Auf der Nazi-Blockliste

Böhmis "Gag" erreicht eine neue Dimension. Jetzt bringt er mit einer veröffentlichten Twitter-Blockliste persönlich tausende Namen in Umlauf - Liberale, Liberal-Konservative, Rechte bis Rechtsextreme, auch Namen von Welt-, FAZ- und BaZ-Autoren, alles fröhlich miteinander vermengt. Eine Interaktion mit ihm selbst war dafür gar nicht nötig.

 

Hat man heute die falsche Haltung, ist die Chance gross, dass sein Name auf einer schwarzen Liste auftaucht. Meiner steht neuerdings auf der Twitter-Blockliste des Jan Böhmermann, Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen ZDF.

Vor einigen Monaten schon hatte Satiriker Böhmi eine Liste mit unliebsamen Twitter-Accounts erstellt, die man seiner Meinung nach Blocken sollte – und dem er selbst mit der Disziplin einer chinesischen Kunstturnerin nachging. (Ich hatte darüber berichtet. Anlass für das Blocken meiner Wenigkeit, ohne den Namen einer Liste zuzufügen, war mein Tweet: „Ein Satiriker blockt alle, die sich über IHN lustig machen. Nebst Hyperempfindlichkeit verrät das auch einiges über Stehvermögen. Und Grösse.“ Zack, Block).

Meine Tränen darüber waren gerade erst getrocknet, da zündet der Humorbolze die zweite Stufe, indem er dieser Tage bei Twitter, quasi als Gag verpackt, schreibt: „Installiere jetzt Jan Böhmermanns persönliche Blockliste (8421 handgeblockte Accounts) – OHNE GEWÄHR! Viel Spass!“ Seinen über zwei Millionen Followern fügte er die Liste bei, man kann sie direkt übernehmen und so tausende Andersdenkende auf ein Mal blocken. Und weil auf der Seite der „Guten“ schon lange nicht mehr unterschieden wird zwischen liberal-konservativ, rechts, rechtsradikal und Nazi – alles das gleiche Pack! – stehen auf Böhmis neuer Blacklist nebst tatsächlichen Nazi-Trollen auch Namen von Welt-, FAZ- und BaZ-Autoren.

Der „Gag“ erreicht somit eine neue Dimension. Wo Böhmi zuvor hauptsächlich Accounts blockte, die ihn selbst kritisierten, nervten, beleidigten oder eben die falsche Gesinnung hatten, bringt er nun Namen in Umlauf von Personen, wo in vielen Fällen nicht die geringste Interaktion stattfindet, weder mit ihm noch untereinander. Angesichts seiner Millionen Follower ist anzunehmen, dass viele der angestifteten Fans die Block-Empfehlung ohne grosses Nachdenken übernehmen. Man muss keinen Abschluss in Raketenwissenschaft haben um zu erkennen, dass diese Aktion dem gesellschaftlichen Diskurs etwa so sehr dient wie ein Schweigegebot der Podiumsdiskussion. Zwischen Blocken und grosser Twitter-Liebe gäbe es im Übrigen noch diverse Abstufungen wie das ehemals verwendete simple Ignorieren der Person oder „Stummschalten“. Blocken aber ist die Guillotine unter den Twitter-Funktionen, der Beleg für tiefste Verachtung.

Ich folge einigen Leuten der „anderen Seite“. Ich bin offen für verschiedene Meinungen, auch wenn sie mein geistiges Wohlbefinden streckenweise derart strapazieren, dass Schnappatmung die Folge ist. Margarete Stokowski zum Beispiel, feministische Spiegel-Autorin, ich habe sogar ihr aktuelles Buch „Die letzten Tag des Patriarchats“ bestellt. Wie soll man gegen moderne Feministen anschreiben, wenn man deren Argumente nicht kennt? Oder der Links-Ikone Sophie Passmann. Wir sind uns beide insofern einig, dass wir Frauen sind – that’s it. Trotzdem pflegen wir einen angenehmen Umgang. Wenn man sich ein bisschen von seiner eigenen Engstirnigkeit abkoppelt, ist es (manchmal) möglich, Personen zu achten oder ihre Arbeit zu schätzen, auch wenn man mit ihnen in politischen Fragen uneins ist.

Blocken an sich geht völlig in Ordnung. Ich habe davon zwar noch nie Gebrauch gemacht, weil ich jedem die Chance zum Kontern geben möchte. Ich kann aber verstehen, dass man halt nicht alles lesen möchte. Böhmi kann natürlich blocken, wen er will, wenn es ihm Genugtuung verschafft. Er kann selbstverliebt von seiner Kanzel herab predigen, sich in seiner Filterblase abschotten, andere Meinungen, Kritik und das Pack aussperren. Gerade die, die besonders heftig austeilen („Ziegenficker“), sind manchmal die routiniertesten Despoten, pardon, Mimosen. Er kann aus dem Epizentrum der moralischen Überheblichkeit, wo ständig für mehr Toleranz geworben wird, aber alles, was nicht dem eigenen Gedankengut entspricht, pauschal delegitimiert wird, eine Block-Hysterie verbreiten – vielleicht ist das der neue Zeitgeist. Passend dazu gibt es ja dieses Sprichwort mit dem Wasser, dem Wein und dem Predigen.

Und auch wenn ihm in seinem Purge-Wahn offensichtlich entgangen ist, dass zum Charakter des Kommunikationstools Twitter eben gehört, „normalen“ Leuten eine Plattform zu bieten, um sich mit Prominenten oder Politikern auszutauschen, sie herausfordern, zu kritisieren, ihnen zu widersprechen, ist das nicht tragisch. Er kann nichts dafür, dass er solche Zusammenhänge nicht erkennt.

