KAppitalismus: App-Kapitalismus in der Share-Ökonomie

Angeschmuddelt, aber folgenreich: Economist untersucht, wie Apps das älteste Gewerbe revolutionieren - und alle anderen gleich mit.
Marktmacht, Markenversprechen, Marketing: alles perdu

Freilich gab es Privat-Zimmer und Mini-Pensionen schon immer. Neu ist aber, dass das Ein-Bett-Hotel heute per App ebenso leicht auffindbar ist wie das 500-Zimmer-Hotel. Die explosionsartige Verbreitung von Information und Findbarkeit zerstört den Vorsprung großer Anbieter: Früher fragte nach Hilton, wer ein Hotel suchte; heute findet man Oma Hempel`s Bed&Breaktfast ebenso schnell. Die neue Informationsökonomie und die elektronischen Vermarktungsmöglichkeiten hebeln Marktmacht, Markenversprechen wie Marketingstrategien der großen Anbieter aus.

Das ist eine entscheidende Veränderung, deren Auswirkungen noch nicht gedacht und kaum untersucht sind. Die Big Player, Staat, Gewerkschaften, Konzerne geraten unter Druck. Dabei hatten sie es sich so schon eingerichtet untereinander in den vergangenen Jahrzehnten.

Kein Wunder, dass das etablierte, besteuerte und regulierte Gewerbe vor Wut schäumt über die neuen Billiganbieter. Und genau hier liegt der Punkt, an dem das Ganze kippt: Mit Regulierung wurden bislang Branchen wie das Taxi-Gewerbe vor Konkurrenz geschützt – aber eben jene Regulierung verteuert die Produktion, treibt die Kosten. Die neue Konkurrenz räumt am leichtesten und schnellsten da ab, wo die jeweiligen Standards an Regulierung, Löhnen und gepflegten Arbeitsbedingungen am höchsten, sprich: aus der Sicht des Kunden am teuersten sind. Ein neuer Raum von unkontrolliertem Kleinkapitalismus öffnet sich. Jede Menge neuer Anbieter und Selbständiger treten an, deren Angebot bisher nicht auffindbar gewesen oder deren Qualitätsniveau nicht nachprüfbar war.
Kein Wunder auch, dass DGB-Chef Reiner Hoffmann in einem lesenswerten SPIEGEL-Interview (34/2014) über „neue Formen der Ausbeutung“ schäumt und die Politik dazu veranlassen will, dass „Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregeln auch für die neuen digitalen Angebote“ verpflichtend werden. Aber wenn Hoffmann von „moderner Sklaverei“ spricht, übersieht er, dass es gerade die weniger Gutverdienenden sind, die sich nebenher als Fahrer oder Mini-Hotelier, vielleicht als Heim-Friseurin oder Privat-Klempner einen schnellen Euro verdienen – ganz ohne Sozialabgaben und Steuern, brutto für netto. Da mag man lange über die Vorzüge des Sozial- und Steuerstaates reden – am Ende zählt der Preis.

Neue Grenzen für Staat und Konzerne

Das kann man jetzt alles noch sehr theoretisch untersuchen. Nach der „transaction cost theory“ von Ronald Coase (Coase 1937: The Nature of the Firm) existieren Unternehmen nur, weil es billiger ist, Angestellte zu beschäftigen als jeden Tag auf´s Neue deren Können einzukaufen. Coase gilt weiter; nur wird es in manchen Fällen billiger, sich per App zusammenzufinden, statt feste Arbeitsverhältnisse anzubieten. Im übrigen gibt es ja eine ideologische Vorliebe für „Small is Beautiful“. Aber klar ist auch: Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte sowie ein allmächtiger Staat, gehen am besten mit großen Unternehmen zusammen. Viele Kleine entziehen sich dem Sozial-, Steuer- und Gewerkschaftsstaat des 20. Jahrhunderts. Das haben sich auch die Apologeten von „Small is Beautiful“ anders vorgestellt, irgendwie solidarischer. Aber Solidarität ist im unendlichen Raum des Virtuellen kein Wert; Solidarität ist an persönliche Beziehung gebunden. Gerade die aber löst sich auf und wird ersetzt durch eine auf’s Ökonomische reduzierte App-Beziehung.

Allerdings stellt das wenigstens einen Teil der Wirtschaftswelt auf den Kopf.
Neuerdings können kleinste Unternehmen wieder einen wachsenden Raum ausfüllen und die Allmacht großer Unternehmen wenigstens an den Rändern  begrenzen – aber was heißt Ränder? Verlage, einst Giganten der Informationsverarbeitung, schrumpfen, weil Blogs ganz ohne große Druck- und Vertriebsapparate auskommen; Hotelketten fürchten Einzelzimmer-Anbieter; Ubers Börsenwert übersteigt längst den von Avis und Hertz mit ihren Mietwagenflotten. DER SPIEGEL nennt das den „kalifornischen Kapitalismus“. Besser ist der hier verwandte Begriff KAppitalismus, weil er auf den Verursacher verweißt.
Denn der neue KAppitalismus ist die technisch ermöglichte Wiedergeburt eines urwüchsigen Mini-Kapitalismus, der umso leichter da wuchern kann, wo Staat, Regulierung und Zwangsabgaben besonders belastend sind. Der KAppitalismus wird den überregulierten Sozialstaat, seine Mammutbehörden und seine Geldgier nicht abschaffen. Aber er begrenzt das Wachstum von Big Government und Abgabenbelastung. Das wäre ja schon mal ein Erfolg.

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