Italien: Migration ist DAS Wahlkampfthema für Premier Meloni und Salvinis Lega

Mit der nahenden Europawahl gehen die Koalitionspartner Meloni und Salvini auf Distanz. Für beide steht die Migrationspolitik im Zentrum, doch die Strategien unterscheiden sich: Meloni will über Brüssel Einfluss auf die gesamteuropäische Politik nehmen, Salvini sucht den nationalen Alleingang.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Roberto Monaldo

Für die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre „verfeindeten“ rechten Koalitionspartner wird es bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni vor allem um das Thema Migration gehen. In Melonis Augen zeigt ihre stärkere politische Beziehung zur EU-Kommission und ihr wachsender Einfluss auf die Migrationspolitik der Europäischen Union Erfolg.

Für die von Matteo Salvini geführte Lega ist die Zahl der irregulär ankommenden Migranten – die laut dem italienischen Innenministerium im Jahr 2023 um 50 Prozent angestiegen ist – ein Beleg für Melonis Versagen.

Die insgesamt 155.750 Migranten kamen mehrheitlich aus Ländern wie der Elfenbeinküste, Guinea und Ägypten – den drei Ländern mit den meisten Ankünften – sowie Burkina Faso, das zwischen 2022 und 2023 drei Putschversuche erlebte. Diese Asylbewerber reisen auf der Route zwischen Tunesien und Italien, die nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration derzeit die beliebteste Route für Menschenhändler aus Afrika ist.

Auf der süditalienischen Insel Lampedusa kamen im September 2023 innerhalb von vier Tagen 11.000 Asylsuchende an, das Vierfache der einheimischen Bevölkerung. Ein solche Zunahme bei den Ankünften ist nicht unbemerkt geblieben, und Äußerungen von Brüsseler Beamten deuten darauf hin, dass Meloni auf EU-Ebene eine Falken-Position zur Migration einnehmen könnte.

Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im September letzten Jahres gemeinsam mit der italienischen Regierungschefin Lampedusa besuchte, sprach sie sich für Grenzkontrollen angesichts der steigenden Zahl der Ankommenden aus: „Wir werden entscheiden, wer in die Europäische Union kommt und unter welchen Umständen. Nicht die Schmuggler“, sagte die Kommissionspräsidentin.

Im Rahmen ihrer Bemühungen, die Migration aus dem globalen Süden einzudämmen, hat sich Meloni für eine Verschärfung der europäischen Beziehungen zu nordafrikanischen Staaten eingesetzt, offenbar in der Hoffnung, dass diese eher bereit sind, bei der Abschiebung illegaler Einwanderer aus Europa zu helfen. Im November unterzeichnete Meloni ein Fünfjahresabkommen mit Albaniens Premierminister Edi Rama. Im Rahmen dieses Abkommens wird Italien jeweils bis zu 3.000 Asylbewerber in das Land schicken, wo ihre Anträge bearbeitet werden sollen. Italien sagt, dass es erfolgreiche Asylbewerber, denen internationaler Schutz gewährt wird, willkommen heißen wird – und ihre Abschiebung aus Albanien organisieren wird, wenn dies nicht der Fall ist.

Die Vereinbarung sieht vor, dass Italien zwei Bearbeitungszentren in dem Balkanland einrichtet und betreibt, um das Abkommen zu erleichtern. Die Kosten für Rom belaufen sich auf 600 Millionen Euro über fünf Jahre. Das Abkommen wurde inzwischen vom albanischen Parlament gebilligt. Das zweite Abkommen, das Meloni am 29. Januar ankündigte, ist der so genannte „Mattei-Plan“. Dieses Programm sieht vor, dass Italien den afrikanischen Ländern 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um das Wachstum des Kontinents, insbesondere im Energiesektor, zu fördern. Die EU würde dann sowohl von einer gestärkten Energieversorgung als auch von einer geringeren Migration profitieren, so zumindest die Argumentation.

Auf diplomatischer Ebene sei das Abkommen ein Versuch, „Italien als wichtigen Gesprächspartner für afrikanische Länder in der EU zu positionieren“, und das zu einer Zeit, in der Frankreich an Einfluss verliere, erklärte Oxford Analytica.

