Darf man Jordan Peterson noch lesen?

Literatur wird immer mehr zur Zumutung. Verlage und ihre Mitarbeiter geben sich der freien Meinungen ihrer Autoren entwöhnt. Früher wartete die Zensur die Veröffentlichung eines Buches ab, heute versucht man, Bücher zu verhindern, weil sie vom falschen Autor stammen. Der Fall Jordan Peterson.

picture alliance/dpa | Mikko Stig

Wie nennt man es, wenn ein Verlag sich von einem langjährigen Autor trennt? Die Augsburger Allgemeine hat dafür den Begriff der »politischen Entfremdung« gefunden. Daneben formulierte sie in der Titelzeile bündig: »Sarrazin + Tellkamp = Monika Maron?« So kann man sich eines Themas auch entledigen und sich einen schlichten Reim auf drei Namen machen. Geeint seien sie durch ihren Rechtspopulismus und die »typischen Standpunkte« von Islam- und Genderismuskritikern. Beim Verlag S. Fischer, der Monika Maron nach 40 Jahren vor die Tür setzte, rechtfertigte man sich da noch: Es gehe nicht um die Positionen der Autorin, sondern um ihre Partner.

Auch die Süddeutsche Zeitung ging nach außen hin von einer Art Kontaktschuld aus. Wäre Maron ihren Weg ganz allein gegangen, wäre also alles in Ordnung gewesen? Aber auch für die SZ war Maron »zu Recht umstritten«. Später mahnte ein weiterer Autor des Blattes gar eine »Erklärung« an, in der sich der Verlag Hoffmann und Campe zu seiner neugewonnenen Autorin bekennen und wohl erläutern sollte, was er an ihr findet. Dagegen legt die schwäbische Tageszeitung die tieferen Gründe für die Ausweisung aus dem S. Fischer-Allerheiligsten sehr freimütig offen: Es waren eben doch Marons Positionen gewesen, die störten.

Der Autor als Zumutung

In der anglo-amerikanischen Welt laufen die Dinge derzeit noch etwas anders. Von einer Konfrontation um den kanadischen Psychologen Jordan Peterson berichtet nun das Vice-Magazin. Wer lag sich da in den Haaren? Um es kurz zu machen: Jordan Petersons Verlag Penguin Random House Canada und dessen Angestellte. Der kanadische Verlag, der Teil eines deutschen Mutterkonzerns ist, hatte ein Townhall-Meeting veranstaltet, vermutlich um die Mitarbeiterbindung zu verbessern. Doch es kam anders heraus. Tränen flossen und wilde Anklagen füllten den Raum. Anklagen gegen den Autor Jordan Peterson, weniger gegen sein neues Buch (Beyond Order: 12 More Rules for Life). Denn das kannten wohl die wenigsten der Diskutanten.
Es spielte auch keine Rolle, denn das öffentliche Bild Petersons ist inzwischen weitgehend fixiert. Daran konnte auch Petersons jüngste Behandlung gegen eine Benzodiazepen-Abhängigkeit und sein gerade überwundenes Koma nichts ändern.

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Seit einigen Medienauftritten ist der Psychologie-Professor aus Toronto als Linkenschreck verschrien und muss folglich – als moderner Nazi-Ersatz – mit aller Macht ausgeblendet werden. Hierbei reicht es vollkommen aus, dass man lesen kann, dass Alt-right-Bewegte ihn gut finden. Mehr Faktenwissen über Petersons Positionen und darüber, wie er zu ihnen kommt, würde nur stören. Könnte man ihn auch ausschalten? Vermutlich nicht. Der populäre Autor fände sein Publikum.

