Wo bleibt der Aufstand der Bürger?

Beide Schreckensentscheidungen dieser Woche schwächen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. So wird Demokratie transformiert mit dem denkbar geringsten Geräuschpegel. Die Leute haben keine Ahnung, in keiner großen Talkshow wird der Umsturz von oben debattiert, der Aufschrei der Bürger unterbleibt.

In ein und derselben Woche macht das Europäische Parlament einen Riesenschritt in Richtung Ökodiktatur und der Bundestag hebelt mit dem Wahlrecht ein Element der Demokratie aus. Wer glaubt, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun, soll weiter träumen.

I.

Das selbst verschuldete Unheil kommt wie so oft in der Maske der Vernunft. Ist es nicht einfach nur vernünftig, dass die Klimawende sich nicht auf Industrie und Individualverkehr beschränkt, sondern auch auf Gebäude erstreckt? In einem immer noch zu kalten Land wird nicht nur falsch geheizt, sondern auch zu viel Wärme in die Luft gepulvert. Deshalb werden Hausbesitzer zu Wärmepumpen, Solardächern und Dämmmaßnahmen gezwungen und viele von ihnen damit still und leise enteignet. Logisch, oder?

Rücksicht auf die eigenen Bürger, wo kämen wir da hin! Dass in Ländern, in denen weniger gefroren auch weniger staatstreu gehandelt wird, ist leider kein Trost. Die Kontroll- und Regulierungswut der hiesigen Regierung würde – ginge es nur einigermaßen mit rechten Dingen zu – die Leute auf die Barrikaden treiben, statt gehorsamst in den Ruin. Und wäre Verstand noch ein nennenswerter Rohstoff, würde der grüne Fundamentalphantast, der gerade mit dem Schnellboot auf dem Amazonas herumgegurkt ist, statt pflichtgemäß den heimischen Wohlstand zu verteidigen, aus dem Amt geprügelt.

Da aber in Deutschland der Niedergang ordnungsgemäß durchgeführt werden muss, wird die Großoffensive gegen die eigene Bevölkerung einer demokratisch gewählten Obrigkeit überlassen, hinter der, grob geschätzt, nicht einmal ein Drittel der Deutschen stehen.

II.

Womit wir bei den Berufspolitikern wären und bei der Wahlrechtsänderung. Wieder wird das Wahlvolk mit einer scheinbar vernünftigen Regelung für dumm verkauft. Endlich wird der Bundestag kleiner. Stimmt. Damit einher geht jedoch der Triumph der Funktionärskaste, die künftig überwiegend allein bestimmt, wer ins Parlament entsandt – nicht wirklich gewählt – wird.

Es leuchtet ein, dass von Parteilisten entsandte Abgeordnete leichter damit klarkommen, dass Wähler ihres Lebens nicht mehr froh werden. Sie bekommen sie mangels Wahlkreis ja nicht mehr groß zu Gesicht und man muss ihnen auch nicht mehr zuhören. Dafür dienen sie nun dem großen Weltgewissen und schützen angeblich das Klima. Wer die Bürger schützt, kann leider keine große Rolle spielen.

Eine der möglichen Folgen des neuen Wahlrechts ist zum Beispiel, dass der größte Teil der bayerischen Wähler nicht mehr im Bundestag vertreten sein wird, falls die CSU – nur in Bayern kandidierend – nicht die 5-Prozent-Hürde überwindet (derzeit schafft sie gerade einmal 5,2 Prozent). Die CSU könnte gezwungen sein, praktisch als Landesverband der CDU anzutreten oder selbst zu einer bundesrepublikanischen Partei zu werden. Die weiß-blaue Farbe der CSU, Ausdruck der föderalen Verschiedenheit dieses Landes – verschwände im norddeutsch-protestantischen Einheitsgrün. Das neue Wahlrecht geht an die Wurzeln der deutschen Demokratie, wenn sie nur noch dem Verhältniswahlrecht folgt, und auch die verbleibenden Direktmandate ans Verhältnis der Stimmen insgesamt gebunden und damit an die Kandare der Parteien genommen werden.

III.

