Je mehr Macht die Kommissions-Zentralisten an sich reißen, desto weniger bewirkt die EU. Die Träumer von den USE arbeiten, ohne es zu merken, am Ende der EU.
picture alliance / Hans Lucas | Martin Bertrand
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte der Krisen. Genauer, wie sie Krisen für die eigenen Interessen instrumentalisiert. Denn ohne Krisen, die zu der Zeit, in der sie stattfanden, immer als existentielle Bedrohung wahrgenommen worden waren, wären die jeweiligen Verträge, in der sich europäische Staaten erst zur EWG und später zur EU zusammengeschlossen haben, nicht, oder erst später, wahrscheinlich jedoch nicht in dieser weitreichenden Form möglich gewesen. Wer Angst hat, glaubt sich in der Gruppe besser aufgehoben und akzeptiert Machtverschiebungen, denen er ohne Angst nicht zustimmte.
Die Befürworter der europäischen Einigung wussten immer das Momentum, dass die Angst solcher existenziellen Krisen bedeutet, für ihre Sache maximal auszunutzen. Daher wollen die Befürworter der Vereinigten Staaten von Europa die einmalige Gelegenheit, die ihnen der Krieg in der Ukraine bietet, auf keinen Fall versäumen. Die Tausenden toter junger Ukrainer und Russen, die jeder Tag Krieg mehr fordert, sind deshalb aus der zynischen Sicht der EU-Staats-Träumer zu vernachlässigen.
Allerdings läuft den EU-Staats-Protagonisten trotz, oder gerade wegen ihres Pro-Kriegs-Handelns, die Zeit davon. Denn ihr Handeln wirkt in gegensätzliche Richtungen. Um so verbissener die EU-Führer im Inneren der EU Meinungsfreiheit durch Zensur und Denunziationsnetzwerke einschränken, und um so verbissener sie mit ihrer öko-sozialistischen und planwirtschaftlichen Weltrettungsideologie die Wirtschaft knebeln und aus der EU raustreiben, um so mächtiger werden sie in der EU, aber umso unbedeutender wird die EU in der Welt. Wirtschaftlich und politisch.
Deshalb ist ist zu vermuten, sollten die “Vereinigten Staaten von Europa” einmal tatsächlich entstanden sein, wird diese EU nichts weiter nehr sein als der heruntergekommene, verarmte und zu vernachlässigende geografische Endpunkt eines von China dominierten Handelsnetzes.
Christopher Booker und Richard North haben dieses Sichdienstbarmachen von Krisen der EU-Befürworter in “The Great Deception” ausführlich beschrieben.
Hier sind die wichtigsten Verträge und die ihnen vorangehenden Krisen aufgezählt.
Dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-Vertrag) 1951 wurde während der Koreakrise von sechs Staaten unterzeichnet. Dieser Vertrag gilt als erster Schritt zur europäischen Integration. Die parallel von den USA gewollte Europäische Verteidigungsgemeinschaft derselben sechs Staaten („Pleven-Plan“) inklusive neuer deutscher Truppen scheiterte 1954 an Frankreichs Nationalversammlung.
Den Römischen Verträgen von 1957, der sechs Gründungsstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, ging 1956 die Suezkrise voraus. Die Römischen Verträge legten den Grundstein für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) und schufen die Grundlage für einen gemeinsamen Markt.
Dem Fusionsvertrag von1965, der einheitliche Organe für die drei Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom) schuf, ging 1962 die Kubakrise voran. Die Kubakrise, ausgelöst durch den Versuch der Sowjetunion Atomraketen auf Kuba, direkt vor der amerikanischen Küste zu stationieren, gilt bis heute als ein Szenarium, bei dem ein Atomkrieg fast schon als sicher galt.
Die Ölkrisen von 1973 und 1979 hatten nicht direkt neue Verträge zu Folge. Doch die Angst, die entstanden war, als dem Westen seine Energie-Abhängigkeit deutlich vor Augen geführt wurde, begünstigte natürlich, das, was später als “Ever closer Union”, in den Sprachgebrauch eingegangen ist, weiterzuentwickeln.
Aber der Erste Golfkrieg (1980–1988) zwischen dem Irak und dem Iran half, die Einheitliche Europäische Akte (EEA) verabschiedet zu bekommen. Sie wurde 1986 mit dem Ziel unterzeichnet, den gemeinsamen Binnenmarkt zu vollenden.
Der 2. Golfkrieg von 1991 half endlich, den Vertrag von Maastricht unter Dach und Fach zu bekommen. Er wurde 1992 unterzeichnet und trat 1993 in Kraft und ist die Grundlage der Europäische Union in ihrer heutigen Form. In ihm wurden Schuldenregeln vereinbart, an die sich heute längst niemand mehr gebunden fühlt.
Die Asienkrise 1997/98 half, den Vertrag von Amsterdam 1997 zu verabschieden. In ihm wurden Reformen der EU vereinbart, außerdem sollte die Zusammenarbeit in Bereichen wie Justiz und Inneres verbessert werden.
Dem Vertrag von Nizza 2001, laut EU-Selbstverständnis ein weiterer Meilenstein zur “Ever closer Union”, der die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten im Jahr 2004 vorbereiten sollte, waren die Russlandkrise 1998/99, sowie die Tequila-Krise in Mexiko 1994/95, Bosnienkrieg und Völkermord in Ruanda 1994 vorangegangen.
2001 war der terroristische Angriff auf das World-Trade-Center 2001 in New York. Kaum ein Ereignis hat die Welt so fundamental verändert wie dieser Anschlag. 2007 wurde dann, selbstverständlich unter dem nachwirkenden Eindruck dieses Ereignisses, der Vertrag von Lissabon 2007 unterzeichnet. Dieser Vertrag trat 2009 in Kraft und bildet die Grundlage der heutigen EU.
