Mit Angela Merkel in der Sackgasse

Die CDU wird geführt von einer Frau, die längst sozialdemokratische und grüne Werte verkörperte, aber als gewählte Kanzlerin der Union für keinen folgerichtigen Parteiwechsel zur Verfügung steht.

© Luis Acosta/AFP/Getty Images

Angela Merkel hätte sie ja anstreben und vernünftig vorbereiten können: eine Koalition, der die Bürger zugetraut hätten, ein paar der wichtigsten Probleme wenigstens zu benennen. Also Lösungsansätze zu präsentieren, die hätten nachweisen können, dass man zumindest theoretisch weiß, was zu tun wäre und jedenfalls bereit ist, es irgendwie anzugehen.

Nein, hier ist nicht das gescheiterte Jamaika gemeint, sondern dieses schwarz-blau-gelbe No-Go, eine Bahamas-Koalition aus Union, FDP und einer Petry/Lucke-AfD. Letztere hätte dann zwar auf Bundesebene aus Akzeptanzgründen ohne Einfluss der Gauland-Höcke-Meuthen-Abteilung auskommen müssen, möglicherweise zwei oder drei Prozentpunkte abgegeben, aber eine veritable Mehrheit wäre wohl zustande gekommen, die dringendsten Probleme wenigstens mit einigermaßen Anstand zu verwalten. Die große Chance für die SPD hätte darin bestanden, sich demgegenüber als Fundamentalopposition im Deutschen Bundestag aufzustellen, um sich so im mittleren Zwanzigprozentbereich zu sanieren. Für neue Aufgaben. Irgendwann viel später.

Nun rächt sich bitter, dass sich das politische Establishment und die Merkel-sedierten so genannten Leitmedien von der ersten Sekunde an einig darin waren, die AfD als Teufel an die Wand zu malen, als die Partei noch von Bernd Lucke bzw. später von Frauke Petry dominiert wurde – aus heutiger Sicht geradezu eine AfD-light bzw. so etwas wie eine AFDP. Dieses reflexartige „Nazi, Nazi!“-Geschrei von der ersten Stunde an in Kombination mit dem unbedingten Willen, keine weitere Partei in den imaginär entleerten rechten Reihen des Bundestages zu dulden, hatte den rechten Flügel der Rechtspartei erst stark gemacht. Aus Trotz und einer reflexartigen Gegenwehr. Die Leitmedien torpedierten diese neue Partei ebenfalls. Hier war das Risiko zu hoch, neue konservative Medienleute auf den Plan zu bringen, die ihnen die angestammte Meinungshoheit mindestens streitig machen könnten. Das Interesse einer radikalisierten AfD war also multipel. Aber was für ein fataler Rechenfehler von den politischen Entscheidern ebenso, wie von den Medien! Die Arroganz der Macht wirkte vielfältig.

Wir erinnern uns an Artikel über Bernd Lucke aus 2014 beispielweise in der Welt, als man ihn als schmächtiges Kerlchen mit ungelenken Auftritten unter der Schlagzeile „Als Professor macht Bernd Lucke nicht viel her“ vorstellte, also nicht nur die Physiognomie Luckes diffamierte, sondern auch seine berufliche Reputation. Da kamen anonym angebliche ehemalige Kollegen zu Wort, die berichten durften: „Lucke ist als Forscher zwar nicht völlig klinisch tot, aber eine kleine Nummer.“ Warum anonym? Na klar: der Kollege wolle „seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen (…), um sich vor Gegenangriffen aus dem Lager der AfD zu schützen.“ So etwas und noch viel mehr wurde oft jenseits der Schamgrenze quer durch die Leitmedien abgedruckt.

Und die Big-4-Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen nahmen das dankbar auf und waren ganz vorne mit dabei. Hier übrigens vorne weg eine bestimmte Maischberger-Sendung, der in der Rezeption der Radikalisierung der AfD eine Schlüsselrolle zukommt: „Augstein und Stegner sind wie entfesselt. Alle toben und geifern. Es ist beschämend. Das Schlimmste: Sie merken es nicht einmal. Man muß Petry nicht mögen, vielleicht sollte man das auch nicht. Die Augsteins und Stegners mit ihrer Unanständigkeit besorgen es. Unfreiwillig.“ Da nutze es auch wenig, wenn sich Medienleute wie Giovanni di Lorenzo später halbherzig für diese mediale Totalversagen entschuldigten oder Politiker vereinzelt dazu übergingen, den Versuch zu unternehmen, auch einmal den Dialog mit der AfD zu suchen. Also einmal nicht der bewährten Rezept aus Distanzierung, Diskreditierung und Diffamierung zu folgen. Zu spät, denn der Radikalisierungsprozess innerhalb der AfD hatte schon begonnen. Wunschgemäß?

