Klage gegen Kriegstouristen: Zahlten sie 80.000 Euro für Menschensafari?

Es brauchte den Film „Sarajevo Safari“ und einen Autor, um dieses mutmaßliche Verbrechen im Bosnien-Krieg zur Anklage zu bringen. Der Italiener Ezio Gavazzeni klagt italienische Touristen an, die in der Schlacht um Sarajewo zu Heckenschützen wurden. Auch ein Waffennarr aus Deutschland könnte dabei gewesen sein.

picture alliance / imageBROKER | Gabriele Thielmann
Ausblick von der Gelben Festung auf die Stadt Sarajevo, 30.09.2024

Das Geschehen ist nun 30 Jahre her. Die Belagerung von Sarajewo war mit drei Jahren, zehn Monaten, drei Wochen und drei Tagen die längste Belagerung einer Hauptstadt in der modernen Geschichte. Sie dauerte vom 5. April 1992 bis zum 29. Februar 1996. Insgesamt fielen ihr rund 8.400 Soldaten zum Opfer. Zudem wurden 5.400 Zivilisten auf die unterschiedlichsten Weisen getötet. Die serbische Armee belagerte die Stadt mit schwerem Gerät. Nach dem Massaker von Markale bombardierten Nato-Flieger die serbischen Stellungen.

Schon seit langem bekannt sind daneben die Heckenschützen (Sniper), vor denen sogar Schilder in der Stadt warnten. Die zum Flughafen führende Hauptstraße war als „Heckenschützen-Allee“ bekannt. Auch ein gemischtes bosnisch-serbisches Paar fiel ihnen zum Opfer und gab das Thema für den Dokumentarfilm „Romeo and Juliet in Sarajevo“, der ein Jahr nach dem Tod der beiden herauskam. Dabei war nicht immer klar, zu welcher Kriegspartei die Sniper gehörten. Nur die serbische Hoheit über die meisten militärisch wichtigen Punkte ließ vermuten, dass es sich zumeist um serbische Schützen handelte.

26 Jahre vergingen, bis ein weiteres Detail dieses Geschehens eine größere Öffentlichkeit fand. Im Film „Sarajevo Safari“ des slowenischen Regisseurs Miran Zupanič von 2022, koproduziert von Al Jazeera Balkans, wurde erstmals der Vorwurf entfaltet, dass „Touristen“ aus verschiedenen Ländern, darunter Italien, Kanada, Russland und die USA, nach Belgrad einflogen und dann mit Hubschraubern nach Sarajewo gebracht wurden. Dort hätten die Kriegstouristen Stellungen vor allem in einer Nachbarschaft Sarajewos (Grbavica) bezogen und dort ziemlich wahllos auf Uniformierte wie Zivilisten geschossen.

Dafür zahlten die Schützen angeblich hohe Summen. Von 80.000 bis 100.000 Euro für ein Wochenende ist die Rede. Brussels Signal spricht sogar von 200.000 bis 300.000 Euro – was natürlich alles an Großwild-Gebühren aus der Afrika-Safari erinnert. In Sarajewo war der Preis angeblich am höchsten, wenn Kinder getroffen wurden, es folgten Bewaffnete und Männer in Uniform, dann unbewaffnete Männer und Frauen. Senioren durften kostenfrei abgeschossen werden. Diese Details wirken eher wie einem geschmacklosen Splattermovie entnommen.

Extremisten oder Etablierte?

In den 1990er-Jahren hatte der altlinke Corriere della Sera von „italienischen Extremisten“ berichtet, die sich angeblich einen Spaß aus der Sache machten und ganze Wochenenden als Heckenschützen in Sarajewo verbrachten. Was diese Vorwürfe von anderen Berichten – etwa dem von ausländischen Kämpfern im Ukraine-Krieg – unterscheidet, ist der zynisch-morbide Safari-Charakter der Sache, das Schießen und Töten zum Spaß, im Rahmen eines Wochenendtripps für Waffennarren. Die Geschichte war so unglaublich, dass man sie wohl lange für eine Kriegslegende hielt.

Doch unmittelbar nach der Premiere des Films gab es Ermittlungen gegen Unbekannt in Sarajewo, die aber bisher zu keiner Anklage führten. Nun hat die Mailänder Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet, teils wiederum gegen Unbekannt. Aber fünf Verdächtige scheinen jetzt doch bekannt zu sein, darunter der Eigentümer einer Mailänder Privatklinik, schreibt die Nachrichtenseite Aljazeera. Daneben zwei Männer aus Turin und Triest.

Unterstützt werden die Staatsanwälte auch von der Spezialeinheit der Carabinieri für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Ist das schon Ausrufezeichen genug, um die Verstrickung sehr mächtiger Kreise zu vermuten? In Italien sind die mafiösen Freimaurerlogen bekanntlich nie weit von Geld und Macht entfernt.

Was ist das beste Motiv zum Töten an der Front?

