Offiziell: EU bestraft missliebige Meinungen

Die Europäische Union hat Franzosen, Schweizer und US-Amerikaner auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Die Vorwürfe klingen wie aus einem schlechten Nazi-Film: „pro-russische Propaganda“ und „Manipulation von Informationen“.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Harry Nakos

Die EU-Bürokraten lieben Sanktionen, das kann man mit ruhigem Gewissen so sagen. Weil das so ist, verhängt Brüssel derartige Strafen inzwischen nicht mehr nur gegen Staaten, sondern auch gegen Privatleute.

Die jüngste Sanktionswelle richtet sich gegen zwölf einzelne Menschen. Besonders bemerkenswert dabei ist, dass die Einreiseverbote, das Einfrieren von Vermögensbeständen und die Einschränkungen, Geschäfte innerhalb der EU zu machen, auch Bürger westlicher Staaten treffen: einen Franzosen, einen US-Amerikaner und einen Schweizer.

Vor allem der Fall des Eidgenossen schlägt hohe Wellen, denn Jacques Baud – so heißt der Mann – genießt international großes Ansehen. Der heute 70-Jährige war Oberst der Schweizer Armee und in den 1980er-Jahren Mitglied des Strategischen Nachrichtendienstes seines Landes. Damals galt er als einer der weltweit führenden Experten für den Warschauer Pakt. Später war Baud an mehreren Operationen der UN, des Schweizer Außenministeriums und der NATO beteiligt. Er ist ein äußerst erfolgreicher Autor militärischer und geostrategischer Fachliteratur.

Und dieser alte weiße Mann soll für das EU-Imperium jetzt so gefährlich sein, dass er auf einer Sanktionsliste landet?

„Informationsmanipulation“

Baud wird vorgeworfen, er sei ein „Sprachrohr für pro-russische Propaganda“. Er verbreite Verschwörungstheorien über die Invasion Russlands in der Ukraine. Durch diese „Manipulation von Informationen“ unterstütze er Moskau. Das sei geeignet, die Stabilität und Sicherheit in der Ukraine „zu untergraben oder zu bedrohen“.

Das, was Baud vorgeworfen wird, nannte man in dunkleren Zeiten wohl „Wehrkraftzersetzung“.

Andere Anschuldigungen gibt es nicht. Weder soll Baud irgendwelche Kontakte zum Kreml haben, noch wird ihm vorgeworfen, von Russland oder aus Russland-nahen Quellen Geld zu nehmen. Sein einziges Delikt (und auch das der anderen sanktionierten Westler): Er hat seine Meinung gesagt.

Noch wilder wird es, wenn man die Recherchen des französischen Nachrichtenportals „Check First“ hinzuzieht. Denn demnach liege der Grund für die Sanktionen in der beruflichen Vergangenheit und Stellung der drei Personen. Diese verleihe ihren öffentlichen Äußerungen eine besondere Autorität.

Mit anderen Worten: Die jetzt vom Brüsseler Bannstrahl Getroffenen haben sich ein Leben lang eine Reputation erarbeitet. Deshalb sind ihre aktuellen Meinungsäußerungen für die EU besonders gefährlich.

Die ganze Sache ist auf so vielen Ebenen falsch – man weiß gar nicht, wo man anfangen soll.

Europäischer Irrweg

Beginnen wir mit Brüssels Lernkurve – oder besser: mit dem Fehlen derselben.

Mittlerweile 19 sogenannte „Sanktionspakete“ hat die EU seit Beginn der Ukraine-Invasion im Februar 2022 gegen Russland verhängt. Auch bei wohlwollendster Interpretation der Ereignisse im Sinne Brüssels kann nur festgestellt werden:

Sie haben nichts gebracht. Gar nichts.

