FDP im Wahlkampf: ein stählernes Grundgesetz als Mahnmal

Die FDP geht mit einer Werbeaktion in den Wahlkampf: Ein Youtube-Clip à la Rammstein mit Stahlgewitter-Expressionen aus der Schmiede des "härtesten Grundgesetzes aller Zeiten". Wer dann aber den Clip der Präsentation der Skulptur im Fraktionssaal ansieht, wird schnell wieder nüchtern.

screenprint via YouTube / FDP
Das im Auftrag der FDP geschmiedete "härteste Grundgesetz aller Zeiten"

Erinnert sich noch jemand daran, wie es die FDP anno 2017 geschafft hat, wieder in den Bundestag einzuziehen? Maßgeblich lag das nicht an überzeugenden Positionen eines Parteiprogramms, sondern viel mehr an der gelungenen Posterboy-Präsentation ihres Spitzenkandidaten Christian Lindner. Ja, man kann es vielleicht so sagen: Der Mann sieht gut aus, wirkt sportlich fit, und vor allem kann er reden. Lindner schafft es, noch der banalsten Thematik irgendwas Dringliches so aufzuflunschen, wie es nur gute Populisten hinbekommen.

Für die Demokratie in Deutschland ist das eine traurige Erkenntnis, aber maßgeblichen Anteil am Wahlerfolg einer Partei haben immer öfter die Werbeagenturen. Für die FDP galt das 2017 im besonderen Maße.

Wie vor vier Jahren arbeiten die Freidemokraten auch 2021 wieder mit der Berliner Agentur „Heimat“ zusammen, wie deren Pressestelle schon Ende 2020 gegenüber dem Medium Pressesprecher bekannt gab. Dazu befindet die Fachzeitung: „Insbesondere die aus der Zusammenarbeit hervorgegangenen Viral-Spots mit FDP-Chef Christian Lindner im Mittelpunkt wurden von der Kreativbranche meist sehr positiv bewertet.“

Die Heimatseite der Agentur Heimat startet aktuell mit einem Werbespot für die FDP in dem es u.a. heißt: „Ein Schwarm von 80 Freien Demokraten angetrieben von ihrer Aktivität.“ Das ist sportlich, denn durch besondere Aktivität aufgefallen sind die glorreichen 80 in der laufenden Legislatur nicht unbedingt – ja, kurz vor Schluss trommeln sie wieder lauter, machen sich als mögliche Koalitionspartner bemerkbar, es geht ja um was.

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Im Rausch des Wiedereinzuges hatte Lindner Jamaika gesprengt und damit die Regierungsbeteiligung der Grünen und solche Bundesminister wie Hofreiter und Özdemir verhindert, nur um sich anschließend einzureihen in den parteienübergreifenden Chor der AfD-Verächter. Jetzt kommt es also wieder hoch, dieses Interims-Adrenalin. Aber schreckt auch die Republik hoch und erinnert sich an den gelben Schwarmteufel der Freiheit und der Demokratie rund um Lindner? Man könnte es angesichts wieder steigender Umfragewerten tatsächlich annehmen. Die FDP ist wie immer pünktlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Effizient sind sie, das muss man ihnen schon lassen.

Angesichts der Gegner könnte man die Sektkorken oder sonstwas schon mal knallen lassen: Die Grünen versuchen gerade erschrocken, ihr abstürzendes Allzeithoch mit Händen und Füßen hochzuhalten, aber Annalena Baerbock geht trotzdem weiter in Talkshows, tritt also zwangsläufig gegen die Leiter, auf der sie steht. Die SPD schießt sich mit Olaf Scholz, dem Verlierer der SPD-Vorsitzenden-Wahl, aus derUmlaufbahn. Die CDU geht mit einer kleinskalierten Merkel­version, mit Armin Laschet ins Rennen. Und der hat nach wie vor in den Umfragen desaströs schlechte Zustimmungswerte. Die AfD ist einfach nur weiter im Abwehrkampf gegen äußere und innere Anwürfe festgetackert. Und die Linke verheddert sich zwischen einer profillosen Parteispitze und ihrem abtrünnigen Leitstern Sahra Wagenknecht.

Kurz gesagt: Bester Boden für die FDP sich auf der Kurzstrecke zu positionieren. Die Kernkomptenz der FDP ist ihre Alternative zu jedem und nichts.

Damit der FDP-Wahlkampf nicht so offensichtlich Agentur-Wahlkampf wird, haben alle Abgeordneten der FDP gemeinsam eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einschränkungen des Grundgesetzes (durch das Infektionsschutzgesetz) eingereicht. Die Details ersparen wir uns hier – nur soviel: Das Bundesverfassungsgericht ist ein zahnloser Tiger geworden, die FDP wäre sicher selbst am meisten erschrocken, wenn sie mit ihrer Beschwerde durchkäme.

