunkelrot regierten Brandenburg war ein Gerichtstermin für das Verfahren gegen 63-Jährigen erst im November frei – wegen der Überlastung der Justiz dort. Zehn Monate Untersuchungshaft für den mutmaßen Drogendealer mit 60 bis 600 Kilogramm geschmuggeltem Heroin hielt das Brandenburger Oberlandesgericht für unangemessen und setzte den Mann auf freien Fuß – obwohl ihm eine mehrjähriger Haftstrafe droht und eine Fluchtgefahr offenbar nicht von der Hand zu weisen war. Der Tatverdächtige hat sich möglicherweise gleich nach der Haftentlassung in seine Heimat abgesetzt.

Im benachbarten Berlin forderte erst kürzlich die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, Drogendealer müssten im Görlitzer Park, in dem die Behörden Drogenhandel seit langem faktisch tolerieren, integriert und dürften nicht ausgegrenzt werden. Der Bezirk will jetzt Imbiss-Buden am Park aufstellen, so die Grünen-Politikerin: Die Dealer „werden dadurch nicht verschwinden, aber sie selber oder wir selber können besser in den Park rein, ohne dass man angesprochen wird.“ Leider keine Satire (siehe hier)

Fälle wie der mit dem mutmaßlichen Drogendealer in Brandenburg sind demnach offenbar keine Ausnahme. Das zeigen etwa auch die Klagen des Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel – der Chef der Vereinigung Berliner Staatsanwälte ist einer der wenigen Mutigen in den Behörden, die offen die verheerenden Missstände dort ansprechen. Im Juli warnte Knispel bei Markus Lanz, dass unser Rechtsstaat teilweise funktionsunfähig sei, und Kriminelle die überforderte Justiz auslachten. Auch gefährliche Täter blieben auf freiem Fuß, so Knispel. Die Zahl offener Haftbefehle in Deutschland 2019 hat mit fast 186.000 einen neuen Höchststand erreicht. Knispel beklagt insbesondere katastrophale Zustände in der Hauptstadt: Wir müssen feststellen, „dass die Aufklärung und Strafverfolgung in erschreckendem Umfang nicht mehr sichergestellt ist (…), dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht mehr in der Lage sind, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zu entsprechen.“ Dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz noch groß sei, entspricht reinem Wunschdenken, so Knispel.

Der Rechtsstaat verkommt zur Lachnummer. Und in vielen Medien, vor allem den Öffentlich-Rechtlichen, ist dies allenfalls ein Randthema. Dafür werden Themen wie etwa ein angeblich rassistischer Witz eines Fußball-Funktionärs und Fleischfabrikanten wochenlang ganz oben auf der Liste der wichtigsten Nachrichten gehandelt (siehe hier).

Solche Zustände sind fatal! Und zwar in doppelter Hinsicht: Das Versagen des Rechtsstaates ebenso wie das Versagen großer Teile der Medien und der Politik, dieses als wichtiges Thema zu behandeln. Genauso wie Schüler dazu neigen, vor wichtigen Hausaufgaben kleinere, unwichtigere Dinge zu erledigen, neigen Politik und Medien dazu, die großen Herausforderungen unserer Zeit wie Migration, Sicherheit und Probleme des Rechtsstaates zu verdrängen bzw. ganz nach hinten in ihrer Prioritätenliste zu verschieben. Schlimmer noch: Viele diffamieren diejenigen, die auf diese Themen und ihre Dringlichkeit hinweisen.

Das wird auf Dauer die Gesellschaft zerreißen. Gegner unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung brauchen gar keine Fake-News mehr zu erfinden. Sie müssen nur noch solche Nachrichten wie die jetzt aus Brandenburg übernehmen. Die Region Berlin bietet massenhaft Stoff.

Und auch die AfD braucht eigentlich kaum noch Wahlwerbung machen. In Brandenburg, wo der mutmaßliche Drogendealer mit seinen 60 bis 600 Kilogramm Schmuggelvolumen einfach auf freien Fuß kam und wohl selbst sein Glück kaum glauben konnten, ist in wenigen Wochen Landtagswahl, und nach vielen Umfragen kann die AfD dort stärkste Partei werden. Wie konnte so weit kommen? – so lautet die vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern viel gestellte Frage. Man muss schon sehr realitäts-resistent sein, um die offensichtliche Antwort nicht zu sehen.


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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik.

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