Die Finanzierung sei jedoch nur ein Bruchteil der Hunderte von Milliarden Euro, die zur Erreichung der erklärten Ziele benötigt würden, argumentierte Oxford Analytica, und das Projekt scheine eher auf ein heimisches Publikum als auf afrikanische Bedürfnisse ausgerichtet zu sein.

Meloni besuchte mit von der Leyen im Juli 2023 Tunis, wo die EU-Kommissionspräsidentin ein Abkommen mit Präsident Kaïs Saïed unterzeichnete. Das Abkommen sieht vor, dass die EU 150 Millionen Euro für die tunesische Regierung bereitstellt, die am Rande des Bankrotts steht, sowie 105 Millionen Euro für den Kauf von Booten, Jeeps, Radar und Drohnen zur Bekämpfung von Menschenschmugglern im Lande. Hochrangige Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben inzwischen behauptet, dass diese 150 Millionen Euro direkt in die Hände von Saïed fließen.

Dennoch ermutigen Brüssel und Rom den afrikanischen Staatschef, ein auf Mitarbeiterebene vereinbartes IWF-Rettungspaket in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar im Oktober 2022 abzuschließen. Ein solcher Vorschlag ist in Tunesien nicht gut aufgenommen worden. Nach Angaben der International Crisis Group (ICG) lehnen Saïed und seine Anhänger „die mit dem Darlehen verbundenen Wirtschaftsreformen ab“ und könnten stattdessen einen Zahlungsausfall für Tunesien wählen.

Ein europäischer Diplomat sagte, dass die EU Vergeltung üben würde, wenn Tunesien das Rettungspaket ablehnt, und erklärte, dass Brüssel eine so genannte „Mehr-oder-weniger-Politik“ zur Bewältigung der Krise verfolgt. „Je weniger von der EU geförderte Reformen Tunis durchführt, desto mehr Geld fließt aus Brüssel“, erklärte die ICG die Vorgehensweise Brüssels.

Für die italienischen Bürger – vor allem die Anhänger der rechten Mitte – bieten die Wahlen im Juni eine Entscheidungsmöglichkeit. Auf der einen Seite haben Meloni und ihr Außenminister – der Vorsitzende der Partei Forza Italia, Antonio Tajani – einen Ansatz präsentiert, der Italiens Image als verantwortungsvollen EU-Partner bei der Bewältigung der Migrationsproblematik als Ganzes bestätigen soll.

Der andere, so der Politikwissenschaftler Paolo Pombeni von der Universität Bologna, ist der Ansatz der Lega-Partei von Matteo Salvini. Nach Ansicht dieser Gruppe sollte Italien nicht länger versuchen, sich mit Brüssel zu arrangieren, sondern stattdessen eine EU-skeptische Haltung gegenüber der Massenmigration einnehmen.

Gemeinsam mit der französischen Politikerin Marine Le Pen – mit der der Lega-Chef im September auftrat – ist die Lega der Ansicht, dass Italien sich in dieser Frage, die sie als „organisierte Migrationswelle“ bezeichnet, „distanziert, taub und arrogant“ verhalten sollte.


Dieser Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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Kommentare ( 18 )

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Werner hold
1 Monat her

Ob , Melanie oder Salvini , Italien hängt am Tropf von Goldman -Sachs und die bestimmen wo es lang geht.

November Man
1 Monat her

Frau Meloni weiß ganz genau, wie alle anderen EU-Staaten auch, dass die EU-Migrationspolitik ein Fake ist und schon seit mehr als 10 Jahren absichtlich mehrfach krachend gescheitert ist.
Aber auch Italien befindet sich in der totalen finanziellen Abhängigkeit von EU-Zahlungen. Damit ist Italien, wie viele anderen EU-Staaten auch, durch die EU erpressbar und steuerbar.
Das ist die Politik der EU.  

