Ohio: Die politisch unkorrekte Katastrophe

Die Medien haben die Umweltkatastrophe in den USA tagelang beschwiegen. Washington reagiert immer noch verhalten. Und wer das Geschehen kritisierte, muss sich unterstellen lassen, Misstrauen zu schüren. Medien und Politik verspielen neuerlich das Vertrauen der Bevölkerung.

IMAGO / Xinhua
In East Palestine, Ohio, starb der Journalismus – wieder einmal. Am 3. Februar entgleiste ein Zug im Grenzgebiet der US-Bundesstaaten Ohio und Pennsylvania. Chemikalien traten aus mehreren Wagons aus, wegen ihrer Gefährlichkeit mussten Spezialisten diese kontrolliert abbrennen lassen. Eine riesige schwarze Wolke stieg über der Gegend auf, auch über Meilen roch es noch nach Chemikalien. Als die Menschen nach einer Evakuierung in ihre Häuser zurückkehrten, fanden sie bereits tote Tiere in der Umgebung.

Haustiere starben, Zuchttiere verendeten, die Anwohner litten unter Reizhusten, und in den Flüssen stauten sich tote Fische. Die Umweltbehörde EPA, die sonst bereits Alarm schlägt, wenn ein Dieselmotor zu viel Stickoxid ausstößt, sprach davon, dass keine Gefahr bestünde. Trotz Chemikaliengeruchs, trotz toter Tiere, trotz verfärbten Wassers.

Freigesetzte giftige Chemikalien
Umweltkatastrophe durch Zugunglück in Ohio – Werden Schäden und Gefahren verharmlost und verschwiegen?
Tagelang konnte man zu diesem Vorfall nichts in den Medien lesen. Das Thema existierte schlichtweg nicht. Stattdessen dominierten Ballonsichtungen und UFOs Zeitungen und Fernsehen. Auch das steht für den heutigen Medienbetrieb: Selbst wenn eine schwarze Wolke meilenweit den Himmel einnimmt und Chemikalien in der Luft liegen, können manche Themen schlichtweg „nicht passieren“. Obwohl sie tausende Menschen direkt betreffen.

Stattdessen fiel den Platzhirschen nichts anderes ein, als diejenigen, die das Geschehene darstellten und kritisierten, auch noch zu diffamieren. Die New York Times etwa hat nichts Besseres zu tun, als „rechten Kommentatoren“ zu unterstellen, sie wollten „Misstrauen“ schüren und das Vertrauen in die Regierung erschüttern. Es war der Sender Fox, der mit einigen Tagen Abstand zum ersten Mal breit und ausführlich über den Chemieunfall sprach. Was sollte dieses Ereignis angesichts der verbissenen Verschwiegenheit darüber anderes auslösen als „Misstrauen“ gegenüber der Regierung? Die Narrative kommen aus erst kürzlich durchgestandenen Krisen bekannt vor.

Weder Greta Thunberg noch Luisa Neubauer waren bisher vor Ort. Die „Neue Generation“ der Klimaschützer kann mit dem Ereignis wenig anfangen. Die Umweltverschmutzung, die sich vor den Augen abspielt, ist unbedeutend, verglichen mit der möglichen „Klimakatastrophe“ der Zukunft. Stattdessen meldete sich mit Erin Brokovich ein Urgestein zu Wort. Ein markantes Zeichen. Der Graben zwischen den Umweltschützern der 80er und 90er Jahre und den Klimaschützern der Firma „Hüpf&Kleb“ ist neuerlich einen Fußbreit gewachsen.

Auch für die US-Bundesregierung ist das Ereignis problematisch. Man darf davon ausgehen, dass ein republikanischer Präsident längst durch das Fegefeuer der Medien gehen müsste. Die Rückmeldung von US-Umweltproblemen dichtet man ja sonst nur in Naturschutzgebieten bohrenden Konzernen an, die im Zusammenhang der Bush- oder Trump-Administration stehen. Die Demokraten, die sich sonst ein grünes Image anheften, haben mit ihrer Ignoranz bewiesen, wie viel sie tatsächlich vom Umweltschutz halten.

