Niederlande: Mark Rutte tritt wegen Migrationsstreit zurück – Neuwahlen

Mark Rutte scheint fast absichtlich mit den Gesprächen über eine kleine Reform der Familienzusammenführung gescheitert zu sein. Will er die in Umfragen führenden Bauern und Bürger bei Neuwahlen herausfordern? Auch Geert Wilders strebt nun an die Macht.

IMAGO / ANP
Premierminister Mark Rutte, 07.07.2023

Am Ende stürzte die niederländische Regierung nicht über das Thema, mit dem sie auch international seit einiger Zeit am meisten verbunden wird. Der Stickstoff und das Überleben der Landwirtschaft spielten keine Rolle, dafür aber das andere große Thema dieser Tage. Die ungeregelte Migration reizt auch in dem 18-Millionen-Volk die Gemüter. Lange schon lag Streit in der Luft in der niederländischen Regierung. Und nun wollte Ex-Premierminister Mark Rutte offenbar nicht nachgeben. Doch auch zwei seiner Koalitionspartner versagten ihm in diesem Fall die Gefolgschaft.

Es geht nicht ganz um eine Kleinigkeit. Die zentrale Erstaufnahme in Ter Apel ist erneut überfüllt. „Die Wartezeiten im Asylverfahren wachsen“, heißt es dazu lapidar auf der Seite des Immigrations- und Naturalisierungsdienstes im Justizministerium. Die Gründe? Nach wie vor hohe Zuströme aus Syrien, der Türkei und dem Jemen plus immer mehr Anträge auf Familienzusammenführung. Daneben kommen auch immer mehr „unbegleitete Jugendliche“ in den Niederlanden an, die bekanntlich besonders aufwendig zu betreuen sind.

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In der EU tritt Rutte schon seit einiger Zeit als „Falke“ an der Seite des Österreichers Karl Nehammer auf, verhinderte etwa den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens und trat auch sonst für Begrenzungen ein. Im Innern wollte er nun die Familienzusammenführung wegen der hohen Belastung der Niederlande durch die illegale Migration für einen Teil der „Flüchtlinge“ erschweren. Das ist – auch für Deutschland übrigens – ein Riesenthema.

Aber die links-liberale D66 und die christlich-soziale Christen-Union (ChristenUnie, CU) sperrten sich gegen jede Verschärfung auf diesem Gebiet. Sogar eine Schön-Wetter-Familienzusammenführung – nur dann, wenn die Ankunftszahlen niedrig wären – lehnten die beiden ab. Zuletzt weichte Rutte sein Ziel gar noch stärker auf: 200 Migranten pro Monat sollten von der Familienzusammenführung profitieren. Aber auch das reichte den linken Geistern in seiner Koalition nicht. Nach drei Tagen Streit trat Rutte zurück. Noch am Abend wollte er König Willem-Alexander über seinen Schritt informieren und so wohl Neuwahlen einleiten.

Bauern und Bürger gehen als Favoriten in die Neuwahlen

Und hier kommen nun doch Stickstoff und Bauern ins Spiel. Denn Ruttes Rücktritt scheint auch auf den Druck zu reagieren, den neuere Wahlergebnisse und Umfragewerte ausgeübt haben. Gerade hat die neugegründete Bauern- und Bürgerbewegung (BBB) Ruttes VVD als Umfragenkönig entthront. In jüngeren Umfragen kam die BBB auf bis zu 33 Sitze. Inzwischen hat sich dieser Umfragenberg etwas abgeflacht auf 27 Sitze. Auch das wäre ein riesiger Erfolg, nachdem die BBB praktisch aus dem Nichts die Regionalwahlen für sich entschieden hat. In der Zweiten Kammer haben sie erst eine Abgeordnete, die Vorsitzende Caroline van der Plas. Die VVD hat derweil etwas Boden in den Umfragen wettgemacht und erreicht wieder 21 Sitze. So könnte sich eine neue Mehrheit ankündigen.

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Niederlande: Regierung Rutte zerbricht an ihrer Migrationspolitik
Mit seiner an Wahnsinn grenzenden Anti-Bauern-Politik hat Rutte seiner Koalition das Grab geschaufelt. Die Forderung, auf Düngemittel zu verzichten in einem Land, das derzeit immer noch ein höchst erfolgreicher Gemüseexporteur in Europa ist, war dann doch zu absurd. Die Bauern feierten nun das Scheitern von Ruttes viertem Kabinett mit einer kleinen Zusammenkunft an einer Autobahnüberführung an der A1 bei Holten.

