Das polnische Schulsystem wird nach links gerückt

Das Reformprogramm der neuen Bildungsministerin Polens ist einem Westeuropäer schmerzlich vertraut. Das Ziel dabei ist unübersehbar: Es geht um eine linke Umformatierung der Jugend, um jegliche Möglichkeit einer Rückkehr konservativer Parteien an die Macht unmöglich zu machen.

IMAGO / newspix
Polens Bildungsministerin Barbara Nowacka, Warschau, 25.01.2024

Polens neue Bildungsministerin, die selbsterklärte Feministin, Pazifistin, Abtreibungsbefürworterin und LGBTQ-Aktivistin Barbara Nowacka, hat in Absprache mit Ministerpräsident Tusk eine umfassende Reform des polnischen Schulsystems in Aussicht gestellt, die im Kern schon dieses Jahr in Kraft getreten ist. Das Programm ist schockierend, wenn auch für einen Westeuropäer schmerzlich vertraut – und das Ziel, nämlich eine massive linke Umformatierung der Jugend, um jegliche Möglichkeit einer Rückkehr konservativer Parteien an die Macht unmöglich zu machen, kaum zu übersehen.

Zentraler Hebel ist die Abschaffung benoteter Hausaufgaben, die für Kinder unter 15 Jahren bereits ab April in Kraft treten wird; geplant ist in einigen Jahren dann die völlige Abschaffung benoteter Hausaufgaben auch für die Oberschüler – und wer glaubt, „benotete“ Hausaufgaben ließen sich durch „freiwillige“ ersetzen, hat wohl in den letzten 30 Jahren noch nie einen Fuß in eine Schule gesetzt. Der Grund? Hausaufgaben seien diskriminierend, da Kinder sozial bessergestellter Familien zu Hause eine Förderung erhielten, die anderen nicht zugänglich sei – ein typisch sozialistisches (Schein-)Argument, dessen Scheitern im Westen des Kontinents schon vor 20 Jahren offensichtlich geworden ist. Da das entsprechende Material entsprechend in den Unterricht zurückverlagert werden muss, ist eine massive Reduzierung des gesamten Lehrplans erforderlich, der um 20 Prozent verschlankt werden soll. Diese Maßnahme wird verbrämt durch die ebenfalls aus dem Westen bis zum Abwinken bekannte Beteuerung, man wolle „stumpfes Auswendiglernen“ durch „kritisches Denken“ ersetzen.

Betrachtet man dann die von „Experten“ erstellten neuen Lehrpläne, wird rasch deutlich, aus welcher Richtung der Wind dieses „kritischen Denkens“ weht: Nationale Klassiker wie „Pan Tadeusz“ sollen nur noch in Auszügen gelesen werden, das Niveau der Englischkenntnisse soll bei Schulabschluss um eine Marke im Vergleich zur Gegenwart heruntergesetzt werden (von B1+ auf B1), zentrale Elemente des antikommunistischen Kampfes werden aus dem Geschichtsunterricht gestrichen, die „theoretischen“ Aspekte der Mathematik sollen im Vergleich zur „konkreten Anwendung“ reduziert werden, der Religionsunterricht wird halbiert, und Texte von Papst Johannes Paul II. werden wohl ganz aus den Leselisten verschwinden, wenn es nach den von der Regierung eingesetzten „Experten“ geht. Die Opposition tobt – die Lehrerschaft allerdings hält sich bedeckt: Kein Wunder, denn eine der ersten Maßnahmen der Tusk-Regierung war eine signifikante Aufstockung ihres Gehalts. Die politische Linke weiß im Gegensatz zur Rechten nur zu gut, dass es die „Oberhoheit über die Kinderbetten“ (und -hirne) ist, die den politischen Kampf entscheidet.

