US-Trucker an Washington: „Ihr müsst daran erinnert werden, dass ihr für das amerikanische Volk arbeitet – nicht andersherum“

Am Wochenende überschattete der russische Angriff die weiter allwöchentlichen Covid-Proteste rund um die Welt. Vor allem in Europa koexistierten nun Anti-Maßnahmen-Proteste mit Pro-Ukraine-Demonstrationen und sendeten eine gemeinsame Forderung in die Welt: Freiheit und Selbstbestimmung.

In Paris kam es am Samstag wiederum zu mehreren Demonstrationszügen von Gelbwesten und Gegnern der Covid-Maßnahmen und des „Impfpasses“, dessen Verwendung vermutlich kurz vor den Präsidentschaftswahlen im April ausgesetzt werden wird. Drei Demonstrationen in verschiedenen Arrondissements organisierten vor allem die Gelbwesten, deren grundsätzlicher Protest gegen die prekäre Wirtschaftslage und -politik neue Fahrt aufzunehmen scheint. Hinzu kam eine Demonstration gegen den Krieg in der Ukraine.

In Wien sind schon am Sonnabend tausende Demonstranten vom Heldenplatz auf den Ring gezogen. Für den Sonntag rechnete sogar die Polizei mit mindestens 20.000 Demonstranten. Am 5. März wird zwar der österreichische „Freiheitstag“ erwartet, doch die Maßnahmenkritiker warnen vor halbherzigen „Lockerungen“, die der Wiedererlangung der vollen Freiheit nicht Genüge täten. Die Demonstration vom Samstag wurde von der Demokratischen Familienpartei Österreichs (DFP) organisiert – darunter die Schauspielerin und #allesdichtmachen-Teilnehmerin Nina Proll, der Kabarettist Roland Düringer und der Mediziner und Mikrobiologe Sucharit Bakhdi.

Protest der Pflegekräfte beleuchtet „dunkle Seite des Mondes“

Am Donnerstag protestierten daneben Pflegekräfte in ganz Österreich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung im Gesundheitswesen: „Es ist geredet und geredet worden, aber es ist alles gleich geblieben“, sagte eine Pflegerin in der Klinik Ottakring. Der Protest der Pflegekräfte beleuchtet sozusagen die „dunkle Seite des Mondes“ in jeder Pandemie: Gesundheitssysteme, die ohnehin in vielen Ländern ineffizient organisiert sind, können nicht zur Rechtfertigung einschneidender Freiheitsbeschränkungen herhalten.

Im neuseeländischen Auckland haben Anti-Maßnahmen-Demonstranten ihre Zelte im Stadtpark Auckland Domain aufgeschlagen. Zelten in diesem ältesten Park, der mit 75 Hektar zudem einer der größten der Stadt ist, ist nicht erlaubt. Einer der Teilnehmer behauptete allerdings er habe als Ureinwohner einen sogenannten „mana whenua status“ in Bezug auf den Park, verteidige dort also gewissermaßen das Erbe seiner Ahnen. Daneben fanden Protestmärsche statt.

In Australien sind die Covid-Zahlen gesunken und wurden folglich Maskenpflichten „gelockert“. Der Protest in der Hauptstadt Canberra, dem sich zu Spitzenzeiten, Mitte Februar, Zehntausende angeschlossen hatten, dauert an. Die Polizei rechnet zudem mit einer Intensivierung im kommenden Monat, nämlich im Umfeld der Haushaltstagungen des Bundesparlaments.

In Kanada: Ethisches und juristisches Patt nach dem Notstand

In Kanada hat die Regierung durch den von ihr ausgerufenen und letztlich auch beschlossenen Notstand ein ethisches wie juristisches Patt bewirkt. Schon am Mittwoch beendete Justin Trudeau die umstrittenen Notstandsregelung, nachdem die wochenlangen Trucker-Blockaden in der Hauptstadt Ottawa durch eine massive Polizeiaktion aufgelöst wurden: Lastwagen wurden abgeschleppt, die Anführer des Konvois ohne Kaution festgenommen, Pfefferspray und Tränengas kamen zum Einsatz. Für Entsetzen sorgte der Einsatz berittener Einheiten gegen Fußgänger. Bei einigen Lastwagen wurden die Scheiben eingeschlagen und die Fahrer mit vorgehaltener Pistole zum Aussteigen gezwungen.

Daneben wurden Bankkonten der Fahrer, von Spendern und Unterstützern eingefroren. 200 Festnahmen zählte die Trudeau-Regierung. 76 Fahrzeuge seien abgeschleppt worden. Auf Twitter gab es ein Parodie-Account, das die Beschneidung der allgemeinen Rechte und Freiheiten durch den Notstand aufs Korn nahm: „Hiermit teilen wir mit, dass kein Fußgängerverkehr in den Bereichen der Stadt erlaubt ist, die zuvor von Demonstranten besetzt waren. Wenn wir Straßen und Geschäfte schließen, dann geschieht das zu Ihrem Nutzen. Und um Sie daran zu erinnern, wer Ihr Daddy ist.“

Doch in kanadischen Städten fanden weiterhin Proteste statt. In Toronto marschierten die Demonstranten vom Queen’s Park zum Dundas Square. Doch das rigide Durchgreifen der Regierung und der Krieg in der Ukraine dürften gemeinsam für ein Abflauen an diesem Wochenende gesorgt haben. Hinzu kommt, dass eine Klage über 306 Millionen kanadische Dollar gegen die Protest-Organisatoren anhängig ist. Die Kläger sind Einwohner und Geschäftstreibende aus Ottawa. Am vergangenen Wochenende hatte es in einigen Städten wie Calgary große Demonstrationen gegeben, vielleicht die größten in der jeweiligen Stadtgeschichte.