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Krieg in der Ukraine, nach der von der EU massgeblich befeuerte Coronakrise, den jetzigen Verantwortlichen der EU wie ein Gottesgeschenk vorkommen muss. Endlich glauben sie, ihrem Ziel der Vereinigten Staaten von Europa noch etwas näher kommen zu können.
Das Mittel der Wahl sind, wie in den USA des 18.Jahrhunderts, gemeinsame Schulden. Alexander Hamilton gilt in der EU jetzt als das große Vorbild. Er riet damals Finanziers, in ihn zu investieren. Würden sie seine Wahl finanziell unterstützen, versprach Hamilton die volle Erstattung wertlos gewordener Schuldscheine aus dem Unabhängigkeitskrieg gegen England, die seine Unterstützer vorher zu Bruchteilen des einstigen Wertes aufgekauft hatten.
Nach dem er dann von 1789 bis 1795 Finanzminister in der Regierung von George Washington war, konnte er sein Versprechen einhalten und die Schuldscheine zu vollem Wert erstatten. So entstanden große Vermögen, bezahlt durch höhere Steuern von denen, die vorher schon durch die Entwertung der Schuldscheine um ihr Geld betrogen worden waren. Bei Wikipedia klingt das, politisch sehr korrekt, so: »Die Verschuldung plante er zu „finanzieren“ und zu „etablieren“, also alle Schulden und Zinsen zu zahlen, um Vertrauen in der Regierung zu erzeugen und die Schulden zu Geldmittel für die Bevölkerung umzuwandeln«.
Der Präsident des amerikanischen Ludwig von Mises Institute, Thomas DiLorenzo hat das in seinem Buch “Hamilton’s Curse: How Jefferson’s Arch Enemy Betrayed the American Revolution–and What It Means for Americans Today” beschrieben.
Aber mit gemeinsamen Schulden waren die USA noch nicht entstanden. Es gab noch den Bürgerkrieg, der nichts anderes als ein Unterwerfungskrieg gegen Staaten war, in denen eine kleine europäisch-stämmige Minderheit die Mehrheit als faktische, so bei den mittellosen weißen Schichten wie im Falle der schwarzen Minderheit als tatsächliche Sklaven unterdrückte und missbrauchte.
Der Bürgerkrieg zwischen den Südstaaten und den Nordstaaten brach aus, als die Sezessionisten, das in der United States Constitution ausdrücklich festgelegte Recht auf Austritt aus dem Staatenbund wahrnehmen wollten. Sie wurden militärisch daran gehindert und vernichtend geschlagen. Sie wurden mit Gewalt zum Verbleib im Staatenbund gezwungen. Nicht von ungefähr heißt der Bürgerkrieg im Süden noch heute „Krieg zwischen den Staaten“. Ironischerweise waren es nicht ganz fünfzig Jahre vorher die Nordstaaten aus New England, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Vereinigten Staaten von Amerika verlassen wollten.
Der amerikanische Bürgerkrieg, dessen Hauptziel die Entmachtung der Länder und die Stärkung der zentralistischen Regierung war, wurde dann zu einem der blutigsten Kriege der neueren Geschichte. Thomas DiLorenzo hat auch das in seiner Lincoln-Biografie von 2002 beschrieben: “Bedenkt man die enormen Kosten des Krieges – 620.000 tote Soldaten, tausende von zivilen Opfern in den Südstaaten, hunderttausende von lebenslang verkrüppelten Männern, die fast totale Zerstörung von etwa 40 Prozent der nationalen Wirtschaft und dazu die direkten Kosten des Krieges selbst – hätten sich die meisten Amerikaner wahrscheinlich für eine andere Lösung der Sezession entschieden. Es hätte sie nur einen winzigen, fast trivialen, Bruchteil der Kosten dieses totalen Krieges gekostet. Aber Lincoln hatte den Amerikanern nie eine Wahl gelassen”.
“Um das ungeheure Ausmaß dieses Krieges zu verstehen, lohnt es sich die toten Soldaten in Relation zur damaligen Bevölkerung zu stellen”.
“620.000 tote Soldaten bei einer Bevölkerung von 30 Millionen entsprächen heute 5 Millionen toten Soldaten bei einer Bevölkerung von 300 Millionen. Das wären also fast hundertmal soviel, wie die 58.000 amerikanischen Soldaten, die im zehnjährigen Vietnam-Krieg getötet wurden. Dabei sind aber die Tausende von Zivilisten nicht mitgezählt, die in den Südstaaten getötet wurden, als die Bundesarmeen Städte und Ortschaften von Vicksburg, Mississippi, bis Charleston, South Carolina, und Atlanta, Georgia, bombardierten. Jeder vierte weiße Südstaatler im Alter zwischen 20 und 40 Jahren kam während des Krieges ums Leben. Bei einer Bevölkerung von 10 Millionen, waren das etwa 3 Prozent der Bevölkerung. Drei Prozent der heutigen Bevölkerung der USA entsprächen ungefähr erschreckenden 8,4 Millionen Todesopfern”.
Es wäre zu hoffen, dass EU-Größen, allen voran die demokratisch zweifelhaft legitimierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und andere Politiker der EU – die sich in ihrer Kriegsrhetorik gegenseitig zu übertreffen suchen – gelegentlich auch diesen möglichen Aspekt ihres Traums von den Vereinigten Staaten von Europa bedächten. Was diese Träumer vom Zentralstaat Vereinigte Staaten von Europa und Gegner jeder demokratischen und freiheitlichen Dezentralität nicht tun werden.


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