Als Westeuropäer kann man nur mit dem Kopf schütteln und sich abwenden, denn was in Polen geschieht, hat man im Westen schon vor 20 Jahren durchexerziert – und ist damit krachend gescheitert. In Deutschland, Belgien oder Frankreich können immer mehr Studenten beim Eintritt in die Universität nicht richtig lesen und schreiben, geschweige denn kompliziertere Texte verstehen (so viel zum „kritischen Denken“), und die Professoren verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, grundlegende Defizite auszugleichen, die auf eine unzureichende Schulbildung zurückzuführen sind. Es ist kein Wunder, dass Polen, das bisher ein recht solides Schulsystem hatte, bei den Pisa-Studien so ausgezeichnete Ergebnisse im Vergleich zu den westlichen Nachbarn erzielte – und es ist zu befürchten, dass dies in ein paar Jahren, wenn die oben erwähnten Reformen umgesetzt sind, vorbei sein wird und Polen damit einen seiner wichtigsten Standortvorteile verliert.

Nun mag die neue Regierung ideologisch verblendet sein; dass das westeuropäische Schulsystem sich zu Tode reformiert hat und analoge Maßnahmen wahrscheinlich auch in Polen ähnliche Konsequenzen haben werden, wird sie allerdings kaum übersehen können. Wieso nimmt das „neue Polen“ also die willentliche Selbstdemontage in Kauf? Die Antwort kann nur politisch sein und führt uns zurück zum sogenannten „kritischen Denken“, das de facto überaus selektiv ist.

Zum einen zeigt die Erfahrung des Westens ebenso wie die Indikatoren der geplanten Schulstoffbeschneidung, dass jenes „kritische Denken“ sich wohl nur an traditionellen Werten wie Religion, Familie, Patriotismus, Kapitalismus usw. abarbeiten wird, aber wohl kaum an Atheismus, LGBTQ-Werten, Globalismus oder Sozialismus. Zum anderen zeigt die Erfahrung, dass der Rückbau von Faktenwissen zugunsten ausufernder Stuhlkreis-Besserwissereien den Schülern und Studenten konkret alle Bausteine vorenthält, aus denen sie echte und solide Argumentationen konstruieren könnten und nicht nur haltungsstarke „Meinungen“.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung als langjähriger Hochschuldozent im Bereich Geschichte. In allen Studienfächern mit historischem Bezug ist in Westeuropa seit vielen Jahren die Beschäftigung mit Daten, Fakten und Kausalitäten systematisch abgeschafft worden zugunsten von „Projekt“-basierten Ansätzen, die sich nur noch auf einzelne Episoden der Geschichte konzentrieren, aber nicht mehr auf die Geschichte als Ganzes. Das bedeutet, dass Schüler und Studenten kaum noch belastbares Wissen von konkreten Ursachen und Wirkungen besitzen; doch während ihre gesamte Chronologie überaus schwammig ist und sie meist kaum eine Ahnung haben, was konkret zum Beispiel zwischen dem Fall des Römischen Reiches und der Französischen Revolution geschah, werden sie bis zum Überdruss mit politisch korrekten Mythen wie der „Inquisition“, den „Hexenverbrennungen“, dem „Goldenen Zeitalter“ der „Toleranz“ im muslimischen Andalusien oder der Prachtentfaltung am Hof von Versailles knapp vor 1789 traktiert – und sie werden daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Die Konsequenz: „Kritisches Denken“ ohne das entsprechende Vorwissen ist in etwa so, als ob man versucht zu sprechen, ohne mehr als ein Dutzend Wörter zu kennen – man kommt nicht sehr weit. Und gerade darum geht es: Anstatt eine echte, auf der Realität basierende Allgemeinbildung mündiger Bürger zu favorisieren, erhalten Schüler und Studenten nur einige wenige, sehr selektive Informationen, die zur Grundlage einer linken ideologischen Formatierung gemacht und überhaupt nicht in einen globaleren Kontext gestellt werden, bis sich ihr Weltbild so verfestigt hat, dass es für eine Infragestellung zu spät ist und allen Ernstes geglaubt wird, die Sorgen unseres Kontinents ließen sich tatsächlich mit Klimakleben und Demonstrieren gegen „Rechts“ lösen.

