Claudine Gay tritt als Harvard-Präsidentin zurück

Die umstrittene Präsidentin der Elite-Universität Harvard ist nach zahlreichen Skandalen, unter anderem dem explodierten Antisemitismus unter den Studenten auf dem Campus nach dem 7. Oktober sowie Plagiatsvorwürfen, von ihrem Amt zurückgetreten. Ihre Amtszeit war die kürzeste in der Geschichte der Universität.

IMAGO / USA TODAY Network

Mit einem Brief an die Universitätsgemeinschaft ist Claudine Gay am Dienstagabend von ihrem Amt als Präsidentin der Harvard University zurückgetreten.

Gays Rücktritt erfolgt im Zuge zahlreicher Plagiatsvorwürfe (Gay wurde mit fast 50 Plagiatsvorwürfen konfrontiert, die acht ihrer 17 veröffentlichten Arbeiten betreffen) sowie ihrer umstrittenen Aussage im Kongress darüber, was Harvard nach dem Angriff der Hamas auf Israel zur Bekämpfung des Antisemitismus auf dem Campus unternimmt.

„Schweren Herzens, aber aus tiefer Liebe zu Harvard, teile ich mit, dass ich als Präsidentin zurücktrete“, so Gay in ihrem Rücktrittsschreiben. „Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Sie ist in der Tat unbeschreiblich schwer, denn ich habe mich darauf gefreut, mit so vielen von Ihnen zusammenzuarbeiten, um das Engagement für akademische Spitzenleistungen voranzutreiben, das diese großartige Universität über Jahrhunderte hinweg angetrieben hat.“

Dann versuchte Gay, die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu entkräften, indem sie behauptete, dass „rassistische Animositäten“ einen Teil der Kritik an ihr angeheizt hätten: „Inmitten all dessen war es beunruhigend, an meinem Engagement für die Bekämpfung von Hass und die Aufrechterhaltung wissenschaftlicher Strenge zu zweifeln – zwei Grundwerte, die für mich grundlegend sind – und es ist erschreckend, persönlichen Angriffen und Drohungen ausgesetzt zu sein, die durch rassistische Animositäten angeheizt wurden“, so Gay in dem Schreiben.

Die Amtszeit von Claudine Gay war mit etwa sechs Monaten die kürzeste in der Geschichte der Universität. Diese wenigen Monate reichten aber völlig aus, um das einstmals große Ansehen Harvards in aller Welt massiv und nachhaltig zu beschädigen. Die Bezeichnung „Hamas-University“ wird Harvard wohl für sehr lange Zeit nicht mehr los.

Carol Twain, Professorin an der Vanderbilt Universität und eine der Wissenschaftlerinnen, die Gay beschuldigt, plagiiert zu haben, kritisierte den Umgang von Harvard mit den Vorwürfen gegen Gay: „Ich habe ein Problem mit der Art und Weise, wie Harvard auf die ganze Situation reagiert hat, denn es scheint, dass sie – mit Hilfe einiger ihrer Professoren und anderer – versuchen, neu zu definieren, was ein Plagiat ist“, so Twain. „Sie argumentieren, dass es verschiedene Stufen (bei Plagiaten) gibt und dass manche davon akzeptabel seien. Das ist ein Problem für die Hochschulbildung in Amerika.“ Noch im Dezember hatte Harvard versucht, Gay gegen den anwachsenden Druck zu halten:

— Harvard University (@Harvard) December 12, 2023

Zusammen mit den Präsidentinnen der MIT und Penn sagte Gay im Dezember vor dem Kongress aus und vermied es dabei, Antwort auf die Frage zu geben, ob der Aufruf zum Völkermord an Juden gegen den Verhaltenskodex der Universität verstößt.

„It depends on the context“ – „das hängt vom Kontext ab“, so Gay. Sie sagte, solche Hassreden stünden „im Widerspruch zu den Werten von Harvard“, und wenn diese Art von „Rede in Verhalten übergeht, verstößt das gegen unsere Richtlinien“.

Der Kongress hat hiernach eine Untersuchung gegen Harvard wegen Antisemitismus auf dem Campus eingeleitet; die sich nun auch auf die Plagiatsvorwürfe gegen Gay erstreckt. Mehrere prominente, finanzkräftige Unterstützer hatten in Folge der zahlreichen antisemitischen Eskalationen und Ausfälle unter den Studenten und der Duldung bzw. gegebenenfalls auch stillen Übereinstimmung von Lehrpersonal und Universitätsleitung ihre teils Multi-Millionen-Spenden an die Ivy-League-Schule zurückgezogen oder pausiert. Zudem ging die Anzahl an Bewerbungen an die nunmehr in ihrem Renommee stark beschädigten Elite-Universität spürbar zurück.

Nach den zahlreichen Plagiatsvorwürfen hatte schließlich auch die New York Times einen Beitrag veröffentlicht, in welchem Gay der Rücktritt empfohlen wurde. Damit galt vielen Gay als definitiv nicht mehr länger zu halten.

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