Keine einzige Patrone weniger ist wegen des Aktionismus von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren Vasallen verschossen worden. Wie mit einer tibetanischen Gebetsmühle erklärt von der Leyen mantrahaft, die Sanktionen würden Moskau in die Knie zwingen. Hare, hare, rama, rama. Doch die Wahrheit ist eine andere.

Trotzdem setzt Brüssel stur auf mehr und immer noch mehr Sanktionen. Nur geht die Krankheit halt einfach nicht weg, wenn man die falsche Medizin in immer noch größeren Dosierungen verabreicht.

*****

Schon das Instrument der Sanktion selbst ist also äußerst fragwürdig. Die Begründung dafür ist eine intellektuelle Zumutung.

Wer entscheidet denn, was „Desinformation“ ist? Wer entscheidet, was ein „russisches Narrativ“ ist? Warum sollte das schlechter sein als ein ukrainisches Narrativ?

Die neue Intendantin des Staatssenders „Deutsche Welle“ sieht ihre Anstalt als Teil eines „Informationskriegs“ gegen Russland. Barbara Massing, so heißt die Dame, degradiert die Journalisten ihres Hauses also zu Soldaten in einem Konflikt mit einem anderen Staat.

Ist sie damit glaubwürdiger als ein Ex-Oberst der Schweizer Armee?

Wenn die EU alle Menschen bestrafen will, die anderen „Narrativen“ folgen als denen von Frau von der Leyen, dann stehen blitzschnell etwa zwei Drittel der Welt auf der EU-Sanktionsliste.

Von der Leyen und die Wahrheit

Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin lässt die wirtschaftliche und soziale Existenz von Bürgern europäischer Staaten vernichten, weil diese Menschen angeblich lügen. Das ist dieselbe Ursula von der Leyen, die öffentlich behauptet, US-Fracking-Gas sei „billiger und besser“ als russisches Erdgas. Dieselbe Frau, die öffentlich behauptet, der Diebstahl von russischem Zentralbank-Vermögen durch die EU sei legal.

Jacques Baud ist auf von der Leyens Sanktionsliste gelandet – allein nur deshalb, weil er seine Meinung sagt. Er hat noch nicht einmal gelogen. In seinen Analysen zum Ukraine-Krieg hat der Schweizer niemals auf russische, sondern immer nur auf ukrainische, europäische und US-Quellen zurückgegriffen. Sein nunmehr sanktioniertes Vergehen besteht allein darin, dass er aus diesen Fakten andere Schlüsse zieht, als die Eurokraten es gerne hätten.

Der EU-Abgeordnete Michael von der Schulenburg vom BSW beklagt, die Sanktionen würden für die Betroffenen den „zivilrechtlichen Tod“ bedeuten und widersprächen eindeutig dem Rechtssystem der EU. Baud erklärt, er habe vorab keine Warnung erhalten. Die Sanktionen werden ohne Anklage verhängt, ohne Gerichtsverfahren und ohne Urteil. Dem Sanktionierten wurde noch nicht einmal rechtliches Gehör eingeräumt – sonst ein unverrückbarer Grundpfeiler jedes modernen Rechtsstaats.

Aber die EU ist ja auch kein moderner Rechtsstaat.

Mittlerweile stehen 59 Europäer auf der EU-Sanktionsliste. Es ist völlig unklar, ob – und wenn ja: wie – sie gegen die Sanktionen vorgehen könnten, denen sie nun unterworfen sind. So, genau so hat sich Franz Kafka staatliche Willkür vorgestellt. Der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn („Die Partei“) sagt dazu:

„Es gibt keinen wesentlichen Artikel des EU-Vertragswerks, den die EU unter Ursula von der Leyen nicht verletzt hätte.“

Wohl wahr. Von der Leyen maßt sich vertragswidrig Kompetenzen an, die sie gar nicht hat. Die EU nimmt vertragswidrig gemeinschaftliche Schulden auf und militarisiert sich – ebenfalls komplett vertragswidrig. Die EU-Kommission lässt vertragswidrig das Einstimmigkeitsprinzip aufheben.