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Kommentare ( 36 )

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Querdenker73
7 Monate her

Ja, auch in Polen brauchen die grünen politischen Nachwuchs! Analphabetismus kommt da gerade recht.

Freedomofspeech
7 Monate her

Es ist schon erstaunlich, dass eine Bildungsministerin sich nicht international umguckt und erkennt, wo es am besten läuft und warum. Asien wäre da im Fokus. Aber Nein, sie guckt wohl zum Nachbarn nach Deutschland und sagt sich beispielsweise, so ein unterdurchschnittlicher Platz bei Pisa in Mathe ist doch toll, den werden wir den Deutschen streitig machen. Noch liegen wir 10 Plätze im Ranking vor ihnen, doch wir schaffen es mit unserer neuen Strategie doch bestimmt, nach hinten durchgereicht zu werden. So gehen linke Bildungsexperimente. Von denen hatte D zum eigenen Schaden mehr als genug. Jetzt will Polen wohl nachziehen.

Haeretiker
7 Monate her

„Als Westeuropäer kann man nur mit dem Kopf schütteln und sich abwenden, denn was in Polen geschieht, hat man im Westen schon vor 20 Jahren durchexerziert – und ist damit krachend gescheitert.“ Wieso gescheitert? Das Konzept ist aufgegangen. Der Bildungsstand ist dramatisch in dem Maße gesunken wie zur Herrschaftssicherung eines obskuren Bande erforderlich ist. Da nimmt es nicht Wunder, dass russische Diplomaten behaupten, der Bildungsstand westlicher Politiker ist derat gesunken, dass mit ihnen nur noch in einer einfachen Sprache kommuiniziert werde. Könnte das platte russische Propaganda sein? Möglich, aber wenn ich mir so die BRD-Außenministerin anhöre, dann hätte ich gegen… Mehr

Max und Moritz
7 Monate her

Bitter für Polen. Mein Mitleid wäre allerdings größer, wenn sich die PIS in der Vergangenheit gegenüber ihren Nachbarn nicht als Reinkarnation polnischtümelnder Extremnationalisten mit Revanche- und Rachegelüsten inszeniert hätte. Und das alles nur für billige Wahlerfolge bei den Kartoffelbauern auf dem Lande. Tja, irgendwann ist das selbst dem polnischen Wahlvolk zuviel geworden.

Teiresias
7 Monate her

Während der deutsche Frosch über Jahrzehnte so langsam gekocht wurde, daß die Planmässigkeit des Vorgehens aus der Froschperspektive kaum erkennbar war, wird der polnische Frosch in einer Weise druckfrittiert, daß der Vorsatz dahinter unübersehbahr ist. Polen soll in weniger als einer Generation „transformiert“ werden.

Dieser Krieg gegen die Völker Europas wird auf einer Ebene organisiert, die aus der Vogelperspektive heraus Menschen als Verfügungsmasse für strategische Spielchen betrachtet. Die Drahtzieher bleiben dabei so unangreifbar wie aus der Froschperspektive heraus unsichtbar.

Wie kann man sich dagegen wehren?
Wie kann man die Unsichtbaren sichtbar machen?

bfwied
7 Monate her
Antworten an  Teiresias

„Die Drahtzieher“ …! Ich denke, es gibt eigentlich keine Drahtzieher, auch keine eigentliche Verschwörung. Ich meine, es ist einfach nur das Machtspiel, simples Machtgerangel. Diese Ministerin, sozialistisch bis auf die Knochen offensichtlich, sie gehorcht keiner Drahtziehergruppe, die ihr sagt, was zu machen ist, sie ist sozialistisch, von Innen heraus, und es ist ihre Geschäftsidee, dies, immer konform mit der Gruppe, weiterzutragen. Es ist auch nur eine Geschäftsidee der strunzdummen Klimahysteriker und -kleber, sich herauszustellen, irgendeine Position zu erreichen. Sie tun das aus ihrem Inneren heraus. Manche haben Instinkt, benehmen sich gruppenkonform und kommen, faktisch völlig absurd und unverdient, an Futtertrogplätzen,… Mehr

H.D.
7 Monate her

Dann wird sich Polen demnächst mit Deutschland um einen der letzten PISA Plätze streiten. Viel Spaß.

