Umfragetief für die CSU zeigt: Markus Söder ist der Problem-Bär  

Nach der CDU stürzt jetzt auch die CSU in Umfragen ab. Das bisherige Zusammenspiel der Unions-Schwestern funktioniert nicht mehr und das schadet beiden Parteien. Söders taktische Fehler rächen sich jetzt bitter.

IMAGO / Sven Simon
Photomontage: Markus Söder, Angela Merkel, Armin Laschet

Nur noch 29 Prozent der bayerischen Wahlberechtigten wollen CSU wählen, so eine Umfrage, die Sat1 für Bayern in Auftrag gegeben hat. Im Juni waren es noch 35 Prozent. Im neuesten RTL/ntv-Trendbarometer sinken CDU und CSU zusammen erstmals unter die 20-Prozentmarke auf 19 Prozent!

Das Ergebnis ist keine Überraschung. Historisch liegt die CSU immer rund 8 Prozentpunkte vor der Union, manchmal etwas mehr, selten weniger. CDU plus 8 ist CSU -– diese Regel bestätigt sich, weil Armin Laschet in allen jüngeren Umfragen gerade noch 20 Prozent holt.

50 Prozent plus X – das wird nix

So weit ist alles normal. Für die CSU ist es ein Desaster. „50 Prozent plus X“ – das war lange das Ziel, an dem sich der Vorsitzende der CSU messen lassen musste. 1983 landete sie bei 62,2 Prozent; 2003 60,7 Prozent bei der Landtagswahl: Das ist Geschichte, vorbei und aus.

Aber unter 30 % mit weiterer Tendenz nach Süden ist verheerend. 

Verantwortlich dafür ist Markus Söder. Denn seine Wahlkampfstrategie ist kläglich gescheitert – er hat das nach außen oft zänkisch wirkende, aber im Ergebnis wirksame Zusammenspiel mit der CDU vernichtet, und damit einen Platzvorteil aufgegeben.

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Historisch gesehen, so argumentiert der Wahlforscher Herman-Josef Binkert, wurde vielfach die längst linkelnde CDU außerhalb Bayerns gewählt, weil es die CSU mit ihrem rechtskonservativen, scheinbar korrigierenden Kurs gab. Die Hoffnung vieler konservativer, CDU-nahen Wähler war: Die Bayern bringen oder halten die CDU schon auf Kurs, auch wenn die CDU anhaltend nach links rückt. Jahrezehntelang war es so; die CSU war aus Sicht der Wähler der konservative Flügel der CDU und machte diese erträglich, konsumierbar. Das drückte sich aus in CSU-Freundeskreisen außerhalb Bayerns oder in der Möglichkeit, „virtuell“ Mitglied der CSU sein zu können auch ohne Wohnsitz unter dem weißblauen Himmel.

Das hat Söder verspielt. Mit seinem rabiaten grün-roten Linkskurs, zuletzt manifestiert in der Forderung nach einem Mietendeckel nach Berliner Muster für alle Metropolen, ist er nicht mehr das Korrektiv, sondern Antreiber des Linksrucks. Egal ob Energiewende oder Einwanderung – längst sind die CSU und ihr Berliner Innenminister Horst Seehofer zu Merkels Erfüllungsgehilfen degeneriert. Warum soll man sie wählen, wenn sie ohnehin rot-grüne Forderungen umsetzt, wie etwa die Offenhaltung der Grenzen für Migration und die Hinnahme des Inflationskurses der Europäischen Zentralbank? Die CSU unter Söder hat ihr Profil verloren, ist inhaltlich nur noch ein schräger Landesverband der CDU. Zum Gesamtergebnis im Bund hat die CSU immer rund 20 Prozentpunkte beitragen. Die werden jetzt fehlen, wenn Armin Laschet seine künftige Fraktion durchzählt – und die CSU wird zur Regionalpartei ohne Kraft für bestimmende Politik. Aber auch andersherum klappt es nicht mehr, seit Söder dilettiert:

Denn umgekehrt wählten viele Bayern, denen eigentlich die CSU zu schwarz war, trotzdem diese Partei, weil sie die CDU als Garanten eines liberal-konservativen Kurses sahen. Wie kommunizierende Röhren ergänzten sich CDU und CSU.

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Unter Söder wird kein CDU-Anhänger in Bayern noch CSU wählen: Zu brutal ging Söder im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur gegen Laschet vor und demontierte ihn. Sein persönlicher Machtanspruch, seine erkennbare Gier nach Ruhm und Ehre, die sie in den bayerischen Medien täglich vorgeführt erhalten, schrecken viele bedächtige Wähler ab. Und diese Wähler finden eine Alternative in den „Freien Wählern“, die gut und gerne auf 10 Prozent in Bayern kommen werden. Zwar ist das ein konfuser Haufen, der sein Parteiprogramm gendert, die verkorkste Energiewende feiert und menschliches Leben gerade nicht so schützt, wie man es von Konservativen erwartet: Tötung auf Verlangen und andere Forderungen könnten eher bei linken Parteien Platz haben. Aber ihr fröhlich im Dialekt dauerstolpernder Vorsitzender Hubert Aiwanger, der persönlich das Programm seiner Partei in seinen Untiefen gar nicht wahrgenommen hat, überdeckt das mit seinen Lodenanzügen. Das reicht, um die vielen Stimmen der Söder-Hasser im Trachtenhut aufzufangen.

Söder ist damit der Problembär nicht nur für die CDU, sondern auch für seine eigene Partei, die CSU.