Beide Schreckensentscheidungen dieser Woche schwächen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. So wird Demokratie transformiert mit dem denkbar geringsten Geräuschpegel. Die Leute haben keine Ahnung, in keiner großen Talkshow wird der Umsturz von oben debattiert, der Aufschrei der Bürger unterbleibt. Die politische Klasse hat aus der Geschichte gelernt, dass es keines Ermächtigungsgesetzes bedarf auf dem Weg in die Ökodiktatur. Das schafft sie auch so. Es ist den mit Hilfe der Medien betäubten Gehirnen nur noch nicht bewusst. Allzu lange glaubten sie, Freiheit sei umsonst. Heute wissen wir, dass sie gegen den Staat verteidigt werden muss.

Es ist nicht tröstlich, sondern bedrohlich, dass auch in anderen Ländern Europas Demokratie beschädigt wird. Brüssel drückt aufs Tempo. Hier und da – etwa in Italien – setzen sich die Wähler dagegen bereits erfolgreich zur Wehr. Ein Hoffnungsschimmer. Wer nicht mit allen demokratisch zulässigen Mitteln widersteht und rebelliert, macht sich mitschuldig am Ruin seines Landes.

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Kommentare ( 133 )

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Rob Roy
1 Jahr her

Pauschal kann man sagen, dass Direktkandidaten stärker mit dem Wähler verbunden sind, während die Listenkandidaten ausschließlich der Partei verpflichtet sind.
Parteien sollten nicht das gleiche oder sogar mehr Mitspracherecht haben als der Bürger. Sie sollten lediglich die Gemeinschaft ihrer Wähler repräsentieren, nichts weiter.
Um die Demokratie zu stärken, sind daher die Listenplätze ersatzlos zu streichen. 299 Abgeordnete sind mehr als genug.

Joerg Bouillon bei Buendnis Deutschland
1 Jahr her

Danke für die Frage, lieber Herr Herles. Ich schätze Ihre Beiträge hier sehr und möchte deshalb meine Antwort nicht schuldig bleiben. Hier kommt der „Aufschrei“ mit den Mitteln der parlamentarischen Demokratie: Gestern Erster Bundesparteitag von „Bündnis Deutschland“ in Berlin. Ich lade alle Leser und Autoren hier ein, sich zu informieren und im Resonanzfall zu unterstützen. Ich selbst arbeite im Bundesfachausschuss „Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie“, die Beziehung zur EU ist dabei ein zentrales Thema.

Szuza
1 Jahr her

Lieber Herr Herles, leider glauben die Menschen nicht, dass diese unfähigen EU-Politiker das alles ernst meinen. Meine Mutter mit ihren 82 Lenzen und eifrige Tichyleserin, will das nicht wahrhaben und sagt, „ich mache gar nichts und ich gehe auch nicht aus meinem Haus, die können mich mal“. Sie hat, wie fast alle in ihrer Generation, neben ihrer Rente noch fast 80.000€ auf der Bank, die für die Kosten eines Altersheimes gedacht waren, wenn es so weit kommen würde. Für Lebensmittel gibt sie 200€ im Monat aus, jetzt nachdem alles so teuer war, d.h. sie spart noch jedenMonat Geld von ihrer… Mehr

Riffelblech
1 Jahr her

Dieser Staat hat es nach der Ära Kohl unter der Ägide der A. Merkel es geschafft jegliches Demokratieverständnis beim Bürger abzustumpfen. Hauptsächlich Ruhe bloß keine Störung des täglichen Trottes. Die Bürger wurden zur Wahl getrommelt ,sie haben gewählt und wer kam ans Ruder ? Niemals die vermeintlich Gewählten die Parteienoligarchie entschied zur Machterhaltung aber nie zum Besten der Wähler. Damit wurden die Grünen die bestimmende Partei in Deutschland. Gerade mal 15% der Wählerschaft ,aber eine solche dicke Hose als wären es 48%. Warum ? Weil Merkel und Konsorten dies zuließ . Die AfD wurde als demokratische Partei verunglimpft bis zum… Mehr

JamesBond
1 Jahr her

Die CSU und Bayern? Wer braucht die? Keiner, die CDU die mit den Grünen in vielen Bundesländern regiert braucht auch keiner.
Hoffnung gibt es jetzt, das sich auch die FDP 2 Maske endgültig erledigt – und die Linke sowieso – auf geht’s in eine Zukunft ohne CSU, Linke und FDP – herrlich, denn die Grünen Umweltverschmutzer und Kriegstreiber schaffen wir auch noch!