Albert Pflueger
7 Monate her

Gestern erst habe ich mit einer Polin gesprochen, sie berichtete, daß man noch nicht soviel merke, aber es sei besser geworden, nicht mehr soviel politischer Streit im Fernsehen, weniger Propaganda. Sie hob hervor, daß für die Kinder es besser geworden sei, weniger Religion in der Schule, der Lerndruck deutlich geringer. Die Kinder hätten zu viel machen müssen, es sei ihnen kaum noch Zeit für Sport oder eigene Interessen geblieben. Für mich wirkte das so, als habe es die Verhältnisse, die wir hier kennen, zuvor mit umgekehrten Vorzeichen gegeben, stark ideologisiert. Sie erklärte, die Bauernproteste seien derzeit bestimmendes Thema, und man… Mehr

egal1965
6 Monate her
Antworten an  Albert Pflueger

Nun ja, Wasser fängt immer erst langsam an zu kochen.
Aber schon die Aussage über die „Angst vor den Russen“, dieses dann in Verbindung mit den Bauernprotesten, zeigt doch eindeutig, daß es Propaganda eben immer noch gibt, nur anders…

Timur Andre
7 Monate her

Vor einem Jahr noch geschrieben, Polen ist das neue (West) Deutschland. USA unterstützt die Entwicklung, neue Kraftwerke (Atom), produzierendes Gewerbe, wehrhaft etc.
Nun sehe ich, die Globalisten (auch viele aus den USA) werden diesen Konkurrenten herunterwirtschaften, für Deutschland besser, für Europa nicht, irgendjemand muss ja schaffen.

thinkSelf
7 Monate her
Antworten an  Timur Andre

irgendjemand muss ja schaffen.“
Nö. Funktioniert auch ohne. Siehe Nordkorea, Venezuela, Kuba, Somalia. Die Liste lässt sich problemlos verlängern.

egal1965
6 Monate her
Antworten an  thinkSelf

Nun, die von ihnen aufgezählten Länder sind alles Staaten, die von den USA &Co in irgendeiner Weise „sanktioniert“ werden, weil denen dessen Regierung nicht passt, siehe z.B auch Syrien.
Somit stimmt ihre Aussage so nicht…

Ernst K.
7 Monate her

Den Polen kann man zur neuen Regierung „herzlich gratulieren“. Offenbar ist Deutschland für viele Polen noch nicht abschreckend genug.
Ich bin aber voller Hoffnung, daß unsere Nachbarn, im Gegensatz zum Michel, nur vier Jahre brauchen, um diese EU-Schleimer abzuwählen.

BK
7 Monate her

Das hat man schon in 40 Jahren Kommunismus nicht geschafft, den Leuten den katholischen Glauben auszutreiben. Außerdem ist der Leistungswille bei den Polen ungebrochen. Man sieht es an den Grenzorten in Ostdeutschland, wo inzwischen viele Polen leben. Dort herrscht Ordnung, es gibt keine Kriminalität, es werden neue Schulen und Kindertagesstätten gebaut. Also bloß nicht alles schwarz-weiß sehen. Trotz schlechter Ergebnisse bei Pisa, ist die deutsche Jugend auch nicht ausschließlich links, dumm und genderfluid.

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  BK

> Das hat man schon in 40 Jahren Kommunismus nicht geschafft, den Leuten den katholischen Glauben auszutreiben.

Das schafft aber der Typ in Weiß ganz locker, der einer psychisch auffälligen Schwedin und dem obskuren Klima-Kult huldigen lässt. Die Teilnahme an katholischen Ritualen war schon immer in großen Teilen polnischer Gesellschaft recht oberflächlich – eher Gewohnheit als Inbrunst. Bei medialen Stars wie der berüchtigte Pater Rydzyk kann es kaum wundern. (Einmal erzählte er, seine zwei Luxusautos hätte ihm ein Obdachloser gespendet…)