Mit diesen bewährten Verdrängungsmechanismen, herüber gerettet aus einer Zeit, als man im Bundestag noch zu dritt alleine war und die Bundespressekonferenzen auch hätte in einem Bonner Lokal abhalten können, traf man nun völlig unvorbereitet auf eine unkontrollierte Massenzuwanderung, die den Erregungszustand der Kritiker noch zementierte. Das sperrangelweit offene Tor hin zu einer Domestizierung der AfD samt Einhegung des rechten Flügels war zugenagelt. Der Schock saß entsprechend tief, als die AfD ein Masterthema gefunden hatte, demgegenüber die anderen wie gelähmt erschienen. Gelähmt gegenüber dem Willen eines ganzen Volkes?

Das größte Hindernis allerdings bestand von Anfang an in der Kanzlerin selbst: Die CDU wurde geführt von einer Frau, die längst sozialdemokratische und grüne Werte verkörperte, aber als gewählte Kanzlerin der Union für keinen folgerichtigen Parteiwechsel zur Verfügung stand. Nein, als Kanzlerin kann man keine umgedrehte Elke Twesten geben – die Landtagsabgeordnete der Grüne war zur CDU übergewechselt und hatte so kurzfristig die dünnen niedersächsischen Machtverhältnisse gekippt.

So bekamen die Bürger Anfang 2018 einen Hinterzimmerkummerkasten-Mitgliederentscheid der SPD als demokratische Großtat vorgesetzt. Nicht umsonst hatten sich alle Beteiligten endlos geziert, überhaupt eine Große Koalition zustande kommen zu lassen. Hier sollte die monatelange Rangelei wohl vor allem eines zum Ausdruck bringen: Ein mit sich Ringen, ein alle Möglichkeiten ausloten wollen. Kurz: Eine Scheindebatte, die einfach so lange anzudauern hatte, bis die Bevölkerung sich zu sorgen begann, was denn nun überhaupt aus diesem Deutschland in Zeiten der unkontrollierten Massenzuwanderung werden soll. Ziel der Zögerlichkeiten: Die Leute sollen sich nun freuen, dass überhaupt irgendwie noch irgendwas zustande kam.

Ein kalkulierter Nebeneffekt: Wenn erwartbar Lösungen der dringendsten Probleme ausbleiben, was angesichts eines problemlösungsfernen Koalitionspapiers mehr als wahrscheinlich ist, können alle Beteiligten anschließend sagen: Wir haben es von Anfang an nicht gewollt, aber wir fühlten uns in die Pflicht genommen. Also ein veritabler Notausgang für Feiglinge.

Angela Merkel wird dann wahrscheinlich irgendwo gut abgeschirmt und doppelt gesichert ihren Lebensabend verbringen, gelegentlich in einer anderen Welt hinter verschlossenen Türen irgendwelcher Think Tanks hoch dotierte Vorträge halten und nach Jahren auch mal wieder vor die Kameras treten, so, als wäre nichts gewesen.

So wie es Gerhard Schröder und zuletzt Joschka Fischer gehandhabt haben, die sich rechtzeitig komfortable Fluchtburgen im Ausland bauten, sollte sich wider Erwarten doch noch eine kritische Masse an Bürgern finden, sie couragiert aus dem Land zu scheuchen. Ja, es widerholt sich auf der politischen Bühnen immer wieder: Fast tollkühn bleiben die Verantwortlichen hoffnungsvoll, dass schon niemand merkt, was angerichtet wurde. Zum einen baut man dabei auf das Vergessen in einer schnelllebigen Zeit, die schon dafür Sorge trägt, dass die Katastrophen, die man selbst  anrichtet, wie Naturkatastrophen ausschauen. Und zum anderen setzt man auf die eingangs schon erwähnten bewährten Eskalationsstufen gegenüber den Aufmerksamen: Distanzierung, Diskreditierung, Diffamierung.