Last edited 1 Jahr her by JamesBond
LetzteMeldung
1 Jahr her

Werter Herr Herles, wenn Sie den Aufschrei der Bürger vermissen, so kann es sich nur um die in den alten Bundesländern handeln. Die aus den neuen Bundesländern sind für Sie nach über 30 Jahren nach der Übernahme immer noch keine nach Ihren Vorstellungen. Die Aufstände im Osten haben Sie in früheren Artikeln/Büchern als Aufblühen von Protesparteien diffamiert. Auch das der „desolate Osten“ den Westen mit in den Abgrund reisse“ hat sich als ein weiterer Irrtum Ihrerseits herausgestellt. Das schafft der Westen auch ohne den Osten! Das ist auch völlig ok. Wenn Sie nur hoffentlich so lange noch leben, dass in… Mehr

Last edited 1 Jahr her by LetzteMeldung
Demokratius
1 Jahr her

Aufstand der Bürger??? – Wir sind doch hier nicht in Frankreich !!!
Der Deutsche lässt sich bekanntlich alles gefallen, er ist der perfekte Untertan.

Kati.D
1 Jahr her
Antworten an  Demokratius

Im Osten wurde und wird das seit Jahren versucht und was passiert? Man wird dumm gemacht und mit Häme überschüttet, nicht nur von den Mainstreamparteien, auch von einem Großteil der westdeutschen Bürger.

Hummi
1 Jahr her

Der Haupschuldige ist der Bürger selber , der in seiner vollständigen Wohlstandsverblödung , Kadavergehorsam an den Tag legt , oder glaubt ihn ginge das alles nichts an , die immer gleiche Politik wählt . Hauptschuldige sind auch die immer größere Zahl (40%) der Nichtwähler die lieber ihr Wahlrecht wegwerfen und glauben somit einen wirkungsvoll Protest zu zeigen , anstatt einen kompletten Politikwechsel ermöglichen würden Nichtwähler sind die größten Förderer der Grünen , denn nur so kommen die auch mit nur 17% in jede Regierung …… Wie dumm muss ein Volk sein , den eigenen Wohlstand und ihre Freiheit einfach wegzuwerfen?

Demokratius
1 Jahr her
Antworten an  Hummi

Es gibt viele Menschen, die sich zwischen Pest und Cholera nicht entscheiden können und sich davor fürchten, vom Meanstream wegen „unverzeihlichem Wahlverhalten“ zu den „Aussätzigen“ gezählt zu werden. Da verzichtet man lieber ganz auf das Wahlrecht und glaubt, damit wenigstens nicht „die Falschen“ an die Macht zu bringen. .

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Warum soll ich protestieren,wenn die Wahlrechtsreform bisherige Wähler der Linkspartei und der CSU zu der von mir geschätzten AfD treiben wird. Diese beiden Fanclubs von Angela Merkel können gerne abrauschen.

H. Priess
1 Jahr her

Nur nebenbei bemerkt, es ist noch nicht vorbei: 15.03.2023, 17:16 Uhr >Soldat verweigert Corona-Impfung: Richterin verhängt Geldstrafe. Ende 2021 hat ein Bundeswehrsoldat den Befehl bekommen, sich gegen Covid impfen lassen. Er lehnte das ab. Heute hat ihn das Augsburger Amtsgericht zu einer Strafe von 4.500 Euro verurteilt. Seine Aussagen waren teils widersprüchlich.  90 Tagessätze zu je 50 Euro, plus Prozesskosten: So lautet das Urteil, das Richterin Beate Christ am Mittwoch in Augsburg gegen einen 33-Jährigen verhängte. In der ungewöhnlich langen Zivilverhandlung im Amtsgericht ging es um die Frage: Hat der Angeklagte Johann K., ein Soldat, seine sogenannte Duldungspflicht in der… Mehr