Die Staaten des Warschauer Pakts wurden zu Zeiten des Kalten Kriegs von Moskau und dem Generalsekretär des ZK der KPdSU kein bisschen weniger autoritär unterdrückt als die EU-Mitgliedsstaaten heute von Brüssel und seiner selbsternannten Königin Ursula von der Leyen.

Die EU ist an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht mehr die kleinste Ähnlichkeit hat mit dem der Wirtschaftsförderung, Wohlstandsmehrung und Friedenssicherung gewidmeten Vertragsprojekt, als das sie einst gegründet wurde. Die EU-Verträge sind die einzige Legitimationsgrundlage der EU. Unter Ursula von der Leyen hat die EU permanent und massiv gegen diese Verträge verstoßen. Nochmal Sonneborn:

„Die EU kann ihre Legitimation nicht aus Verträgen herleiten, die sie selbst nicht achtet.“

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 58 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

58 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
spindoctor
9 Minuten her

Die EU ist nichts als eine „NGO“, die als Instrument der Machterhaltung sich aktuell an der Macht befindlicher europäischer Parteien dient. Allerdings fällt ihr diese Aufgabe immer schwerer – „deep state“ mehrerer Staaten zu sein, ist halt schwierig.

November Man
1 Stunde her

Das ist die Antwort dieser total übergriffigen EU, der vdL und ihren linken Freunde auf echte Fakten und Tatsachen. Noch mehr Falschinformation, noch mehr Desinformation, Strafen, Sanktionen, Erpressung und noch mehr unzählige Lügen. Aber eines ist sicher: „Diese korrupte EU, ihre falsche und verlogenen Präsidentin, werden zusammen mit den Lügenmedien und der korrupten Ukraine den Krieg gegen Russland nicht gewinnen, sondern verlieren.“ Und wenn in Kiew die russische Fahnen wehen, wenn Russlands Armeen an der polnischen Grenzen stehen, werden die uns noch weismachen wollen, das würde nicht stimmen.    

Danton
1 Stunde her

Man kann den EU Wehrkraft- und Narrativzersetzer im Interview erleben: https://weltwoche.ch/ticker/fall-jacques-baud/#3f6c628977aa98bf4f2a95e9453f4685
An Seriosität ist er wohl auf einer Ebene wie Norbert Bolz, oder Herr Wodarg. Also höchst kompetente, kritische Geister die sich nicht verbiegen lassen. Hätten wir solche Leute in Regierung und Medien… ach besser man träumt solche Träume erst gar nicht.

Peter Pascht
1 Stunde her

Offiziell: EU bestraft missliebige Meinungen“ ?
Das ist eine Falschinformation aufgrund des Unwissens was die EU ist.
Die EU kann keine Sanktionen beschließen, hat sie auch nicht !
Es sind die Mitgliedstaaten welche die Sanktionen jeder für sich und gemeinsam beschlossen haben.
Der „Europäische Rat“ hat mit den Stimmen der Mitgliedstaaten jeder in eigener Verantwortung eine „Sanktionsliste“ beschlossen.
Dafür braucht es keine Rechtbasis, denn es sind politisch motivierte Sanktionen, zu denen die Mitgliedstaaten eine souveräne Berechtigung haben.

Peter Pascht
1 Stunde her

EU Sanktionen? – gibt es rechtlich nicht, egal mit welchen phanatasierten Vorwürfen, weil es ein „EU-Strafgesetz“ nicht gibt, nicht geben kann, weil die EU keine Rechtstaatlichkeit besitz, da sie kein Staatswesen ist – sagt das BverfG. Sollten solche Fake-Sanktionen, Repressalien und rechtliche oder materielle Schäden für Einzelpersonen, Organisationen oder Länder verursachen so sind das Straftaten. „Das Europäische Parlament ist weder in seiner Zusammensetzung noch im europäischen Kompetenzgefüge dafür hinreichend gerüstet, repräsentative und zurechenbare Mehrheitsentscheidungen als einheitliche politische Leitentscheidungen zu treffen. Es ist gemessen an staatlichen Demokratieanforderungen nicht gleichheitsgerecht gewählt. Es kann deshalb auch keine parlamentarische Regierung tragen“ „Solange im Rahmen… Mehr