Aber der eigentliche Clou steckt in der mutmaßlichen Strategie dahinter – Baustein einer Wahlwerbestrategie in mehreren Schritten:

Teil 1: Die Verfassungsbeschwerde.
Teil 2: Ein in Stahl gegossenes Grundgesetz.
Teil 3: Ein Düsterfilm in Rammstein-Anmutung über den Schmiedevorgang des stählernen Grundgesetzes.

Christian Lindner twittert dazu: „Im #Reichstag haben wir in der #fdpbt eine Skulptur als Motivation aufgestellt, Hier ihr Making of. #HärtestesGG“.

Etwas mehr als eine Minute Rammstein-Optik vor dem Schmelzofen. Martialische Textbausteine: „49 Kilo härtester Stahl. Erhitzt auf 1.200 Grad. 3.000 Hammerschläge. Um etwas zu formen, dass sich nicht verbiegen lässt.“ Nein, hier ist nicht die FDP selbst gemeint, so realitätsfern sind die Liberalen nicht, man meint das Grundgesetz. „Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag präsentiert: Das härteste Grundgesetz aller Zeiten. Geschmiedet für die Freiheit. Die Stärkung unserer Demokratie. Den Schutz von Minderheiten. Für Werte, die nicht verhandelbar sind.“

Ein stahlharter Twitter-Kommentar dazu bringt es auf den Punkt: „FDP, die Partei der politischen Prostitution. Zuckersüß vor dem Akt. Desinteressiert danach.“

FDP-Fraktionspressesprecher Nils Droste betont am Telefon, dass die in Berlin geschmiedete Grundgesetzsskulptur von der Fraktion zum Tag des Grundgesetzes aufgestellt wurde und kein Beitrag zum Wahlkampf sei. Allerdings ist hier die Agentur Heimat beteiligt und die macht eben den FDP-Wahlkampf. Laut Droste bleibt das stählerne Grundgesetz im Fraktionssaal der FDP als, wie er sagt: „dauerhafte Mahnung.“ Warum sie es nicht auf die Straße tragen, dazu gleich noch mehr.

Wer die Diskrepanz der FDP vor und nach dem Wahlkampf erleben will, zwischen Stahlküche und klimatisierter Abgeordnetentätigkeit, der sollte das martialische Pseudo-Rammstein-Grundgesetz-Video mit dem Clip der Präsentation der Skulptur im Fraktionssaal vergleichen. Hier wird der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit erst deutlich.

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Die Skulptur wird von Marco Buschmann, dem parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion vorgestellt: „Ich denke wir fangen mit der Enthüllung an, um sie nicht länger auf die Folter zu spannen …“ Das klingt nach Rüdiger Hoffmann „Ja hallo erstmal…“, jedenfalls dann, wenn man vorher das Schmiede-Video geschaut hat. Wirklich amüsant ist das, aber auch auf tragische Weise.

Und um auch das abschließend noch zu sagen: Natürlich ist das Ansinnen der FDP im Kern richtig. Aber der Kontext wirkt so schräg, so falsch, so wahltaktisch. Denn wo haben zuletzt viele Menschen das Grundgesetz in den Händen gehalten? Das war auf der Straße, wo man es der Polizei entgegengehalten hat.

Die Idee eines stählernen Grundgesetzes ist ja keine schlechte, aber diese Skulptur macht sie auch schrecklich museal. Das Grundgesetz ist aber etwas sehr Lebendiges, sollte es zumindest sein. Es gehört auf die Straße – erst recht, wenn eine Regierung wichtige Teile diese Grundrechte einfach weggewischt hat wie eine lästige Fliege auf der Mahlzeit.

Wer also dieses Grundgesetz verteidigen will, der sollte ihm keine metallenen Denkmäler errichten, sondern dafür kämpfen mit all seinen Verteidigern.

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Kommentare ( 45 )

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45 Comments
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Oliver Koenig
2 Jahre her

3000 Hammerschläge fürs Grundgesetz, 3000 mal umgefallen, wenn es ans Abstimmen geht = FDP

Klaus D
2 Jahre her

klar erinnere ich mich noch an die FDP……also an die wie sie mal war…..früher…..eine echte liberale partei die sich wirklich noch für ihre wähler und lobbys eingesetzt hat…..

Reiterhofer
2 Jahre her

Wenn ich hier schon wieder in einigen Kommentaren lese „die FDP hat sich seit Lindners Verrat gegenüber Kemmerich geändert“ weiß ich nicht ob ich weinen oder lachen soll. Was für eine durchsichtige Bauernfängerei! Es ist gerade mal ZWEI MONATE her, dass die FDP – und zwar völlig ohne Koalitionszwang – mit übergroßer Mehrheit FÜR die europäische Schuldenunion gestimmt hat. Am 25.3.2021. Kann man auch bei TE nachlesen, Artikel: „EU-Schuldenaufnahme: Stell dir vor, dein Geld wird verschenkt und keiner sagt dir Bescheid“. Auch schaue man sich mal das NZZ-Interview des FDP-Mannes Konstantin Kuhle von LETZTER WOCHE an, nach dem sind wir… Mehr

Willi4
2 Jahre her
Antworten an  Reiterhofer

Kann Ihnen nur ohne wenn und aber zustimmen.