Peterson rückt damit in die Reihe mehr oder weniger bekannter Autoren ein, deren Werke von Verlagsmitarbeitern als nicht zumutbar angesehen werden. Im Juni weigerten sich Mitarbeiter des Verlagshauses Hachette, an J. K. Rowlings neuem Kinderbuch The Ickabog zu arbeiten – und das allein, weil ihnen Rowlings differenzierte Ansichten zur Transsexualität nicht gefielen. Schon zuvor hatten die Hachette-Mitarbeiter gegen die Veröffentlichung von Woody Allens Memoiren Apropos of Nothing rebelliert – wegen einer jahrzehntealten, unbewiesenen Anschuldigung. Im Sommer waren dann reihenweise Köpfe in US-Redaktionen gerollt, häufig weil die Mitarbeiter Front gegen einen Verantwortlichen und seine in ihren Augen unerfreuliche Entscheidungen machten. Darunter war der Meinungschef der New York Times, der die Unverfrorenheit besessen hatte, die Meinung eines republikanischen Senators abzudrucken. Laut CNN führte Tom Cottons Artikel damals zu »aussagekräftigen Konversationen über systemische Rassenvorurteile und Diversität im Newsroom« des Blattes. Meinungschef James Bennet musste gehen.

Die Angst der Mitarbeiter vor dem Bestseller

Nun war es also eine Townhall-Diskussion von Penguin Random House Canada, in der sich zahlreiche Mitarbeiter zum Teil unter Tränen von Jordan Peterson distanzierten. Auch in diesem Fall reicht der Name des Autors aus, um bei einer bestimmten Klientel Abscheu und Erregung hervorzurufen. Er gilt als transphob, allein weil er die Verwendung der von seiner Universitätsleitung vorgeschriebenen, künstlichen Personalpronomina verweigerte. Außerdem ist er angeblich ein Vertreter der weißen Privilegiertheit, weil er deren Existenz verneint.

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Früher nannte man es Zersetzung
Wo schon der, der schweigt, schuldig ist, welches Verdikt muss jene treffen, die eine solche für viele unfassbare Ansicht äußern? Und so stolpert die Anti-Peterson-Bewegung von einem Stein des Anstoßes zum nächsten Missverständnis. Ein Mitarbeiter beklagte sich, dass sein Vater durch Peterson »radikalisiert« worden sei, ein anderer sprach von einem nicht-binären Freund (also dem eigenen Gefühl nach weder Mann noch Frau, oder auch beides), der sich durch das Erscheinen des neuen Buchs »negativ beeinflusst« sieht. Wie kann es aber sein, dass ein nicht erschienenes Buch solche Wellen schlägt? In früheren Zeiten warteten Zensur und Inquisition auf das Erscheinen, um es dann durch die Indizierung noch interessanter zu machen. Die modernen Zensoren haben mehr vor, sie wollen Autoren ganz zum Schweigen bringen, nicht wegen ihrer Worte, sondern wegen der Werte, die dahinter stehen.

Jordan Peterson wurde international bekannt durch sein Buch 12 Rules for Life. Daneben war er mit Online-Videos präsent und hielt Vorträge vor tausenden Zuhörern in aller Welt. Douglas Murray hat richtigerweise daran erinnert, dass Bücher wie die von Peterson eigentlich Segnungen und Rettungsringe für Verlagshäuser sind. Denn nur ihr millionenfacher Verkauf ernährt Mitarbeiter und Autoren. Umso widersinniger ist es also, wenn die Mitarbeiter des deutsch-kanadischen Verlags sich vor dem Erfolg ihres Autoren fürchten und bittere Tränen über seine privaten Ansichten vergießen.

Tränen, Klagen, eingebildete Leiden

Überhaupt, diese Tränen, diese ständigen Wehklagen über eingebildete Leiden, diese Selbstviktimisierung der tatsächlich oder informell Herrschenden, all das ist in der Anglosphäre schon fast zu einer neuen Normalität geworden. Und es beweist schon großes Zartgefühl, wenn der von dieser Townhall-Meute indirekt verfolgte Peterson zur Schonung seiner Verfolger mahnt.