JPP
1 Monat her

Frau Meloni gehört seit ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin zum EU-Establishment. Selbst die …äh… ehrwürdige Tagesschau hat, sucht man auf ihrer Seite nach Meloni, das ursprüngliche Framing geändert. Wurde sie am 23.07.2022 noch als „Rechtsradikale“ bezeichnet (Artikel „Rechtsextreme in Italien – Wer ist Giorgia Meloni?“ von Jörg Seisselberg), so sind derlei Beiwerk über das Jahr 2023 hinweg völlig verschwunden. Sie ist heute die Ministerpräsidentin, die Regierungschefin oder dergleichen. Ich finde, das beantwortet schon einige Fragen hinsichtlich der Entwicklung der aus meiner Sicht völlig erfolglosen Politik Melonis.

Kraichgau
1 Monat her

Meloni hat sich,wie leider so viele Nato-freundliche „rechte“ Gruppierungen,als U-Boot erwiesen.
Nettes Gesicht,das die Wähler täuschen soll,um im Anschluss beste EU-Politiker zu werden…
Die Lega hat es vorgemacht,wie es geht!

EinBuerger
1 Monat her

So ein unendliches Getue. Wie schaffen es andere Länder ihre Grenzen zu schützen? Wie wäre es mit eigenen Grenztruppen an den Grenzen (ob See- oder Landgrenzen) und es wird einfach jeder abgewiesen, der kein gültiges Visum hat.
Asyl ist etwas aus dem 19. und 20. Jahrhundert und hat heute nichts verloren.
Aber solange man auf die üblichen moralischen Schreier hört, ist sowieso alles verloren.

Farbauti
1 Monat her

Meloni ist pro Brüssel. Warum auch immer. Vernünftige Italiener wählen sie nicht, sind aber genauso chancenlos wie vernünftige Deutsche.

Deutscher
1 Monat her

Die Brüssel-Nummer läuft nicht: Die erzählt man uns schon seit Jahren, um das Problem nicht anpacken zu müssen. Schade, da hätte ich von Meloni doch mehr erwartet. Sieht so aus, als ob konservativ nicht ausreicht. Man muß als Wähler auf rechts setzen.

Last edited 1 Monat her by Deutscher
joly
1 Monat her
Antworten an  Deutscher

Das was wir als rechts haben ist noch viel zu links. Selbst Höcke mit 50% würde rel. erfolglos bleiben. Wir benötigen völkische Radikalität. Keine Steuergelder mehr an UNO, EU oder Milliardären. NGOs sind finanziell auszutrocknen (kein Steuergeld mehr) Die christlichen Kirchen dürfen nicht mehr subventioniert werden. Abgabenerhebung durch den Staat sind zu beenden. Die Beiträge zu internationalen Organisationen sind zu reduzieren auch bis auf Null, wenn Mitgliedsstaaten, die gegen die Verträge verstoßen, Führungspositionen einnehmen. Staaten, die die Migration Richtung EU ermöglichen oder ihre Bürger nicht zurücknehmen sind von sämtlichen Subventionen, Hilfen etc zu trennen. Auch von Nothilfen Welche existierende Partei… Mehr

rainer erich
1 Monat her

Viel Erfolg bei der “ Entwicklung“ der afrikanischen Laender. Die paar Milliarden verschwinden wie die Gelder davor, aber selbst Hunderte von Mrd werden die Probleme der Laender nicht loesen helfen. Das Geld koennen sich die Italiener sparen, aber es ist wohl nur als Inszenierung fuer Zuhause gedacht. Die einzigen nicht sinnlosen Mittel sind die, welche die Machthaber in Afrika “ veranlassen“, die Migranten zu stoppen. Da schlummert natuerlich ein erhebliches Erpressungspotential. Die alternativlose Konsequenz daraus ist ebenso klar wie fuer „Wertewestler“ unangenehm. Erfolgreiche Abwehr oder Eroberung und Unterwerfung sind die Optionen, ganz sicher nicht die Entwicklung der failed states, zumal… Mehr

horrex
1 Monat her
Antworten an  rainer erich

Sehe ich von A-Z ebenso! Mit gewissen Leuten KANN man nicht verhandeln. A) Weil sie keine (westlichen) Spielregeln akzeptieren. B) Weil „der Westen“ innerlich a) letztlich planlos ist, b) schwach und zerstritten, c) mindestens teilweise von sich mit entäusserungs-Phantasien geplagten Idioten regiert wird, d) dem „Westen“ ein machtvolles einigendes Band wie dort der Islam FEHLT.  Sie verstehen unsere (aufgeklärte) Denkweise/eine gewisse „Sprache“ nicht. Bzw. w o l l e n sie nicht verstehen. Ein grundlegendes „Kultur-Problem“ das eine ganze Menge mit der dortigen archaisch-tribalen Religion samt deren uralten Zielen zu tun hat. Wir, ein leider zu nennenswerten Teilen degenerierter Westen,… Mehr