Die Bauernbewegung geht nun als Favorit in die erwarteten Neuwahlen. BBB-Chefin Caroline van der Plas will zwar nicht selbst Premierministerin werden, hat aber angeblich „bereits eine Reihe geeigneter Kandidaten im Kopf“. Nennen mochte sie die Namen aber nicht: „Diese Leute haben immer noch einen Job.“ Das wäre schon mal etwas Ungewöhnliches für einen kommenden Premierminister.

Wilders will an die Regierung

Im März hatte BBB überraschend die wichtigen Regionalwahlen deutlich für sich entschieden und die Regierungsparteien bereits da ziemlich alt aussehen lassen. Auch Geert Wilders forderte rasche Neuwahlen. Danach will er Regierungsverantwortung tragen. Seine Partij voor de Vrijheid (PVV) ist die drittplazierte in Umfragen mit 14 Sitzen. Eine klare neue Mehrheit ist damit noch nicht gegeben bei insgesamt 150 Sitzen in der Zweiten Kammer. Wird es also wieder eine Koalition aus demselben abgestandenen Parteientopf geben, der die Probleme in den Niederlanden offensichtlich nicht hat lösen können, vielmehr noch weitere hinzugefügt hat?

Im Land nennt man den Premier auch „Teflon-Rutte“, weil er die typische Eigenschaft eines erfolgreichen Politikers hat, Skandale und andere Probleme an sich abperlen zu lassen. Rutte war seit 2010 Premier der Niederlande und stand in dieser Zeit insgesamt vier Kabinetten vor. Die einzige Oppositionspartei, die Ruttes Rücktritt „traurig“ fand, war – man darf raten – GroenLinks, das im Fall eines Weiter-so wohl als dritter Partner in der Ersten Kammer, vergleichbar dem deutschen Bundesrat, profitiert hätte. Dort sind nach den Regionalwahlen im März nun die Bauern und Bürger die stärkste Fraktion, gefolgt von der Gemeinschaftsfraktion von Grünen und sozialdemokratischer Arbeitspartei.

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Kommentare ( 58 )

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DeppvomDienst
9 Monate her

An diesem Tag waren wir zu einer Geburtstagsfeier bei unseren niederländischen Bekannten. Tagelang berichteten die nl. Medien schon von der steigenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung und vor allem Rutte, so dass man den baldigen Gang zum König erwarten konnte. Als die Nachricht vom Rücktritt kam, gab es erst mal lautes erfreutes Hallo und die Stimmung stieg deutlich. Dann dachten alle aber erst mal nach und stellten fest, das dies ja eine bekannte Taktik von Rutte ist und ein Kabinett Rutte V nötigenfalls mit einer noch größeren Koalition kommen wird. Durch die Zersplitterung der nl. Parteienlandschaft ist eine Regierungsmehrheit… Mehr

Rolfo
9 Monate her

Wird Zeit, dass in Deutschland auch weitere neue Parteien auftreten, die den CDU-Grün-Block ablösen können. Wagenknecht, die Basis-Partei, die freien Wähler bräuchten auch noch paar prägnante Köpfe und vielleicht gründen Monika Gruber und Peter Hahne noch was Neues?

alter weisser Mann
9 Monate her

Also wegen Migrationspolitik zerbricht in Deutschland keine Koalition, die Etablierten sind alle für weit offene Türen, die streiten bestenfalls ob die noch weiter offen geöffnet werden können (1,5 Mio. „Neubürger“ pro Jahr vielleicht) und wer (auf rein formaler Ebene) zahlt.

AlexR
9 Monate her

Der König der Niederlande unterbricht seinen Urlaub wegen der Regierungskrise.

In Gagaland kann sich eine Kasner nach einem Attentat auf indigene Deutsche in Berlin nicht mal zum Tatort begeben. Und eine Faeser nach Illerkirchberg such nicht. Ist ja auch an der Tagesordnung in Gagaland. „Ich kann mich nicht um alles kümmern!“.