Freilich: Die Zugentgleisung kann man kaum Joe Biden und seiner Regierung ankreiden, am ehesten noch der Infrastruktur in Ohio. Deren Schienennetz ist in einem teils kläglichen Zustand. Der Umgang mit der Katastrophe steht jedoch auf einem anderen Blatt. Die FEMA, die US-amerikanische Agentur für Katstrophenschutz, wird in Ohio nicht eingreifen. Der Unfall in East Palestine eigne sich nicht als „traditionelle Katastrophe“ wie etwa Hurricanes oder Tornados. Die Bundesbehörde hilft dem US-Bundesstaat nicht.

Einen ähnlichen bitteren Beigeschmack hinterlässt Transportminister Pete Buttigieg. Der hatte nicht nur tagelang zum Unglück und der Umweltverschmutzung geschwiegen. Er ignorierte es auch zu einem Zeitpunkt, als das Thema endlich in den Medien war. Stattdessen sprach der Demokrat über die „aufregende Zeit“, die Amerika wegen vieler Infrastrukturprojekte bevorstehe und preiste den anti-rassistischen „Transit Equity Day“.

Auch das ist eine Story: Es ist der republikanische Senator J. D. Vance, der sich derzeit als Aufklärer inszeniert, indes die Demokraten in Washington Däumchen drehen. Während die Einwohner fordern, Buttigieg solle die Gegend besuchen – und einige Medien schon seinen Rücktritt fordern –, zeigt Vance die Verschmutzung und macht sie öffentlich. Er spricht mit den Leuten vor Ort und stellt die Frage, warum das Gelände nicht dekontaminiert wurde. Und dann nimmt er direkten Bezug auf Brokovich: Wenn ein EPA-Vertreter vor Ort sei, soll er doch das Wasser trinken.

Es ist nur einer von vielen Nebenschauplätzen dieser Geschichte. Unheimlich an der Ohio-Story ist nicht allein die Möglichkeit, ein Thema zu zensieren und neuerliche Desinformation mitzuerleben. Es ist der Zynismus, mit dem Medien und Politik den Vertrauensvorschuss der Bevölkerung missbrauchen und sie in die offene Gefahr laufen lassen.

Gleich, wie schwer oder glimpflich die Katastrophe von East Palestine verläuft: Sie ist ein weiteres Kapitel darüber, wie Medien schweigen und die Politik die Bürger an der Nase herumführen will, so lange es geht. Und die NGOs, die sonst immer in der ersten Reihe stehen, wenn es um die moralische Anklage geht, ignorieren offenbar ein Thema, aus dem sie kein Kapital schlagen können. Plötzlich ist Umweltschutz kein linkes Thema mehr. Das ist nicht nur ein Desaster, sondern auch eine Chance.

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Kommentare ( 33 )

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Rob Roy
1 Jahr her

Ich komme mir vor wie eingesperrt in einem Multiplex-Kino. Im einem Saal läuft ein Kriegsfilm, im nächsten Verschwörungsthriller oder Politkrimis, Katastrophenfilme gibt es zu zu sehen, und viele Flüchtlingsdramen. Ich irre von Saal zu Saal, ein Film mieser als die anderen, und den Ausgang finde ich einfach nicht.

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

So ist das im Westen. Lügen, betrügen, alles, nur nicht zum Abschauen. Und das sind die Dinge die das Tageslicht abbekommen, ganz zu schweigen von denen wir nichts wissen, die im Dunkel bleiben und doch schwerste Hypotheken für die Natur bedeuten.
Ja, ich bin als mit dem Land verbundener Mensch durch seinen Beruf ein Naturschützer. Aber einer, der die grundlegenden Dinge nicht verwechselt. Davon ist Freyday four Future meilenweit entfernt, und die ganze mit ihr verwobene Lügenbagage der grün gestrichenen neuen Braunen.
Wo sind denn die Frau Schulze aus Bayern und die vielen Baliprivatreisenden?
Da könnten sie richtig aktiv werden.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Je mehr sich das entwickelt, desto mehr muss ich an Seveso denken. In den 70er Jahren gab es deswegen einen gigantischen Aufschrei in Volk und Presse. Wo bleibt der Aufschrei zu East Palestine? Wo?
Sind die Menschen heute so abgestumpft, dass sie das alles nicht mehr interessiert? Was die tun die eigentlich die ganze Zeit?