Fragen hilft
2 Jahre her
Antworten an  Reiterhofer

Weinen oder lachen ?
Bei der FDP ist das leicht WEINEN
Lange ist es her, ich bin 2 x ausgetreten. Ich schäme mich auch angemessen für den 2. Eintritt.

Johann Thiel
2 Jahre her

Danke Herr Wallasch, für den super Artikel. Jetzt weiß ich, was mir auf TE in letzter Zeit gefehlt hat, mehr Ihrer Beiträge zu verschiedenen Themen. Immer nur Zuwanderungsthemen schafft einen irgendwie. Das war jetzt mal richtig erfrischend.

Was das stählerne GG angeht, scheint man sich bei der FDP und ihrer Agentur eine Werbung ausgedacht zu haben, die auf einen Wähler abzielt, wie man ihn sich dort potentiell für die AfD vorstellt. Also die FDP jetzt ganz neu, hart wie Kruppstahl und zäh wie Leder. Das neue Image der AfD für Feiglinge.

Ananda
2 Jahre her

Heute Morgen erhielt ich eine Spendenbitte eines anderen konservativen, Regierungskritischen Blogs.
Die Medienanstalt Berlin Brandenburg hatte ihnen unter Berufung auf den neuen Medienvertrag eine Aufforderung geschickt Medieninhalte systemkonform anzupassen. Bei Nicht Gehorchen werden teuere Verwaltungsverfahren angedroht.
Soweit zur Meinungsfreiheit. FDP, jetzt könnt ihr zeigen, dass ihr nicht nur Werbefilmchen zur Machtbeteiligung drehen könnt. – Schon klar was passieren wird … Nichts.

horrex
2 Jahre her

Verschiedene Male in den letzten Wochen ist mir durch den Kopf gegangen, vielleicht doch im Herbst FDP zu wählen. Nach dem Spot allerdings der sublim versucht, diese Partei als „stahlhart“ dazustellen, habe ich diese Idee wieder „geknickt“. Lindner mag ein geschickter Taktierer sein. – Siehe den Satz „Politik ist die Kunst des Machbaren“. – Ein „Pudding“ ist für mich nicht wählbar! –

Johann Thiel
2 Jahre her
Antworten an  horrex

Also ich kenn‘ einen Pudding den wählen die andauernd.

Thorsten
2 Jahre her

Das deute ich eher als „Omen“ dass die FDP demnächst bei den GG-Änderungen des §3 (Streichung von Rasse und Ersatz mit „rassistisch motiviert“) begeistert mitmachen wollen.
Vermutlich haben sie die Kenia-Koalition schon fest im Termin-Plan. Wer der FDP traut, der ist verloren …

Hannibal ante portas
2 Jahre her

„Erinnert sich noch jemand daran, wie es die FDP anno 2017 geschafft hat, wieder in den Bundestag einzuziehen?“ Ich erinnere mich noch wie wenn es gestern gewesen wäre: sie gab sich als Soft-AFD aus, für diejenigen, die nicht mit den Schmuddelkindern spielen wollten aber trotzdem „2015“ grundsätzlich ablehnten. Diese „Bosbach-Linnemann-Strategie“ – also öffentlich die MSM-Linie medienwirksam kritisieren um konservative/liberale Stammwähler zu täuschen, aber de facto alles mittragen – scheint ja auch 2021 bezügl. Corona-Maßnahmen Anwendung zu finden.

IDa1
2 Jahre her

Dass Lindner 2017 die Regierungsbeteiligung hat platzen lassen, hat mir noch imponiert. Konsequenzen hatte es keine, da Merkel ihr Regime mit der SPD etabliert hat.
Vorrangig nach der Thüringen Affäre, die Lindner und sicher andere aus der FDP zu verantworten haben, ist die FDP nicht mehr wählbar.

Dr. Michael Kubina
2 Jahre her

Das ist übelster Politkitsch und zeigt nur, wie geschichtsvergessen dies Politiker und auch die Werbetypen sind. Sie haben keine Ahnung, in welcher Tradition sie mit solchen Nummern stehen, sonst würden sie es kaum machen. Abgesehen davon, ist es auch sonst totaler Blödsinn. Das Grundgesetz ist eben nicht vergleichbar, mit den Zehn Geboten, die Moses (der Legende nach) von Gott gegeben und in Tafeln „verewigt“ wurden. Es ist die Quintessenz der Erfahrungen bis zum Ende des zweiten Weltkrieges und selbstverständlich nicht „stählern“ oder gar ewig. Es wird, wie alle Rechtstexte neuen Erfahrungen angepasst werden müssen oder irgendwann durch einen anderen Text… Mehr