Der italienische Autor Ezio Gavazzeni hat die Klage gegen die „wohlhabenden Italiener“ eingereicht, unterstützt von der Anwältin Nicola Brigida und dem bekannten Richter Guido Salvini. Den Beschuldigten wird vielfacher Mord mit den erschwerenden Umständen der Niedertracht und Grausamkeit vorgeworfen. Laut Gavazzeni waren auch Schützen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien unter den „Touristen“. Der Autor wundert sich daher sehr, dass noch nie irgendeiner der eventuell betroffenen Staaten Verfahren eingeleitet hat, und mutmaßt, dass es sich um „mächtige, reiche und gesellschaftlich relevante Menschen“ handeln könnte. Aber der Schriftsteller ist auch im Austausch mit Journalisten aus mehreren Ländern, die jeweils Klagen einreichen wollen.

Laut Gavazzeni sammelten sich die italienischen Freizeit-Schützen zunächst in Triest, unweit der slowenischen Grenze, von wo aus sie nach Sarajewo flogen. Nach dem Kurztripp „kehrten sie nach Hause zurück und führten ihr normales Leben weiter“, blieben „respektable Bürger“ an ihren Wohnorten. Man weiß nicht, wo hier die historische Realität endet und die Phantasie des Autors oder Filmregisseurs beginnt. Gavazzenis erste Quelle war der Regisseur Zupanič. Für Gavazzeni haben die Touristen „Gott gespielt und blieben ungestraft“.

Dass es der serbischen Armee (wahlweise auch dem serbischen Geheimdienst) nur recht sein konnte, Freiwillige – auch noch gegen Bezahlung – anzuheuern, erscheint dagegen plausibel. Nicht anders ist es ja im Ukraine-Krieg gewesen, wo ebenfalls immer wieder von kriegslustigen Ausländern berichtet wurde. Wo ist hier die Grenze? Ist Abenteuerlust ein „besseres” Motiv zum Töten an der Front als die Lust des Narren an der eigenen Waffe?

Laut Gavazzeni gab es keine „politischen oder religiösen Motive“. Die Schützen seien „reiche Leute“ gewesen, die um des „Spaßes“ und der „persönlichen Befriedigung“ willen nach Sarajewo fuhren: „Wir sprechen hier von Menschen, die Waffen lieben“, die vielleicht auch „auf Safari in Afrika“ gehen würden (so im Guardian zitiert). Gavazzeni spricht von einer „Gleichgültigkeit gegenüber dem Bösen“.

Bekanntes und Unbekanntes

Der bis dato einzige namentlich bekannte Fall eines Hobby-Schützen in Sarajewo ist der des 2020 verstorbenen russischen Nationalbolschewisten Eduard Limonow, der sich bei der Beschießung Sarajewos filmen ließ. Er war folglich zusammen mit dem später in Den Haag verurteilten Serbenführer Radovan Karadžić in Paweł Pawlikowskis Dokumentarfilm Serbian Epics zu sehen. Ein Film, der 1992 die Gemüter erhitzte, weil überdies auch der serbische General Ratko Mladić in ihm auftrat.

Daneben gibt es nun unterschiedliche Aussagen von Zeitzeugen. So sagte ein anonymer US-Geheimdienstler aus, er habe die zahlenden Schützen-Touristen in Grbavica mit eigenen Augen beobachtet. Und der US-Marine John Jordan bestätigte die Berichte 2007 vor dem Haager Tribunal. Einer der Ausländer sei mit einer Waffe angereist, die „eher für die Wildschweinjagd im Schwarzwald als für den Stadtkampf auf dem Balkan geeignet schien“. Außerdem habe der Mann sich wie ein „Anfänger“ angestellt. Niemand weiß, ob es sich hierbei um einen Deutschen handelte.

Dagegen will der britische Autor und Reporter Tim Judah, der damals viel Zeit im zerfallenden Jugoslawien und namentlich im bosnisch-serbischen Hauptquartier Pale verbrachte, das Geschilderte nicht ausschließen. Allerdings habe er in seiner Zeit in Pale keinen einzigen Fall bemerkt, sagte Judah dem britischen Telegraph: „Wir haben keine seltsamen Ausländer bemerkt. Es gab einige Russen und Griechen, aber sie kämpften als freiwillige Soldaten auf der Seite der Serben. Ich sage nicht, dass es nicht passiert ist. Es ist möglich, dass es Menschen gab, die bereit waren, dafür zu bezahlen. Aber ich glaube nicht, dass es sehr viele waren.“

Vielleicht ist also doch alles nur ein durchsichtiger Versuch, den „Westen“ erneut schuldig zu
sprechen, nun an der Ermordung unschuldiger teils bosniakischer, also muslimischer Zivilisten in
der Schlacht um Sarajewo? Die Finanzierung des anlassgebenden Films durch den bosnischen
Aljazeera-Arm könnte man so lesen. Auch haben sich türkische und arabische Medien
begierig auf die neue „Islamophobie“-Story gestürzt. Linke Medien im Westen spielen das Spiel auf
ihre Weise mit, indem sie die Schuld wahlweise bei Extremisten oder Besitzbürgern suchen. Auch
diese beiden Gruppen passen nun einmal zu gut in den medialen Kampf gegen Europa, den leider
auch Blätter wie der Guardian beständig ausfechten.