Demokratius
1 Jahr her

Man kapriziert sich auf die Verfolgung der Berichterstatter. Damit kann man die Verursacher des Desasters verschonen.

Gerd07
1 Jahr her

„Die Zugentgleisung kann man kaum Joe Biden und seiner Regierung ankreiden, am ehesten noch der Infrastruktur in Ohio. Deren Schienennetz ist in einem teils kläglichen Zustand.“

Mag sein, aber für die großen Eisenbahnen ist die Federal Railroad Administration zuständig. Und die hat das OK für einen Zug mit 141 Wagen gegeben. Der Zug dürfte an die 3km lang gewesen sein. Bei uns sind 700-800m das Maximum.

AnSi
1 Jahr her

Ja, mittlerweile schlagen die wellen hier in Ohio hoch. Der Gouverneur DeWine (Rep.) steht quasi ganztäglich vor Mikrofonen und klagt an. J.D. Vance vor Ort ebenso. Sie rühren mächtig im Teich. DeWine verlangt von der Bahn Schadenersatz für alles, auch für die Bürger und ihre möglichen gesundheitlichen Schäden. Am Montag wird in East P. eine Klinik eröffnet, wo sich betroffene Bürger hinwenden können. Sie dokumentieren jetzt genau für spätere Klagen. Wir sind gespannt, wie das noch weiter geht. Klar ist schon jetzt, dass die Dems bei Wahlen in Ohio wohl keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Die Menschen in… Mehr

Thrym
1 Jahr her

Ich stimme Ihrem Artikel zu. Bei Trump wäre vermutlich nichts anderes mehr in den Medien geschrieben worden. Am Ende hätten sie ihm wohl unterstellt, eigenhändig das Gleis angesägt zu haben.

Johann Thiel
1 Jahr her

Medien taugen nur zur Kontrolle konservativer Regierungen. Bei linken Regierungen versagen sie, weil sie selbst links sind.

Fieselsteinchen
1 Jahr her

Fundierter Umweltschutz! Das ist das Thema der Zukunft – man muss nur den Esel darauf stoßen! Wenn die Blauen aktiver wären… Dass die Grünen nichts damit zu tun haben, lässt sich allein an der Windmühlenschredderei und Verschandelung unserer Natur/Wälder erkennen. Die Bienchen und Schmetterlinge haben auch nichts zu melden, denn bald sollen ihre Freunde Grille und Käferlein – vegan ! – gefressen werden. Als Friedenspartei kann man die sowieso vergessen! Ja, in die Infrastruktur der USA wurde seit mehr als 20 Jahren wenig investiert, bis auf die Amtszeit von Ex-President Trump. Aber wenigstens ist Biden vollauf damit beschäftigt Luftballons, Alien-UFOs… Mehr

Demokratius
1 Jahr her
Antworten an  Fieselsteinchen

Wie wenig der Umweltschutz den Grünen am Herzen liegt zeigen sie jetzt mit ihrer Kriegslüsternheit. Derzeit kann man den Eindruck gewinnen, dass Panzer CO2-neutral fahren und auch die durch Explosionen ausgelösten Brände keinen Einfluss auf die Erderwärmung haben.

Tee Al
1 Jahr her

Tucker Carlson, Laura Ingraham, Sean Hannity stehen für kritischen Journalismus, dieser wird bei FOX News gegeben. Bei allen anderen (CNN, CBS, MSNBC, ABC, Washinton Post, New York Times) ist es das gleiche Spiel wie hier, deshalb kein Wunder, dass über das Unglück nicht so ausgiebig berichtet wurde.