Kraichgau
1 Monat her
Antworten an  rainer erich

das Ganze geht im Übrigen auf die „Mittelmeer-Union“ des damaligen französischen Präsidenten zurück.Sarkozy, der die Wahnidee hatte,die Maghrebstaaten in die EU aufzunehmen

bfwied
1 Monat her
Antworten an  rainer erich

Seit 1960 erhielt Afrika etwa 4 Billionen Dollar an Entwicklungshilfe!!! Den Ländern, denen am stärksten geholfen wurde, mit Geld und Sachleistungen, geht es heute am schlechtesten, und genau diese Länder, 48 an der Zahl, haben die höchste Geburtenrate!!! Etwa 160 Mio. dieser Afrikaner wollen nach Europa auswandern! Ungebildet, mit archaischen Weltbildern u. Verhaltensweisen, völlig anderer Kultur. Und was tun die hier? Wie können die eingesetzt werden, bildungsfern? So sieht die Wirklichkeit aus, aber die ist nach Rotgrün-Ampel verboten – als Hassrede! Der Irrsinn hat mal wieder vor ein paar Jahren schon angefangen und treibt mit solchen Protagonisten mal wieder entsetzliche… Mehr

Epouvantail du Neckar
1 Monat her

„Je weniger von der EU geförderte Reformen Tunis durchführt, desto mehr Geld fließt aus Brüssel“, erklärte die ICG (International Crisis Group) die Vorgehensweise Brüssels.
Schade, dass man dieses Tollhaus nicht wirklich abwählen kann. Man kann leider nur Idioten durch andere Idioten mit gleichem Ziel ersetzen.

Arndt Schuster
1 Monat her

Wir in Deutschland wissen mittlerweile schmerzlich, was eine „europäische Lösung“ bedeutet. Immer mehr Migranten, bei denen es sich keineswegs um „Schutzsuchende“ oder gar „Flüchtlinge“ handelt sondern überwiegend um Wirtschaftsmigranten. Die EU hat bei der Einwanderung komplett versagt. Ein Indiz dafür: Nach Deutschland kommen viele Personen, die bereits in anderen EU-Ländern einen Asylantrag gestellt haben, eigentlich ein Unding. Deswegen: Salvini hat recht. Das Problem lässt sich nur national lösen, vorausgesetzt dort regieren Parteien, die wirklich den Willen haben, das unsägliche Problem in den Griff zu bekommen zum Wohle des Landes!

joly
1 Monat her
Antworten an  Arndt Schuster

Fakten, Fakten Fakten auf den Tisch. Die EU Länder verstoßen alle gegen die geschlossenen Verträge. Kein einziger Vertrag wurde durch die Völker legitimiert. Die EU ist auf Grund ihrer Komplexität nicht mehr steuerbar. Vertragsverstöße nicht mehr sanktionierbar und vdL zeigt die Unverfrorenheit in höchster Perfektion. Hier muss unbedingt gnadenlos durchgegriffen werden.

bfwied
1 Monat her
Antworten an  Arndt Schuster

Die EU ist nicht nur zu komplex, s. „joly“, sondern ein Kunstprodukt, hinter dem nur eine Idee steht, die den großen Playern nützt. Inkompatibles wurde zusammengeklammert, u. a. mit dem Euro, so dass die Länder die Währung der Produktivität nicht mehr anpassen können. Die EU ist ein oligarchischer Verein ohne demokratische Legitimation, die Leute wurden geködert von wegfallendem Währungswechsel und offenen Grenzen, alles andere sehen sie nicht!
Die EU löst nie etwas, sie kann es nicht, daher wird sie genauso auseinanderfallen wie die DDR zerfiel, und das ist gut so. Danach kann man wieder eine EG aufbauen.