Doch auch die Ausrufung des Notstandes ist der Gegenstand einer Klage des Justice Centre for Constitutional Freedoms. Zwei Teilnehmer am Protest, deren Bankkonten ohne richterlichen Beschluss eingefroren oder konfisziert wurden, werden vom Justice Centre vertreten, unter ihnen ein Stabsfeldwebel im Ruhestand, Edward Cornell, der als Vermittler zwischen den Truckern und der Polizei diente. Er und seine Anwälte sehen die Pfändung von Bankkonten als „groben Machtmissbrauch“ vonseiten der Regierung. Zudem startete der kanadische Steuerzahlerbund (CTF) eine Petition zur Beendigung des Regierungszuschusses in Höhe von einer Milliarde Dollar pro Jahr zum öffentlichen Kanal CBC. Auch andere Medienkanäle sollen Regierungszuschüsse in Höhe von 600 Millionen kanadischen Dollar verlieren. Die Zuschüsse würden zu einer verzerrten Darstellung durch die Medien führen.

Und auch einige Erfolge können sich die Trucker und anderen Demonstranten auf die Fahnen schreiben: Während des dreiwöchigen Protestes wurden die Impfpflichten in fünf Provinzen aufgehoben, darunter Ontario, Saskatchewan und Québec. Auch Maskenpflichten fielen, etwa in Alberta. Zu etwas allgemeinerem Bewusstsein kam so auch der autoritäre Charakter der Pandemie-Maßnahmen insgesamt.

Die US-Trucker übernehmen den Staffelstab

In Kalifornien startete am Mittwoch der amerikanische Trucker-Konvoi „The People’s Convoy“, der nach elf Tagen in der Hauptstadt Washington D.C. ankommen soll. Die Rede ist von bis zu tausend Teilnehmern. Einer von ihnen sagte bei Rebel News, an die Politik gewandt: „Mir ist egal, was eure Agenda ist. Ihr müsst daran erinnert werden, dass ihr für das amerikanische Volk arbeitet – nicht andersherum.“ Vielerorts wurden die Trucker enthusiastisch begrüßt.

500.000 Dollar wurden bereits über Crowdfunding gesammelt, um den Protest der Trucker zu unterstützen. Einige Konvois sollen schon am 1. März in Washington sein, wenn Präsident Joe Biden seine State-of-the-Union-Rede hält. Deshalb wurden bereits am Samstag hunderte Soldaten der Nationalgarde in die Hauptstadt abgestellt, um den Trucker-Protest einzuhegen – offiziell heißt es: „Anweisungen und Kontrollen bereitzustellen“. Viele republikanische Politiker, darunter auch Donald J. Trump und der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis unterstützen die Konvois. Die Trucker müssten in ihrem „Kampf um Freiheit und medizinische Autonomie“ unterstützt werden, so das Statement des republikanischen Repräsentanten für Florida, Byron Donalds. Am Sonnabend sprach Trump auf der CPAC in Florida von der „Tyrannei“, die Justin Trudeau in einer „fortschrittlichen westlichen Demokratie“ an den Tag gelegt habe. Dem friedlichen Protest der Trucker stellte er den „Linksfaschismus“ der kanadischen Regierung gegenüber.

Eine Gruppe von Lastwagenfahrern hat angekündigt, die Washingtoner Umgehungsstraße Beltway blockieren zu wollen. Der Sprecher dieser Trucker, Bob Bolus, verglich das Vorgehen gegenüber Fox News mit dem einer Boa constrictor, die ihr Opfer erst umarmt und dann verschluckt: „Das werden wir mit DC machen.“ Andernorts sagte Bolus, das Verkehrsproblem werde sich im üblichen, gewohnten Rahmen bewegen.

Andere Gruppen haben hartnäckige Proteste entlang der Route angekündigt, die erst dann enden sollen, wenn in dem betreffenden Staat alle Beschränkungen aufgehoben sind. Die Trucker fordern ein Ende der pandemischen Notlage, die inzwischen seit knapp zwei Jahren in Kraft ist. Im vergangenen März wurde sie von Joe Biden verlängert. „Die Wahrheit ist, dass wir eine Regierung haben, die versucht, uns herumzuschubsen. Wir leben heute ohne unsere Verfassung. Unsere Verfassung bedeutet derzeit nichts.“

Durch die nationale Notlage wurden Masken- und Impfpflichten erst möglich. Inzwischen sind Maskenpflichten in vielen Bundesstaaten gefallen, aber die Impfpflicht und andere Anforderungen treffen noch viele Amerikaner, zum Beispiel Angestellte im Gesundheitssystem. Gegen andere Impfpflichten – etwa für Betriebe ab 100 Mitarbeitern oder Bundesvertragsnehmer – legten meist republikanischen Staaten Beschwerde ein. Sie liegen seither auf Eis.

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