Das Problem sind die dummen Gebührenzahler. Viele haben angesichts der „Gags“ des zu berappenden ZDF-Satirikers zunehmend miese Laune. Wenn also die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt noch ein bisschen mehr zur Spaltung der Gesellschaft beitragen möchte, dann sollte sie den totalitären Aktionen ihres Vorzeige-Mitarbeiters auf keinen Fall den Riegel vorschieben.

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Kommentare ( 57 )

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57 Comments
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Norri
5 Jahre her

Böhmermann vergleiche ich gern mit Ulbricht. Beide wären in einem freien Staat, in der Privatwirtschaft oder mit freien Wahlen, untergegangen, wie ein Stein im offenen Meer. Solche Gestalten werden nur durch den Zwang groß und dienen sich dadurch an das herrschende System an, wissend, dass es sie ohne das nie gäbe.

Skeptiker
5 Jahre her

Ich kenne von diesem Mann nur sein Erdogan-Gedicht. Mag sein, dass es (wie ich kürzlich irgendwo las) aus dem Zusammenhang gerissen wurde – dämlich kommt es (und damit der Mann) mir trotzdem vor. Unter Satire verstehe ich jedenfalls etwas anderes.
Ganz allgemein finde ich den Zustand unseres Kabaretts jämmerlich, das es – ganz anders als zu meiner Jugendzeit – weit überwiegend als seine Aufgabe betrachtet, Regierungspropaganda zu verbreiten und auf die einzige wirkliche Oppositionspartei einzudreschen.

stolzerSachse
5 Jahre her

Hallo Frau Wernli
diese Weisheiten haben mir geholfen in meinem Leben, als mich die Roten und ihre Lakaien drangsalierten .
Niemals am Boden bleiben. Steh auf und mach weiter! (Max Schmeling)
Kopf hoch, sonst siehst du die Sterne nicht mehr. (Volksmund)

Machen Sie weiter wie bisher, was ist schon ein sich in Sodomie-fantasien ergötzender Dummschwätzer ;-), nur eine „OO“ Kennzeichnung wie an „Notdurfteinrichtungen“ zu finden ist.

armin wacker
5 Jahre her

Boehmermann ist einfach nur unterirdisch dumm und geschmacklos.gehoere leider zu den alten weisen maennern, deren Gechmacksknospen noch intakt sind. Aber Frau wernlis Feinde sind auch meine, nur halt nichtauf social media.diese Plattformen lehn ich ab.

RedSam
5 Jahre her

Böhmermann wäre in der Türkei als Hofnarr von Erdogan besser aufgehoben!

anita b.
5 Jahre her

AUch in der Anstalt besteht Satiere im Beschimpfen und Lächerlichmachen Andersdenkender , ganz im Sinne des Mainstreams.

Wuidara
5 Jahre her

Böhmi ist ein Paradebeispiel dafür, was man bekommt, wenn sich Dummheit und Arroganz paaren – nichts weiter als K….zbrocken!

Gabriele Kremmel
5 Jahre her

Alle Erklärungen und Rechtfertigungen, warum man mit wem Kontakt hat oder warum die Einblicke in ungeteilte Twittermeinungen nützlich sind, erübrigen sich doch hier gänzlich. Böhmermann hat vermutlich einfach Spaß am Polemisieren und Denunzieren (Verleumdung inclusive), was man wohl als Charaktereigenschaft einordnen kann. Eine, die ich mir bisher nicht vorstellen konnte. Deswegen blieb mir jahrzehntelang die Frage unbeantwortet, warum Leute im ersten/Anfang zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts ohne Not ihre Nachbarn und Mitmenschen diskreditierten und denunzierten. Jetzt weiß ich es. Es gibt und gab schon immer viele kleine Böhmermanns. Jetzt haben sie wieder Rückendeckung. Für alle Fälle: ich deklariere dies als… Mehr

olive
5 Jahre her

Ihr Tweet war sowas von am Platz, Frau Wernli, das war zu viel für Böhmermann. Man könnte den Tweet noch etwas erweitern, aber das wäre wohl Ihrem Fairness-Gefühl zuwider gewesen.
Jedenfalls hat er gut getroffen, ein Blattschuss, sozusagen.

Jochen Selig
5 Jahre her

Wiglaf Droste über Böhmermann: „… spricht Campino, Sänger der Toten Hosen, auch über die Medienkreatur Jan Böhmermann: »Warum soll ich mich mit etwas auseinandersetzen, das inhaltlich so arm ist. Ich muss doch nicht über diesen zynischen Pipihumor reden. Wenn jemand ›Ziegenficker‹ sagt und dann albern loslacht vor lauter Selbstbegeisterung, jetzt etwas ganz Schlimmes und Verbotenes gesagt zu haben …« Treffer, auf den Punkt. Hätte Campino das Gratiswort »zynisch« gestrichen, wär’s beängstigend perfekt gewesen, aber so stimmt’s. Das Perverseste ist, dass Böhmermann sich auf der Bühne mit Texten von Deniz Yücel brüstet, der an seiner, Böhmermanns, Stelle in der Türkei im… Mehr

olive
5 Jahre her
Antworten an  Jochen Selig

Jüdschell sitzt nicht mehr im Knast

Jochen Selig
5 Jahre her
Antworten an  olive

Es tut mir leid, dass ich dich überfordert habe.

olive
5 Jahre her
Antworten an  Jochen Selig

Überfordert? Womit genau?