Angela Merkel indes kann diese Hoffnung nicht wirklich haben. Hier kommen mehrere Gründe zusammen: Zum einen fehlt ihr die Perspektive, die letzte Amtszeit ist abgemacht, Verjüngungskuren sollen das im Kabinett notdürftig kaschieren. Zum anderen, was weitaus schlimmer ist, denn innerparteilich greifen immer noch mehrheitlich die alten Seilschaften und Ergebenheitsmechanismen, nein, was schlimmer ist: Die treuen Leitmedien versagen Angela Merkel zunehmend dort die Gefolgschaft, wo sie für sich selbst die ultimative Überlebensfrage gestellt hat: in der irreführend Flüchtlingspolitik genannten illegalen Masseneinwanderung.

Und die Medien machen das nicht einmal aus Überzeugung, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Die Leser brechen weg. Und noch hat man kein System gefunden, das eine dauerhafte staatliche Subventionierung als Lohn für Gefolgschaft sichert wie bei den journalistischen Kollegen in den Öffentlich-Rechtlichen (ÖR). Klar, wenn es das gäbe, wären sinkende Auflagen – analog zu den Quoten beim ÖR – irrelevant. Gibt’s aber nicht.

Angela Merkel wird das alles analysiert haben. Auch deshalb ist sie frühzeitig noch einen Schritt weiter gegangen, als sie ihre linksradikalen Schutztruppen schon heute gegen den Mob von morgen in Stellung gebracht hat. Ideologische Gefolgschaft wird hochsubventioniert. Das Familienministerium beispielsweise bettelt geradezu darum, sich um die dicken Töpfe zu bewerben, Initiativen und Vereine zu gründen, welche die Geisteshaltung Merkels lebendig halten sollen. Nutzen werden ihr diese gebündelten Maßnahmen indes trotzdem nichts. Auch die Geduld der Deutschen ist zwar größer als die der anderen europäischen Völker, aber sie ist doch endlich. Also nur eine Frage der Zeit. Aber je länger es dauert, desto geringer die Chance auf eine Lösung der dringendsten Probleme. Und wenn alles den Bach runter geht, wird auch kein Pardon mehr gewährt. Nicht in den Geschichtsbüchern und noch weniger in der realen Welt.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 169 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

169 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Martin Stumpp
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Wallasch, vielen Dank, besser kann man es nicht ausdrücken. Den leider nicht ganz erfolglosen Versuch der etablierten Parteien, allen voran die CDU/CSU die AfD zu einer möglichst rechtsextremen Partei umzuformen, habe ich schon vor 3 Jahren beklagt. Bis lang ist dies m.E. aber noch nicht vollumfänglich gelungen, wovon eine Frau Seidel, ein Prof. Meuthen oder ein Herr Reil erstere in Führungspositionen zeugen. Dessen ungeachtet fährt der Zug nach wie vor erkennbar in die falsche Richtung, befördert durch eine in meinen Augen beispiellose Diffamierungskampagne. Da die AfD aber derzeit die einzige Partei ist, die in Opposition zur Masseneinwanderung… Mehr

Uta Buhr
6 Jahre her

Etwas vernünftig vorbereiten? Aber dazu ist diese Frau doch gar nicht in der Lage. Sie fährt stur ihren für uns suizidalen Kurs. Wenn dann, wie erwartet, alles schief läuft, sagt sie: „Mir doch egal. Die Hauptsache – ich bleibe Kanzlerin.“ Madame Pompadour hat dies sehr viel eleganter mit ihrem am Spieltisch hingeworfenen „Après nous, le déluge“ formuliert.

Viktor Wallenstein
6 Jahre her

Ernsthaft, wir werden von einem Parteienkartell tyrannisiert dass sich für hunderte Millionen Euro Steuergelder faschistoide Schlägerbanden in SA-Manier hält um sich unliebsame Meinungen und politische Konkurrenten vom Hals zu halten, aber die AfD soll zu radikal sein ??? Dieses Syndikat von CSU bis LINKE erinnert jeden objektiven Betrachter eher an einer Mafia, nur das jede Mafia neidisch auf deren Strukturen und Filz ist, vielmehr aber noch auf deren Beute. Und hier soll nun ausgerechnet die AfD das Übel dieses Landes repräsentieren??? Dieses Altparteienkartell verkörpert eine negative Palatte an Eigenschaften, so viel Stuss kann ein Poggenburg oder Höcke garnicht verzapften, um… Mehr

F. Hoffmann
6 Jahre her

Das Merkel-Paradoxon:
Sie „fährt auf Sicht“, aber „denkt alles vom Ende her“.
Gerne gehört in Talkshows usw.
Fällt denn niemand auf, wie widersprüchlich das ist?