Davor hatte allerdings auch Petersons Tochter Mikhaila dazu aufgerufen, die »weinenden Erwachsenen« zu identifizieren und sie zu feuern, was langfristig auch dem Verlagsgewinn zugute käme. Die konservative Kommentatorin Candace Owens (ihrerseits schwarzer Hautfarbe) forderte dasselbe. In der Konfrontation zwischen Verlagsleitung und Mitarbeitern sieht Owens eine Abkürzung zur Arbeitslosigkeit.

Tellkamp und Bernig für Maron
„Verwahrlosung in der Berichterstattung“
Petersons Verlag hat bis jetzt vor allem ausgleichend reagiert. Ein Statement liest sich so: »Gestern haben wir bekanntgegeben, dass wir Jordan Petersons neues Buch Beyond Order im kommenden März veröffentlichen werden. Unmittelbar nach dieser Ankündigung haben wir ein Diskussionsforum veranstaltet und so unseren Angestellten einen Ort gegeben, an dem sie ihre Ansichten äußern und auf unsere Entscheidung reagieren konnten.« Sogar den »anonymen Feedback-Channel« der Mitarbeiter unterstütze man. Aber man bekenne sich zugleich dazu, »eine Vielfalt von Stimmen und Standpunkten« veröffentlichen zu wollen. Genau das sehen aber die betreffenden Mitarbeiter als Problem. Im Sommer habe sich der Verlag ausgiebig mit »Black Lives Matter« verbündet und allerhand »Anti-Rassistisches« veranstaltet. Die Veröffentlichung von Petersons Buch laufe dem zuwider und zeige, dass die vorangegangenen Bemühungen nur Lippenbekenntnisse waren. PR-Pirouetten, öffentlichkeitswirksame Posen als Eigenwerbung. Tatsächlich kann man diesen Eindruck gewinnen.

2018 sollte Thilo Sarrazins Buch Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht nicht mehr in der Deutschen Verlagsanstalt erscheinen. Auch hinter der DVA steckt der Mutterkonzern Penguin Random House. Der hat seinen Hauptsitz zwar in New York, gehört aber zur Gänze dem deutschen Medienkonzern Bertelsmann. Der Superkonzern ist aus einer Fusion mit dem britischen Penguin Books hervorgegangen und verlegt heute ein Viertel der weltweiten Buchproduktion. Aber in der Tat: Es gab noch genügend andere Verlage, die Sarrazins Bücher noch gerne verlegen wollten und dies auch heute noch tun.

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Kommentare ( 38 )

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Sagen was ist
4 Jahre her

Aufklärung tut not!

Waren das noch Zeiten ….

Casa Done
4 Jahre her

Jordan Peterson ist ein äußerst nachdenklicher, kluger, gebildeter, feinfühliger, wortgewandter, lebens- und leidenserfahrener und rücksichtsvoller Mensch. Von seinen Gegnern wird man dies – zumindest in der Summe dieser vielen Eigenschaften – nicht sagen können.

Karl Schmidt
4 Jahre her

(1.) „Kontaktschuld“ für Personen, die sich nicht an Kontaktverbote linker Hetzer halten, ist ein reichlich unglückliches Wort, weil es tatsächlich ein vorwerfbares Verhalten impliziert. Niemand muss sich dafür rechtfertigen, wenn mit anderen zusammentrifft oder diskutiert. Daher sollte man es auch sprachlich nicht in die Nähe von Schuld rücken – selbst, wenn man es ironisch meint, denn diese Leute begreifen das nicht. (2.) Tatsächlich handelt es sich um eine Form der Grundrechtsleugnung, weil dahinter ja immer die Behauptung steht: „Ihr könnt mit jedem reden und alles vertreten – aber es hat (speziell für euch) Konsequenzen.“ So sieht keine liberale Gesellschaft aus;… Mehr

Aljoschu
4 Jahre her

In Berlin und an einigen anderen Orten ist das längst Wirklichkeit.

Andreas Jensen
4 Jahre her

„Schon zuvor hatten die Hachette-Mitarbeiter gegen die Veröffentlichung von Woody Allens Memoiren Apropos of Nothing rebelliert – wegen einer jahrzehntealten, unbewiesenen Anschuldigung.“
Wie auch, es dürfte für Missbrauchsopfer schwer bis unmöglich sein, irgendwas aus ihrer Kindheit zu beweisen. Weder den Kinski-Töchtern, noch Thorsten Legat ist das gelungen. 