Fatmah
9 Monate her

Als sei es ein Naturgesetz das Westeuropa alle Armen und Kriminellen der restlichen Welt aufnehmen und versorgen muss. Aus den USA höre ich sowas nicht.

gorbi
9 Monate her

Ich darf noch ergänzen Jörg Kukies . Als Berater von Bundeskanzler Scholz. Als der noch Finanzminister war , gab’s ein Interview zusammen mit Kukies, Wobei sich letzterer als eindeutig kompetenter darstellte. Kukies , CEO der US- Bank Goldman Sachs , in Windeseile zum Staatssekretär ernannt, sagt im Kanzleramt , wo’s lang geht. Deutschland ist zu einem hörigen Vasallenstaat abgestiegen.

Ernst K.
9 Monate her

Nach Dänemark, Schweden, Finnland und Italien schlägt das Pendel endlich auch in den Niederlanden nach rechts. Deutschland schläft weiter.

monsalvat
9 Monate her
Antworten an  Ernst K.

Italien, ich bin etwas enttäuscht. Man hört wenig bis gar nichts, was Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung betrifft. Ich hatte von Giorgia Meloni und Matteo Salvini mehr erwartet. Im Gegenteil, man hat den Eindruck, es läuft weiter wie gewohnt.

Spyderco
9 Monate her

Interessant ist,daß WEF-,,AgendaContributor“Rutte,der sich als Klimasektenprediger und Migrationskultist hervorgetan hat,plötzlich von den MSM zum,, konservativen Rechts-Mitte-Politiker geschrieben wird.

H.Arno
9 Monate her

Endlich! – Der Links-Grüne Rutte – zerrüttet die Niederlande nicht länger mit der massenhaften Überflutung durch Afro-Muslime!
Und der Linken EU-Diktatur – geht das Geld aus ohne die Niederlande – denn Deutschlands ist bereits „pleite“!
Die Steuergelder haben die Links-Grünen seit Merkel schon weltweit verschleudert und für die soziale Hängematte der eingedrungenen Migranten-Massen verbraten!
Die Niederländer haben wieder eine Chance für ihre Zukunft –
und „wir haben eine Chance – auf das Ende der Links-Grünen EU-Diktatur“!

Last edited 9 Monate her by H.Arno
Andreas1-7
9 Monate her

In den Niederlanden gab es eine spezielle Situation, die 4 bürgerlichen Parteien hatten eine Regierung die vom Block „groenlinks“ jeweils um Zustimmung betteln musste was sich beim Thema Bauernvertreibung und Zuwanderung deutlich und gegen den Volkswillen zeigte. Daraus entstand die Protestpartei BBB (BoergerBoerenBeweging) die auf Anhieb in allen 12 Provinzen stärkste Partei wurde. Das war auch möglich weil alle Medien neutral bis maximal leicht kritisch über diese Bewegung berichteten und diesen Leuten eine öffentliche Stimme gaben, kurzum Journalismus und nicht Missionierung betrieben.In D wurde die BBB entweder gar nicht erwähnt oder gleich mit dem Stempel „rechtspopulistisch“ versehen,die hatten nämlich gewagt… Mehr

Andreas1-7
9 Monate her
Antworten an  Andreas1-7

Ich nochmal, einfach nur um meinen Ärger loszulassen was „Helga aus Brüssel von der Tagesschau“ sich dazu zusammengeschmiert hat.. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/niederlande-nach-rutte-ruecktritt-100.html Die Dame faselt sich da etwas von der „rechtspopulistischen Bauer-Bürger-Bewegung“zusammen, das geht meilenweit am Empfinden der niederländischen Bevölkerung vorbei wie die Wahlergebnisse (Sieger bei allen 12 Regionalwahlen) wohl eindrucksvoll dokumentieren. Die „rechtspopulistische Bauer-Bürger-Bewegung“ heisst in den Niederlanden „BoerBurgerBeweging“, bei Wikipedia heissen sie wenigstens noch Bauern-Bürger-Bewegung, nicht einmal einen Wikipediaartikel fehlerfrei abkupfern scheint noch fachliche Voraussetzung für eine Helga aus Brüssel in Diensten der Tagesschau zu sein..Und es war keine „Provinzwahl“ sondern es wurde in allen 12 Provinzen der Niederlande gewählt… Mehr