Immer radikaler und brachialer – zieht Berlin nach Weimar um?

Die Weimarer Republik ist als Demokratie gescheitert, weil ihr Demokraten fehlten. Die Berliner Republik droht daran zu scheitern, dass selbsternannte Demokraten die Demokratie zerstören. Zunehmend aber gibt es ein wachsendes Unbehagen auch bei Linken über den versuchten Abbau der Demokratie.

IMAGO

Ein Warnhinweis: Geschichte wiederholt sich nicht. Historische Analogien sind oft genug beliebig, herausgezupft aus einem Bündel von Ereignissen, die auch anders gedeutet werden könnten. Die Weimarer Republik, so die übliche Deutung, ist daran gescheitert, dass sie als Demokratie zu wenig überzeugte Anhänger hatte – viele Deutsche hingen der autoritären Monarchie an, wieder andere folgten erklärt antidemokratischen Parteien wie der KPD und NSDAP. Über immer neue Notverordnungen des Reichspräsidenten höhlten die demokratischen Institutionen aus, bis auf dieser Basis mit dem Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes Hitler die Macht ergreifen konnte. Schwarz-Rot-Gold wurde durch das Hakenkreuz ersetzt.

Schwarz-Rot-Gold – die Fahne kommt weg

Seit Angela Merkel auf der Siegesfeier der CDU 2013 ihrem damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe ein Deutschland-Fähnchen aus der Hand nimmt und es von der Bühne entfernt, gilt die – seit 1848 – Fahne der Demokraten wieder als degoutant. Selbst auf den Bauerndemonstrationen sieht man sie nicht gerne, weil sie von den Kritikern als Indiz dazu benutzt wird, um die angebliche rechte Unterwanderung der Landwirte zu belegen. An den französischen Traktoren weht ganz selbstverständlich die Trikolore. Aber Schwarz-Rot-Gold bei den deutschen Bauern? Dann müsse man von „Rechtsprotesten“ sprechen, sagt ein CDU-Funktionär. Umgekehrt: Wer auf den „Demos gegen Rechts“ mitläuft, muss wissen: Die Fahne der Demokraten sei „ausdrücklich verboten“, berichten Beobachter von den Aufzügen. Dies sei durch die Veranstalter mehrmals bekannt gegeben worden.

— rosebud (@rosebud25681480) January 26, 2024

Ist das alles nur ein bedeutungsloses Stück Stoff, das jederzeit, wie neuerdings auch auf dem Reichstagsgebäude oder Ministerien und Behörden zulässig, von einer Regenbogenfahne ersetzt werden kann? „Heute sind die Farben Schwarz-Rot-Gold national wie international unumstritten und stehen für ein weltoffenes, vielfach geachtetes Land“, schreibt der Deutsche Bundestag auf seiner Website. Nicht mehr bei der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien. Das Identifikationsmerkmal, um das sich die Bürger des Landes in Verbundenheit scharen sollten, wird ersetzt durch die Regenbogenflagge, die mit immer neuen Winkeln und Farben ergänzt wird, um ja auch alle noch so kleine Gruppierungen als Träger der Staatsmacht zu berücksichtigen. Die Farben für die Mehrheit finden sich nicht mehr darin.

Dabei könnte man stolz sein auf die Freiheitsfahne – aber sie wird umgewertet als Fahne von Nationalisten, Rechten, Faschisten und anderen -isten. Das zeigt nur die komplette historische Unbildung, oder besser gesagt: Dummheit – die neuerdings allerdings als fortschrittliche und vorgeschriebene Haltung gilt.

Und so ergeht es vielen historischen Ereignissen, die in jüngster Zeit in eigenen Sinnen umgedeutet werden. Bezeichnend, dass Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die „Demos gegen Rechts“ mit den Montagsdemonstrationen der untergehenden DDR gleichsetzt. Was sie übersieht: Die Montagsdemonstrationen richteten sich gegen Partei und Staat, und der beschimpfte die Demonstranten als Rechtsradikale. Heute sind die Demonstranten Linke, die für den Staat und gegen die Opposition sind – die CDU gleich mit. Historische Unbildung hat Platz gegriffen im zweithöchsten Staatsamt, das diese intellektuell herausgeforderte Dame vertritt.

Demokraten zerstören die Demokratie – immer brachialer

Und so geht alles durcheinander im neuen Ampel-Deutschland. Selbsternannte Demokraten wollen angeblich die Demokratie verteidigen und schleifen und brechen ihre Symbole, ihren Wesenskern und die Institutionen des demokratischen Rechtsstaats. Parteienverbote gibt es nur in Deutschland; sie sind eben kein Merkmal einer „wehrhaften Demokratie“, sondern antidemokratische Zwangsmaßnahmen. Einem Oppositionspolitiker die Bürgerrechte aberkennen zu wollen, ist sonst nur in Autokratien wie Russland und China möglich; nicht in demokratischen Staaten.

