Juncker: Vertiefung als Selbstzweck

Präsident Jean-Claude Juncker will eine Grenzkontrollorganisation von 10.000 Personen einrichten. Wie immer bei Junckers Vorschlägen: Welches Problem wird damit gelöst?

FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images

Präsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch in seiner State of the European Union nicht überraschend für eine tiefere EU-Integration plädiert. Das Auffälligste: Er will eine EU-Grenzkontrollorganisation von 10.000 Beamten einrichten. Wie immer bei Junckers Vorschlägen: Welches Problem wird damit gelöst?

Es war ein merkwürdiges Treffen in Straßburg, Frankreich. Der Präsident der Kommission, ein Mann, zu dem ihn niemand wählen konnte, hielt seine jährliche Rede, für die es auch kein demokratisches Mandat gibt. Der „Staat” Europäische Union stammt schließlich aus der Europäischen Verfassung, die von den Franzosen und Niederländern im Jahr 2005 durch Referenden entschieden abgelehnt wurde. Nicht-hörende Regierungen setzten die Verfassung durch die Hintertür raus, um sie als Lissabon-Vertrag durch die Vordertür zurückzubringen. Und so wird die EU seit 2010 von einem Beamten, dem Kommissionspräsidenten, als unerwünschter Staat Europäische Union repräsentiert.

Junckers Rede forderte wie immer, die EU weiter zu integrieren – vertiefen. Am auffälligsten ist sein Vorschlag, ein EU-Grenzschutzorganisation zu gründen von 10.000 Grenzbeamten: davon 3.000 von der EU und die übrigen 7.000 müssen von EU-Ländern geliefert werden. Jährliche kosten: 12 Milliarden Euro. Dieser Vorschlag ist nicht neu, aber es lohnt sich, näher darauf einzugehen.

Denn welches Problem wird gelöst und ist es machbar? Gemäß Schengen-Abkommen müssen die Länder ihre Außengrenzen mit Nicht-Schengen-Ländern überwachen. Wer keine Zugangsdokumente hat, muss draußen bleiben. Südeuropa flehte endlos um EU-Solidarität (Geld) für die Kontrolle seiner Grenzen, aber als Nordeuropa die Grenzen schloss und Südeuropa isolierte, war diese Solidarität kein Thema mehr.

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Italien zeigt unter der neuen Regierung von Fünf Sterne und Lega, dass es die Grenzen von Italien und Schengen ohne die Hilfe anderer EU-Länder geschlossen halten kann. Spanien hat den marokkanischen König seit Jahren eingekauft und weiß auch, wie man die Grenze geschlossen hält. Nur Griechenland bleibt eine Farce, aber dank Angela Merkels Deal mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kommen nur wenige Afrikaner und Asiaten über Griechenland. Alles in allem können die Schengen-Staaten ihren Verpflichtungen sehr gut nachkommen. Es ist daher nicht notwendig, dass die Europäische Kommission eingreift.

Junckers Vorschlag scheint ebenfalls unpraktikabel. Die Bewachung einer Grenze bedeutet, dass im letzten Fall Gewalt angewendet werden muss. Das Gewaltmonopol liegt in allen Schengen-Ländern beim Staat. Es ist schwer vorstellbar, dass Länder dieses Monopol als Teil ihrer Souveränität aufgeben. Stellen Sie sich vor, EU-Grenzschutzbeamte – zum Beispiel Deutsche – sind auf einer griechischen Insel stationiert und dürfen Gewalt gegen Personen anwenden, die illegal die Grenze überqueren. Oder dass diese EU-Deutschen mit Hunden herumlaufen und den Griechen Anweisungen geben, Gewalt anzuwenden. Das scheint kein Rezept zu sein. Wenn jemand erschossen wird, wer übernimmt die Verantwortung?

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Der Vorschlag von EU-Grenzschutzbeamten ist nur einer von vielen Vorschlägen für mehr EU-Integration, die Juncker in seiner Rede machte. Aber es symbolisiert, wie die EU funktioniert. Nationalstaaten haben ein Problem und können diese selbst perfekt lösen. Aber bevor sie das tun, versuchen sie, das Problem auf EU zu stellen und anderen Ländern zu erlauben, für eine Lösung zu bezahlen. Jedes Mal, steht Juncker mit offenen Armen in Brüssel da, diese nationalen Probleme zu einer EU-Kompetenz zu machen.

Das ist nicht nur unnötig, sondern auch unklug. Juncker macht die EU-Integration zu einem Ziel an sich. Ohne sich Gedanken über die Notwendigkeit, Machbarkeit und Nützlichkeit für den Bürger zu machen. Das is nicht überraschend. Juncker ist nicht gewählt. Für Technokraten sind Bürger immer Schachfiguren, die ihren erhebenden Reissbrettplänen im Wege stehen. Zentralisierung von Macht ist nun einmal die Natur von Technokraten.

Glücklicherweise sind Junckers Worte nicht viel Wert. Er hat angekündigt, 2019 in Rente zu gehen und hat damit politisch abgedankt. Die Pläne aus seinen drei vorangegangenen Reden zur Lage der Europäischen Union wurden meist nicht in die Tat umgesetzt. Wir erinnern uns noch an die Verteilung von Afrikanern und Asiaten auf die EU-Staaten aus Junckers letzter State of the European Union, den Wunsch von Merkel, um ihre innenpolitischen Probleme in die EU zu exportieren. Der Plan ist einen stillen Tod gestorben. Die Chance haben Junckers neue Pläne auch.