Feinbein
6 Jahre her

Schlimm ist nach meiner Meinung, daß wieder nur von „Menschen“ geredet wird.Alle „Menschen“ in Deutschland sollen profitieren und ihnen soll es besser gehen.Also wohl hauptsächlich Migranten und EU-Ausländer, die in der überwiegenden Anzahl auch in Hartz 4 sind oder Geringverdiener sind.Nach Seehofer sollen solche jetzt unterstützt werden.D.h., es geht weiter mit massenhaftem Geld für Nicht-Deutsche, für Europa.usw. Laut Amtseid sollten diese Politiker allerdings allerdings zum Wohl der deitschen Bevölkerung arbeiten und nicht für „Menschen“!

Askandi
6 Jahre her
Antworten an  Feinbein

Rentner wählen das nicht, die werden einfach verarscht, weil sie immer noch glauben, sie wählen die Adenauer-CDU. Und wenn sie hören, dass „für Menschen“ mehr getan werden soll, dann begreifen sie nicht, dass damit nicht sie gemeint sind.
Durchschnittsalter bei ÖRR ist teils über 60. Da holen sie sich ihre Informationen.
Zu den Frauen kann ich nichts sagen. Ich bin selbst eine, aber ich verstehe es auch nicht.

Askandi
6 Jahre her
Antworten an  Askandi

„Ich bin der Meinung dass der Unwille der Frauen fuer die Opposition zu stimmen einerseits daran liegt dass Frauen von Natur aus risikoscheuer und harmoniebeduerftiger sind“ Dieser Meinung bin ich auch. Aber das erklärt dann wiederum nicht, warum ausgerechnet Frauen und eine weibliche Bundeskanzerlin die Grenzen öffnen für millionen alleinstehende Analphabeten aus Brutalo Kulturen. Das wärr MIR als Frau zu risikoreich. „Von daher duerften die sich halt viel staerker von dem ein oder anderen zu markig geratenen Spruch der AfDler abgestossen fuehlen. Aber das erklaert auch wirklich nur warum sie die AfD meiden. “ Ja aber wir haben hie rjetzt… Mehr

Sonni
6 Jahre her

Die wahren Feinde von Deutschland und Europa befinden sich mehrheitlich nicht in der AFD.

Askandi
6 Jahre her

Die Situation ist so, damit es zwischen links, mehr links und am linksten keine Wahlmöglichkeit gibt. Und abgesehen von der AFD gab und gibt es da auch wirklich keine. Damit die nicht wählbar wird, hat man von Anfang an, selbst als es nur um Eurokritik ging (Wobei EU-Zentralstaat-phobie ja auch schon rechts ist) sie als Nazi-Partei dargestellt. Und Merkel ist damals in die CDU, in die Partei, die mit dem, für das sie steht (was auch immer das ist), am wenigsten zu tun hatte, damals. Denn die CDU von früher ist ja nicht anders als AFD. Das bedeutet, die anderen… Mehr

Thomas Hensel
6 Jahre her

Das würde Heribert so gefallen. SZ gleichgestellt mit ARD und dem „Bei uns sitzen Sie verblödungsmässig in der allerersten Reihe, hier wird Ihr Resthirn blütenweiß gewaschen“ Sender. Ein Zwangsabo auch der Alpenprawda für alle. Wer nicht zahlt, bekommt die Folge „Wenn der Zwangsgebühreneintreiber dreimal klingelt “ einmal gratis. Bei fortbestehender Renitent dann schwedische Gardinen.

Old-Man
6 Jahre her

Sehr gut ihr Artikel Herr Wallasch,alles auf den Punkt gebracht!

Sebastian Gumbach
6 Jahre her

Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass wir in einer Scheindemokratie leben. Die angeblichen Oppositionsparteien – vielleicht aktuell von der AfD mal abgesehen – sind keine, waren vermutlich nie welche. Früher fiel das nie auf, weil es keine Gegenöffentlichkeit gab, die sich über das Internet artikulieren konnte. Heute gibt es genug Öffentlichkeit auch für Experten, die z.B. die Lüge der 6000 Feinstaubtoten widerlegen können. Allerdings sind die Parteien wie Die Linke, Grüne oder auch FDP keine Oppositionsparteien, es sind Fake-Oppositionsparteien, die Opposition vorgaukeln. In Wirklichkeit unterstützen sie Merkels Weg. Welcher Weg das ist? Abschaffung dieser Nation, Abschaffung des deutschen Volkes,… Mehr