Aljoschu
4 Jahre her
Antworten an  Andreas Jensen

In dubio pro reo! – Der Grundsatz gilt trotzdem. Auch wenn’s wehtut.

fatherted
4 Jahre her

Logisch….passt ins Bild. Unliebsame Menschen bekommen keine Veranstaltungsräume, kein Podium für Vorträge, keine Verlage, werden in den sozialen Medien zensiert und wenn möglich die Äußerungen unter Strafe gestellt. Tja….ist irgendwie wie in China….und den Vorschlag mit den Arbeitslagern oder gleich die unliebsamen Leute zu erschießen, gab es ja auch schon von einer Partei die im Bundestag sitzt und einen Ministerpräsidenten stellt.

bfwied
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Machen wir uns nichts vor, es ist die dt. Mentalität, alles auf die Spitze zu treiben. Man ist stolz auf Erfindungen, die allerdings längst von anderen ausgenutzt werden, man ist stolz auf die Tüftler, man ist stolz auf die Literatur, allerdings nur auf die längst gestorbenen, die jedoch nun auch von den Bildungslosen verunglimpft werden. Auf der anderen Seite bringt diese Mentalität auch Böses hervor, und wie man sieht, heuer auch das Negative des Selbsthasses und der erneuten Denunziation …!

Dieter
4 Jahre her

manchmal stelle ich mir die Frage, ob ein ablehnen eines Buches (was glücklicherweise immer noch zu einer Veröffendlichung bei einem anderen Verlag führt) oder die stillschweigend-unterschwellige Zensur durch das VERÄNDERN bereits verlegter Bücher (gerne in der digital Fassung, da geht es mit einem einfachen update im Hintergrund) der schlimmere Auswuchs unserer woken Gesellschaft ist.
Ich bin jedenfalls froh, noch im Besitz echter, analoger und damit zumindest im originalprint unveränderter Bücher zu sein.
Veränderungen können nach vorne bringen, aber auch in Sackgassen führen..

Landdrost
4 Jahre her

Was hat John Cleese nochmal getwittert?
„Wenn man seine eigenen Emotionen nicht kontrollieren kann, muss man das Verhalten anderer Menschen kontrollieren. Deshalb dürfen die anhänglichsten, überempfindlichsten und leicht zuverärgersten Menschen nicht unseren Standard setzen.“
Passt doch hier auch wie die Faust aufs Auge.

Hieronymus Bosch
4 Jahre her

Mir kommen wirklich die Tränen! Die Weinerlichkeit dieser „Gutmenschen“ und ihre bigotten Moralvorstellung rühren mich im Innersten. Wie gut, dass ich mit dieser Kaste nichts zu tun habe!

Aljoschu
4 Jahre her
Antworten an  Hieronymus Bosch

Lieber Hieronymus,
Sie haben bereits mit ihr zu tun.

the NSA
4 Jahre her

Ich habe JP oft selbst erlebt: eloquent, thoughtful, compassionate, radikal and completely FOCUSED in seinem Denken. Wenn ich eine eigene Universitaet haette, wuerde ich ihn sofort auf einen Lehrstuhl fuer Critical Clinical Psychology & Social Psychology berufen lassen. Fast ein ruhender Fels in tosender Brandung. Fast. Denn kaum jmd wurde weltweit vom linken Schlecht-Menschen Mob mehr angefeindet als JP. Wie sehr er ruhig und rational „Argumente“ linker Feminist-enden-innen“ mikroscopisch zerlegt, sieht man im folgenden langen Interview JP-Helen Lewis im 2018. Punkt fuer Punkt, trommelt die Tante ihre Behauptungen runter, und JP pulverisiert jede einzelne. Bitte schauen. Und: Bis data fast 140… Mehr