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Kommentare ( 33 )

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benali
5 Jahre her

Ich bin verwirrt. Die mächtigste Frau der Welt, besteht darauf, dass man Grenzen nicht schützen kann. Spanien und Italien müssen sich mit dunklen Mächten verbündet haben, die es ihnen ermöglichen, Grenzen trotzdem zu schützen. Welchen Zaubertrank hat Orban getrunken? Von den Vorgenannten war das so zu erwarten.

Dass aber der ehemalige Bürgermeister von Luxemburg jetzt Merkel in den Rücken fällt …

Ketyere
5 Jahre her

…da Ungarn auch ein Schengenland ist und bisher die Grenzen geschützt hat und auch gegen alle Angriffe es weiterhin tut, muss ein andere Plan her… Stellen Sie sich mal vor was passiert wenn zum Beispiel ungarische Grenzpolizei/Soldaten ihr Land schützend Illegale Migranten nicht reinlassen wollen und die fremden „Frontexsoldaten“ aber sagen, die kommen aber rein…

Th.F.Brommelcamp
5 Jahre her

Es wird Zeit, das das Schato Schon Klohd endlich entflochten und wieder zur EWG wird. Das Gericht in Den Haag ihr Auge auf die wahren Gesetzesbrecher wirft.

Neo-Realist
5 Jahre her

Verprobung.
12 Mrd, davon 2 Mrd Sachkosten, verbleiben 10 Mrd Euronen für 10.000 Nasen,also:

1 Mio Euronen pro Nase und 200.000 Euronen Sachkosten pro Nase

wo kann ich mich bewerben ???

bkkopp
5 Jahre her

Grenzschutz ist Polizeiarbeit. Diese muss verfassungsrechtlich, polizeirechtlich, organisatorisch und personell in das Grenzland integriert sein. Eine EU-Grenztruppe kann bestenfalls eine kurzfristige Aushilfe zur Krisenbewältigung sein. Brüssel sieht natürlich in der aktuellen Krise die Chance, eine EU-Behörde zu schaffen, die weder rechtlich noch demokratisch kontrollierbar ist. Die Konflikte mit den Polizei- und Grenzschutzbehörden der Grenzländer würden sehr intensiv sein. Der weitere Zerfall der EU wäre garantiert.

Old-Man
5 Jahre her

Was für ein elendig kleiner und bösartiger Mann!
Den Bezug zum normalen Leben,zum alltäglichen Kampf nicht auch Opfer zu werden hat diese bestgeschützte keinerlei Bezug.
Wer solche Leute entscheiden und schalten und walten läßt,der sieht Tag für Tag was diese Entscheidungen anrichten.
Es wird hoffentlich ein Italiener oder Pole oder sogar ein Ungar neuer Präsident,denn mit Meyer gibt es ein klares weiterso,dafür sorgt schon Frau MÖrkel!!

der_sommer
5 Jahre her

Als Nachfolger im Gespräch ist ja wohl ein Herr Weber / CSU, der allerdings eine relativ unbekannte Größe ist, die bisher noch nie ein halbwegs anspruchsvolles Amt bekleidet hat.
Da könnte man auch glatt Frau Holmeier vorschlagen.

Ali
5 Jahre her

Natürlich wird damit kein Problem gelöst. Es war auch nie Sinn und Zeck der EU Probleme zu lösen, ganz im Gegenteil, die EU ist doch zu großen Teilen der einzige Urheber für die i.a.R. importierten Problem Europas.

Auch hiermit möchte die EU nicht dafür sorgen, das Europa endlich den Grenzschutz bekäme, der den Europäern eigentlich mit Schengen und dem damit verbundenen Aufgabe nationalen Grenzsichicherung versprochen und zugesichert wurde.

Jucker möchte lediglich sicherstellen, das es aufmüpfigen Staaten wie Ungarn zukünftig nicht mehr möglich ist, sich souverän gegen die geplante Massenmigration wehren kann.

andreas59
5 Jahre her

Nigel Farage sorgte am 14. November 2017 im Europäischen Parlament in Strassburg für ein Eklat, als er sich auf ein Papier, das 2016 von einer Brüsseler Agentur namens „KumquatConsult“ erstellt wurde, schick und professionell aufgemacht, für die „Open Society european Policy Institute“. Dieses Papier wurde von der Hackergruppe DC leak öffentlich gemacht, „https://legacy.gscdn.nl/archives/images/soroskooptbrussel.pdf“. „Dieses Papier listet die Institutionen der EU auf. Es beinhaltet 11 Ausschüsse, 26 Delegationen und 226 Abgeordnete des Europäischen Parlaments, die den Qualitätsstempel „proven or likely Open Society allies” bekommen (erwiesene oder voraussichtliche Verbündete der Open Society). Zusammen mit ihrer Kurzvita und den Kontaktdaten ist diese Auflistung… Mehr

Cenuit
5 Jahre her
Antworten an  andreas59

Da paßt es dann ganz wunderbar wenn der ungarische Präsident Viktor Orban die Befürchtung äußert – eine von Junker organisierte Grenzschutz-Söldner-Truppe wäre eher dazu auserkoren Migranten durch die Hintertür herein zu geleiten – anstatt vor der Grenze abzuweisen.
So geschehen , diese Woche welches zu einem Eklat mit Merkel führte!!

Wenn ich auf die albernen Rückführungsangebote mit der Türkei , Frankreich sowie Spanien seitens der „aufwendigen Verhandlungen unserer klugen Top-Diplomaten“ verweise :
1 kommt raus – 3 dafür rein??( durch Boot-people etc.pp)………
Kann ich seine Bedenken irgendwie teilen….sind dererlei Vermutungen nicht von der Hand zu weisen.

Thomas
5 Jahre her

„Vielfalt“.

kv
5 Jahre her
Antworten an  Thomas

Einfältige Vielfalt