San Francisco boykottiert 28 US-Staaten: Versorgung mit Waren und Dienstleistungen erschwert

In San Francisco steigt die Kriminalität, es gibt genug wirtschaftliche Probleme und eine hohe Obdachlosigkeitsrate. Doch die „woken“ Repräsentanten der „Stadt an der Bucht“ haben andere Sorgen und boykottieren derzeit 28 Bundesstaaten der USA. Die Stadt hält sich für eine moralische Führungsmacht.

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San Francisco City Hall, für die Pride 2015 mit Regenbogenfarben beleuchtet

In San Francisco hält sich die Stadtverwaltung schon seit einiger Zeit für das treusorgende Kindermädchen der Bürger. Die vorgebliche Pandemie dürfte dieses Gefühl nur verstärkt haben. Nun sind amerikanische Staaten und Kommunen gelegentlich für absurde Verbote bekannt, die eben einem am Ort vorliegenden Bedürfnis entsprechen. In San Francisco gibt es offenbar viele solcher Bedürfnisse.

So hatte man von 2005 an Handfeuerwaffen zum privaten Gebrauch verboten, bis der Oberste Gerichtshof das Verbot drei Jahre später kassierte. Plastiktüten sind in San Francisco seit 2007 verboten, die unerbetene Zustellung der „Gelben Seiten“ seit 2011. Das Sitzen und Liegen auf den Bürgersteigen ist seit 2010 nicht mehr erlaubt; das hat mit den Obdachlosen der Stadt zu tun. Daneben müssen kleine Spielzeuge, die Restaurants manchmal an ihre kleinen Gäste verschenken, von einer Obst- oder Gemüsebeilage begleitet werden. Man erkennt die postmodernen Lebensoptimierer wieder, die den Bürger so gern vor kalorienreichem Essen warnen und ihm ökologisch wertvolle Entscheidungen abnehmen wollen.

San Francisco ist die mutmaßlich wokeste Großstadt in den USA. So wundert nicht, dass man 2006 auch das Schlachtschiff U.S.S. Iowa nicht einmal geschenkt nehmen wollte. Man hätte es als Touristenattraktion im Hafen vor Anker gehen lassen können. Man lehnte dankend ab, zum einen weil den Stadtoberen der Irak-Krieg missfiel, zum anderen weil offen schwule und lesbische Soldaten damals noch nicht in der Marine dienen konnten.

Nun mag man den Einsatz für die Rechte aller (?) Bürger für lobenswert halten. Aber das san-franziskanische System in diesen Dingen kommt heute an seine Grenzen. In den letzten sechs Jahren hat die stolze Stadtregierung sich sukzessive den Handel mit heute insgesamt 28 US-Bundesstaaten untersagt – ganz so, als ginge es um menschenverachtende Schurkenstaaten. Die Metropole am Pazifik cancelt mehr als die Hälfte der Vereinigten Staaten und verbaut sich so eigene Wirtschaftsmöglichkeiten. Auch offizielle Reisen nach Nevada, North Carolina oder Wisconsin und 25 weitere Staaten sind nicht mehr erlaubt.

Mit Unternehmen, die in einem der 28 boykottierten Staaten ihren Hauptsitz haben, kann die Stadt San Francisco keinen Handel mehr treiben, weder mit Waren noch mit Dienstleistungen. Carmen Chu, die seit einem Jahr die Verwaltung der Stadt leitet, gab nun öffentlich zu, dass die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen durch die vielen Boykotts erschwert werden. Die Embargo-Regeln schränken demnach den Wettbewerb empfindlich ein.

Florida und Texas stehen schon seit 2016 auf der Liste

Wer bleibt da noch zum Handeln? Der größte Teil von Neuengland (bis auf New Hampshire), auch die mittlere Ostküste, dann Michigan, Illinois, Oregon und noch ein paar andere Staaten im Westen, auch Hawaii und Alaska sind aus san-franziskanischer Sicht noch Teil der zivilisierten Ökumene. Dagegen haben alle von diesem Stadt-Embargo betroffenen Bundesstaaten in der einen oder anderen Weise gegen das politische Meinen der Stadtoberen verstoßen, wobei es konkret um drei Themenfelder geht: die Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen, das Abtreibungsrecht und zuletzt die vermeintliche Unterdrückung von Wählerstimmen.

Mit am längsten stehen Florida und Texas auf der Embargo-Liste, nämlich schon seit 2016, weil sie damals begannen, die Beteiligung von Trans-Personen an Sportwettkämpfen einzuschränken. Es ging schon damals um die bekannten Fälle von biologischen Männern, die sich seelisch als Frauen neuentdecken und in der Folge allen Konkurrentinnen davon laufen, schwimmen usw.

Übrigens wird sich das Dokument selbst nicht einig, wie man die verfolgte Gruppe nun nennen will, ob LGBT, LGBTQ oder LGBTQ+. Der Buchstabensalat zeigt an, dass es sich um eine prinzipiell unbegrenzte Menge von Identitäten handelt. Um die Kultserie South Park zu zitieren, könnte sich morgen jemand als schwarzer Basketballer oder waschechter Delphin fühlen und von seinen Mitmenschen erwarten, dass er auch so behandelt wird. Natürlich sollten alle Menschen frei von Diskriminierung leben können, aber das Thema Sportwettkämpfe zeigt, dass es auch an dieser Stelle verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen gilt, hier die Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten von Sportlerinnen.