CasusKnaxus
1 Stunde her

Die Frau merkts nicht mehr, aber paßt leider in diese Zeit. Eine Zeit der Looser, der Scharlatane & Zauberlehrlinge. Einfach nur ein schlechter Witz. Frohes Fest!

Minusmann
1 Stunde her

Von der Leyen maßt sich vertragswidrig Kompetenzen an, die sie gar nicht hat. – Wohl nicht ganz richtig, denn die Dame sitzt augenscheinlich fest im Sattel. Es ist wirklich ein Witz der Geschichte, dass es eine Deutsche sein muss, die Demokratie und Freiheit der Europäer bedroht. V.d.L ist echt das Allerletzte.

Kassandra
1 Stunde her

Roger Köppel ergänzt auf der Weltwoche beständig: https://weltwoche.ch/suche/?q=baud

Evero
1 Stunde her

Nur weiter so! Die deutsche CDU/CSU erarbeitet sich mit ihrem Überengagement für die geopolitische Agenda des US-Deep-State und des faschistischen Ukraine-Regimes einen besonderen Ruf in der Welt. Die freie Welt begreift EU und deutsche Bundesregierung als Rückfall Deutschlands in vergangen geglaubte Zeiten. Ich protestiere als Deutscher. Ich will mit diesen Kriegstreiber-Eliten nicht in einen Topf geworfen werden! Die Verhandlungen in Brüssel und Berlin waren ohne Russland eine Farce. Die EU will gar keinen Frieden mit Russland. Die wollen den Krieg in der Ukraine verlängern in der Hoffnung, dass ab 2029 die USA wieder im Boot sind und den Krieg gegen… Mehr

Last edited 1 Stunde her by Evero
Britsch
1 Stunde her
Antworten an  Evero

Kurz gesagt, Rechtsverhältnisse ähnlich denen im Mittelalter. Die „Herrschaft“ entscheidet nach Belieben, was recht ist und was nicht. Wer und was bestraft wird oder nicht und wie jeweils bestraft wird. Hier bestätig,t eine Erkemnntnis die ich schon länger vertrete und die nicht verharmlost werden sollte wie das viel zu oft noch gemacht wird.
„Wie konnte es nur so weit kommen?“ weil alles verharmlost wird, was eigentlich der Meinung nach nicht sein kann und darf

Christopf
1 Stunde her

Wenn Menschen wie Hr. Baud gecancelt werden, ist das für mich immer eine brandheisse Leseempfehlung. So gesehen…Danke.

Kassandra
1 Stunde her
Antworten an  Christopf

Hier hat er u.a. oftmals veröffentlicht: https://overton-magazin.de/author/j-baud/
Und hier im Interview am 26.10.2025: https://www.youtube.com/watch?v=Krp2lw-QOG8
.
Ja. Mich wundert, dass Harald Kujat als Bundeswehrgeneral a.D. und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr bei vdL nicht auffällig wurde – denn auch er tut seit Jahren seine ganz eigene Meinung zu dem Debakel kund – wie Baud vollkommen abseits von msm und örr – denn die lassen solche seit Zeiten nicht mehr vor.
Das war wohl 2014 einer seiner letzten Auftritte, als Kujat und Richard Precht auf Gauck und den damaligen ukrainischen Botschafter bei Illner stießen, die damals schon kaum vom Waffengang abzuhalten waren: https://www.youtube.com/watch?v=E-_j_Bu-eUY&ab_channel=KIEKEMAFILMBERLIN

Last edited 1 Stunde her by Kassandra