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Kommentare ( 27 )

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27 Comments
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Peter Gramm
21 Tage her

Das glaube ich nicht dass es solche Vollpfosten gibt.

Will Hunting
20 Tage her
Antworten an  Peter Gramm

Ich musste meine erste Antwort revidieren. Ich kann nicht glauben, daß Sie dermaßen desinformiert sind.

luxlimbus
21 Tage her

Nach der überaus erfolgreichen Märchenstunde-I, der Genozid in Gaza, folgt nun Märchenstunde-II. TE hätte dies nicht auch noch aufgreifen dürfen! Für gläubige Mohammedaner haben Werte wie Wahrheit und Eigentum, außerhalb des Hauses des Friedens, keine genuin wissenschaftliche Bedeutung. Ich prophezeie in spe noch ganz andere Räubergeschichten!

Last edited 21 Tage her by luxlimbus
Niklot
21 Tage her

In Deutschland ist Mord schon verjährt. Aber vielleicht fände sich für deutsche Tatverdächtige noch ein anderer Tatbestand ggf. auch eine andere (die bosnische, UN-?) Jurisdiktion.

Reinhard Lange
21 Tage her
Antworten an  Niklot

Mord verjährt in Deutschland nicht.

P. Pauquet
21 Tage her

Ich als AWM kann mich an eine Zeit im vorigen Jahrhundert erinnern, wann genau weiß ich nicht mehr, da gab es einen wirklichen Katastrophen- und Kriegstourismus. Leute mit dem entsprechenden „Kleingeld“ wurden u.A. direkt ins Geschehen bzw. Kampfgebiet per Helikopter geflogen, Schampus und Snacks inbegriffen. Das Geschäft lief gut und expandierte. Doch ab einem Punkt bemühte sich die „Gesellschaft“ sich zu empören. Und erst ab da fing man an, dagegen vorzugehen. Warum sollte das im Kosovo anders gewesen sein? … Auch heute ist es so, dass nicht Jeder, der in die Ukraine, in den vorderen Orient oder sonstwo hin fliegt,… Mehr

Last edited 21 Tage her by P. Pauquet
Britsch
21 Tage her

Vielleicht sollte man in dem Zusammenhasng auch betrachten wie das mit den Heckenschützen beim Sturm auf den Maidan war

Haedenkamp
21 Tage her

Schönes Thema für Heuchler: Ein Scharfschütze tötet gegen Bezahlung Menschen. Das hat kaum jemand moniert, schließlich muss der Scharfschütze Geld verdienen. Nur wenn das Geld in die entgegengesetzte Richtung fließt, also statt Geld genommen gezahlt wird, dann ist die Empörung groß. Das Resultat ist beides Mal dasselbe; Fremde töten auf fremden Boden Fremde.

Mugge
21 Tage her

„Harte Ziele“ heißt da ein Film mit Jean Claude Van Damme . Darin geht es praktisch um solvente Männer,die für hohe Summen auf inszenierte Menschenjagd gehen. Er könnte noch vor noch vor 1990 oder um diese Zeit gedreht worden sein.

Haedenkamp
21 Tage her
Antworten an  Mugge

Also doch eher #weiche Ziele.# So wie wir auf dem Weihnachtsmarkt.

Haba Orwell
22 Tage her

> In Sarajewo war der Preis angeblich am höchsten, wenn Kinder getroffen wurden, es folgten Bewaffnete und Männer in Uniform, dann unbewaffnete Männer und Frauen. Senioren durften kostenfrei abgeschossen werden. Diese Details wirken eher wie einem geschmacklosen Splattermovie entnommen. Vor wenigen Wochen gab es banderistische Anschläge auf russische Personenzüge in Grenzgebieten, die wurden von einem buntschländischen General bejubelt. Der war zwar nicht persönlich vor Ort, musste aber auch nicht persönlich zahlen. Mit der charakterlichen Voraussetzung wurde er zum Chef der Bunteswehr gemacht, welche anscheinend Gefallen an Safaris auf Slawen findet. Einer der Onkel meiner Mutter nahm vor Jahrzehnten samt besonders… Mehr

Elmar
21 Tage her
Antworten an  Haba Orwell

Der Chef der Bunteswehr erinnert mich an einen Mann, dem in den führenden Kreisen der Wehrmacht der Kosenamen La-Keitel verliehen wurde. Manche hielten ihn auch schlicht und ergreifend für einen Schuhlecker.

Last edited 21 Tage her by Elmar
Juergen Waldmann
22 Tage her

Schon im WW I , dem ersten Weltkrieg , fuhren wohlhabende US Bürger nach Europa , um an der Grabenfront Frankreich zu Deutschland , dem Gemetzel zu zu schauen . Große Empörung kam in Amerika nur auf , als deutsche U-Boote eines der Schiffe , an sich ein Touristenboot , versenkten . Die US Schiffe transportierten Munition für die Front , aber auch reiche Schaulustige .

TomK11
22 Tage her

Ich kann mich noch gut an den Krieg erinnern. Und das aus Deutschland etliche schiessgeile in den Kosovo zum kämpfen gereist sind. Alleine aus Dortmund gab es damals 3 Reisebusse.