Abwehrschlacht bis zur Selbstaufgabe

Auch Richtung AfD liegt er taktisch daneben. Söder arbeitet ehrgeizig an der Dämonisierung der AfD als unwählbar. Dabei hat die AfD längst aus der CDU und CSU ein Maximum an Wählern abgezogen; in Bayern hat die AfD mit 12,4 Prozent das beste Ergebnis in den alten Bundesländern geholt. Die Stärke der AfD in Bayern wurde überdeckt von den weit höheren Prozenten in den neuen Bundesländern – aber im Westen ist Bayern eine starke AfD-Provinz und die Bevölkerungsstärke entspricht annähernd allen neuen Bundesländern. Mehr wäre für die AfD aus der Union vermutlich nicht zu holen gewesen – neue Wählerschichten kann sie sich eher aus dem Potential von Linken und SPD erschließen. Die Dämonisierung auch durch die Union verhindert jetzt, dass SPD und Linke ihre Wähler und damit Kraft an die AfD verlieren. Jetzt rächt sich eine Politik, die die AfD nicht ins Kalkül zynisch einbezieht, sondern sie blindwütig bekämpft, ohne zu sehen, dass so nur die ganz linken Konkurrenten gestärkt werden.

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Söders Kurs ist umso schlimmer, weil er eigentlich in Bayern politisch keine Gegner hat. Die SPD zerfleischt sich notorisch selbst in endlosen Flügelkämpfen; 15,3 Prozent bei der letzten Bundestagswahl und 9,7 bei den Landtagswahlen – tiefer geht es eigentlich nicht mehr. Die Grünen mit der Spitzenkandidatin Katharina Schulze sind zwar Lieblinge der Medien, aber ernst nehmen kann diese Partei in Bayern niemand. 

Gegenwind sogar vom Bayerischen Rundfunk

Söder wie Laschet leiden jetzt unter einem Gegenwind, den sie nicht erwartet haben. Dieser Gegenwind wird von den Blättern der Leitmedien und den öffentlich-rechtlichen Sendern erzeugt. Umstandslos sind diese vom Jubel über Annalena Baerbock nach deren kreativem Umgang mit der Wahrheit und finanziellen Unregelmäßigkeiten umgeschwenkt auf eine Pro-Scholz Kampagne. Und die wirkt. „Die veröffentlichte Meinung hat einen starken Enfluss auf die öffentliche Meinung“, bilanziert INSA-Wahlforscher Binkert.

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Scholz wird hochgeschrieben und gewinnt, Baerbock wie auch Laschet und Söder verlieren im gleichen Maße. Scholz ist nicht Kandidat der SPD, die ihn nur widerwillig erträgt, so lange er funktioniert, aber Liebling der Medien. Selbst der Bayerische Rundfunk, lange eine Art Außenstelle der CSU-Presseabteilung und durchsetzt mit Parteigängern, emanzipiert sich und bejubelt die mögliche neue rotgrüne Regierungskoalition ohne schwarze Sprenkel.

Geschichte der CSU

Damit droht der CSU eine Art Blackout. Denn ihre Stärke war die enge Verbundenheit mit den Wählern. Die CSU war ja immer vielgesichtig: Sie modernisiert den verschlafenen Agrarstaat nach 1945 mit Industrieansiedlungen, erstmals in seiner Geschichte mit einer preisgünstigen Energieversorgung: zunächst mit Ölpipelines nach Triest, dann mit Kernenergie. Einerseits industriell orientiert band sie aber auch Handwerker und Bauern an sich; Edmund Stoibers legendäres Bild vom „Laptop und Lederhose“ war lange gelebte Realität. So sorgte sie dafür, dass die Modernisierung ohne größere soziale Konflikte ablaufen konnte und die gesellschaftlich-politische Stabilität Bayerns nie ernsthaft gefährdet war.

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Während in Nordrhein-Westfalen Steuermittel in den Kohlengruben buchstäblich versenkt wurden, baute Bayern seine am damaligen Ostrand abgehängten Städte wie Passau und Regensburg zu strahlenden Universitätsstädten um und überzog das Land mit Wissenschaftsstandorten in Form von Fraunhofer-Instituten und anderen Forschungseinrichtungen, zentrierte die Luft- und Raumfahrt um München und päppelte mit BMW und Audi die Automobilindustrie. Wütend forderte die frühere NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in den Nuller-Jahren einen Ausgleich für ihr Ruhrgebiet und Milliarden über den Länderfinanzausgleich – aber da hatten die Bayern schon Konzerne und Innovation in ihren Landesgrenzen angesiedelt und ernteten die Früchte der 60er und 70er Jahre. „Die CSU strebte im Grunde eine Art dauerhaften Gesellschaftspakt zwischen großindustriellen und mittelständischen Kräften an, um das gesellschaftlich-politische System langfristig stabilisieren zu können,“ notierte der Parteienforscher Alf Mintzel schon 1977 in seiner „Geschichte der CSU“.

Jetzt könnte sie wirklich Geschichte sein. 

Denn von Söder ist in Hinsicht Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft nichts zu spüren. Sein einziger Beitrag zur Digitalisierung ist die unglückliche Dorothee Bär, die ihr Thema komplett verfehlte. Die früher eindrucksvolle intellektuelle Stärke der CSU ist eben eingedampft auf das Niveau von billigen Sprüchemachern. Das aber im Dirndl.


Ihre Wette zur Wahl nehmen wir ab sofort entgegen. Unsere Buchmacher öffnen ihre Schalter. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (26.09.2021) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 27.09.2021, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auf die Gewinner wartet:

1. Platz: eine Flasche Champagner von Roland Tichys Tante Mizzi aus Verzy
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl

Abstimmung geschlossen

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