Profit für andere

Die Deutschen schauen hilflos zu, wie sie mit Niedrigzinsen verarmen – und andere mit deutschen Aktien reich werden. Dumm gelaufen.

Nach dem Sparbuch, der Riester-Rente und den Lebensversicherungen sind jetzt die Betriebsrenten dran: Auch diese Form der Altersversorgung wird notleidend; die Betriebsrenten werden um ein Drittel dahinschmelzen. Die Deutschen scheinen ein tragisches Volk zu sein: Sie arbeiten hart, nehmen Gehaltseinbußen hin, um Arbeitsplatz und Export zu sichern, verdienen gut, sparen viel – und werden doch immer ärmer. Das kommt davon, wenn man sich auf Staat und Politiker verlässt, die zwar üppige Sozialleistungen versprechen, aber doch nur trocken Brot liefern – bestenfalls. Wie in einem Taumel verteilen die Verhandlungsrunden der großen Koalition immer neue Wohltaten, die sich bei genauerem Hinschauen dummerweise in Belastungen verkehren – eine groß angelegte Verarmungspolitik nimmt ihren Lauf.

Das Volk mit der größten Wirtschaft in Europa fürchtet Massenarmut im Alter – wo doch die deutsche Wirtschaft von einem Erfolg zum nächsten eilt. Nur eben ohne die Deutschen. Rund 60 Prozent der Aktien der Dax-Unternehmen sind in ausländischer Hand. Die Hausse an der Börse, immerhin stiegen die Kurse in diesem Jahr um gut 20 Prozent, hat der deutsche Michel verpennt – die Deutschen leben in einem Kapitalismus ohne Kapitalisten: Noch extremer beim auf Technologieunternehmen spezialisierten TecDax – plus 37 Prozent. Die Deutschen arbeiten brav für den Profit der anderen.

Börse, Kapitalismus, Spekulation und Risiko sind Teufelszeug, so die herrschende veröffentlichte Meinung. Die Politik ist eifrig dabei, die Anleger vor sich selbst zu schützen. Immer neue Steuern wie jetzt die Finanzmarkttransaktionsteuer, unsinnige Regulatorien und immer noch höhere Besteuerung von Aktien sollen die Menschen vor dieser Form der Geldanlage bewahren und die Sparmilliarden in Staatspapiere lenken, deren Wert ständig sinkt – oder sie in politisch korrekte, wirtschaftlich sinnlose Grünenenergiewerte versenken. Immer wieder aufs Neue werden die alten Horrorstorys vom Neuen Markt erzählt wie Grimms Märchen vom bösen Wolf. Unterschlagen werden die unglaublichen Erfolgsstorys derjenigen, die weitergemacht haben, und der Überlebenden. Wer in der Krise des Neuen Marktes beispielsweise Aktien von United Internet kaufte, konnte sein Spielgeld vervierzigfachen.So gefährden die Deutschen sogar langfristig ihren gesamten Wohlstand: Neidisch schaut man auf die ungeheuren Milliardenerfolge der Internet-Giganten Google, Amazon, Facebook und Apple. Die Deutschen sind nicht dümmer, nicht fantasieloser, nicht fauler – nur eben feige und ihre Unternehmen daher unterfinanziert: Deutschen Gründern fehlen die Millionen, mit denen Google oder Facebook in der Gründungsphase die Märkte aufgerollt haben. Im Entry-Standard der Deutschen Börse, wo junge Unternehmen Börse lernen sollen, haben 74 Unternehmen seit 2005 ganze 930 Millionen Euro Kapital aufgenommen. Der noch immer defizitäre Mediendienst Twitter hat nur bei seinem Börsengang Anfang November rund 1,3 Milliarden Euro in New York eingenommen und kann jetzt mit prall gefüllter Kriegskasse so richtig loslegen – undenkbar in Frankfurt.

In diesem Heft beginnt eine vierteilige Serie der WirtschaftsWoche „Mut zum Risiko“. Wir stellen junge Wachstumsunternehmen vor, die meisten unbeachtet, unterkapitalisiert, unterbewertet – und doch tragen einige den Keim des künftigen Erfolgs in sich. Es ist Zeit, sich aus der Lethargie des Zuschauens und Verarmens, aus dem dumpfen Glauben an die rettende Kraft der Politik zu lösen.

(Erschienen auf Wiwo.de am 23.11.2013)

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