2019 kamen zwei Staaten hinzu, die eine Fristenregelung bei der Abtreibung besitzen. Der größte Schwung an Bundesstaaten, nämlich 23, kam 2021 dazu, als sich die Stadtoberen entschlossen, auch gegen die Unterdrückung von Wählerstimmen vorzugehen. Diese „voter suppression“ sieht man schon dann als gegeben an, wenn ein Staat eine geringfügige Vergrößerung von Wahlkreisen zulässt. In der Folge gebe es weniger Wahllokale, und das soll dann dazu führen, dass Gruppen, die ohnehin seltener wählen, dies noch weniger tun. Gemeint sind damit fast immer Schwarze. Diese Neuerung der Stadtregierung von San Francisco aus dem November 2021 steht offenbar im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-(BLM-)Protesten seit Sommer 2020.

Das Schöne, Gute, Richtige in die Welt bringen?

Und nun mag man alle diese Begründungen für schön, gut oder richtig halten, aber die Frage bleibt, was sie mit dieser Welt zu tun haben – mit Praxis und Pragmatik, nicht Ideologie. Ist es wirklich die Aufgabe einer Stadtregierung am Pazifik, amerikanischen Bundesstaaten zu sagen, welche Gesetze sie brauchen? Kann sich eine einzelne Großstadt auf das Glatteis wagen, den verschiedenen Staaten und ihren Parlamenten vorzuschreiben, wie sie mit dem heißen Thema „geschlechtliche Selbstbestimmung“ (so die einen) oder Gender-Ideologie (so die anderen) umzugehen haben?

Für die Website der Stadt liegen die Dinge einfach: „San Francisco ist führend bei LGBT-, Frauen- und Wahlrechtsproblemen. Wir werden Staaten nicht unterstützen, die LGBT-Menschen unterdrücken, das Recht auf Abtreibung einschränken oder Wählerstimmen unterdrücken.“ Man wolle so „seine Opposition kundtun“. Es ist eine Haltung, die einem aus den Flower-Power-Jahren bekannt vorkommt. Heute wird die Embargo-Liste halbjährlich von verschiedenen Gremien überprüft, wobei insbesondere dem „Büro der Transgender-Initiativen“ und der „Abteilung zum Status von Frauen“ eine gewichtige Stimme zukommt.

Am Ende bleibt ein Problem: Der Stadt könnten irgendwann die Ersatzteile für Busse, Gebäude, Computer ausgehen. Denn wenn man Unternehmen in 28 Staaten diskriminiert und vom Handel ausschließt, wird die Auswahl an Anbietern offenbar kleiner. Während die Wokeness so neue Höhepunkte feiert und bis dahin schlimm diskriminierte Gruppen ihre Flitterwochen mit der Macht feiern, wird die Versorgung mit Industriegütern gedrosselt und bleiben kalifornische Städte ungeschützt vor einer Welle von Eigentumsdelikten und einer überhandnehmenden Obdachlosigkeit.

Und Amazon darf Seattle-Pride nicht mehr sponsern

Übrigens werden auch Tech-Giganten, die gemeinhin versuchen, den Tiger Wokeness zu reiten, davon immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. Der Versandriese Amazon macht sich durch sein Spendenimperium AmazonSmile und eigene Großspenden inzwischen nach beiden Seiten angreifbar. Kürzlich erst strich man die BLM-Stiftung von der eigenen Spendenliste, weil die überwiesenen Gelder vermutlich für immer im kalifornischen Sumpf versickert sind. Daneben hat Amazon aber auch Spenden an Politiker vermittelt und gezahlt, die gegen den Equality Act gestimmt haben. Mit dem Gesetzentwurf sollte die Diskriminierung sexueller Minderheiten in allen möglichen Lebensbereichen beendet werden.

Nun soll Amazon nicht mehr als Großsponsor der Pride-Parade in Seattle auftreten dürfen, wodurch der LGBT-Veranstaltung mit Sicherheit ein großer Scheck entgeht. Ein Amazon-Sprecher veröffentlichte ein Statement, das kein Geheimnis aus den Prioritäten des Unternehmens macht: Man sei politisch engagiert, weil viele Themen die eigenen Geschäfte, Kunden und Angestellten betreffen. Natürlich stimme das Unternehmen nicht allen Politikern und Organisationen dabei zu 100 Prozent zu (es geht ja um die eigenen Interessen), das schließe auch Gesetze, die die „LGBT-Gemeinschaft“ diskriminieren, mit ein.

Der letzte Halbsatz ist pures PR-Genie. Man kann ihn drehen und wenden, wie man will, erfährt aber nichts Definitives daraus. Und natürlich gilt die Aussage für alle politischen Interessenlagen, egal ob es um die Rechte sexueller Minderheiten geht oder um die von Schwarzen oder um die Abschaffung der Polizei. Sie sind immer nur Öl im Getriebe der Großkonzerne – doch manchmal verklumpt das Öl. Dann muss man es ablassen und die Maschine aufwändig säubern.

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