Private Gesprächsrunden als Orte möglichen „Hochverrats“ zu denunzieren, wie es mithilfe weisungsabhängiger Staatsanwaltschaften versucht wird – Demokratie ist anders. Kampagnen halbstaatlicher Organisationen gegen abweichende Meinungen, Bespitzelungen, Überwachungen, Verleumdung mit Staatsgeld finanziert und von Ministern bejubelt: Das ist der Zustand nach zwei Jahren Ampel. Und es geht jeden Tag weiter.

Wenn Innenministerin Nancy Faeser ankündigt, die Finanzströme rechter Netzwerke durchleuchten und unterbinden zu wollen, dann ist das ein eindeutiger Verstoß gegen das Allgemeinheitsgebot nach Artikel 19 Grundgesetz. Dass immer neue Milliarden aus dem Staatssäckel in sogenannte Nicht-Regierungs-Organsisationen (NGO) umgeleitet werden, die den Willen der Regierung notfalls im Straßenkampf durchsetzen sollen, macht diesen Vorgang besonders bemerkenswert. Es darf eben nur eine Meinung geben. Dazu gehört die Denunzierung jeder anderen: Nicht-demokratisch ist, wenn Zeitschriften nicht mehr an die Kioske gelangen – dabei ist das bestehende Monopol der Vertriebsunternehmen ausdrücklich damit gerechtfertigt, dass ein diskriminierungsfreier Vertrieb sichergestellt werden soll. Jetzt wird das Monopol zum Ausschluss eingesetzt.

Da brandet statt Entsetzen Jubel auf – neuerdings ist der Jubel über die physische Einschränkung von Meinungsfreiheit groß. Meinungsfreiheit in Deutschland ist, wenn Medien die Vorgaben der Regierung variieren. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Meinungsfreiheit wird durch ihre Einschränkung verteidigt …

Der Schritt ins Lächerliche ist da unvermeidlich

In Berlin stellte die AfD einen winkenden Schneemann vor einem Versammlungsraum auf. Der Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA) prüfte und eine Hauptkommissarin schrieb die AfD Pankow an: „Aufgrund eines hier vorliegenden Tätigkeitsberichts zu einer aufblasbaren Schneemannfigur mit erhobenem rechten Arm (sogen. Deutscher Gruß) bitte ich Sie dringend um Kontaktaufnahme.“ Die AfD teilte dem LKA mit, dass es sich um eine im Online-Handel verbreitete Plastik-Figur handelt.

Werden bald Winkekatzen aus Thailand verboten – oder uminterpretiert? Denn in der demokratisch gesinnten Öffentlichkeit regt sich immer mehr Widerstand. In Fußballstadien erregen Spruchbänder mit dem Satz „Es gibt nur einen lächerlichen DFB … und zwei Geschlechter“. Nun kann man ja auch der Meinung sein, dass es viele Geschlechter gäbe, aber die gegenteilige und biologisch gestützte Position vor ein Gericht zu bringen und mit Strafe in fünfstelliger Höhe zu belegen, ist fatal.

Das Vorgehen des SPD-dominierten DFB zeigt, dass die neue „amtliche“ Sichtweise im „Gleichstellungsgesetz“ mit juristischer Gewalt durchgesetzt werden soll. Biologische Grundtatsachen kollidieren mit einer Regierung, die ihr „Gleichstellungsgesetz“ durchsetzen will; es soll Kinder sexueller Indoktrination ausliefern und ein Weltbild durchsetzen, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Die Lüge soll zur Staatsräson werden. Das kann nur mit zunehmendem Zwang gelingen. Also wird er installiert.

Wachsweiche Begriffe wie „Hass und Hetze“ sollen Zustimmung erzwingen und Widerspruch ausschalten. Flächendeckend werden beispielsweise von den jeweiligen Staatsschutzämtern Leserzuschriften in Online-Portalen, auf Twitter, Facebook und selbst in ausschließlich privat genutzten Chatgruppen überprüft. Jetzt durchsuchen die Polizeibehörden anonyme Zuschriften, decken Internetkontakte auf und verfolgen Autoren, die ihrem Ärger Ausdruck verleihen. Was früher durch das Öffnen von Briefen geschah, erfolgt durch Mitlesen eines allgegenwärtigen „Staatsschutzes“.

So entsteht ein Überwachungsstaat, der jedes Wort prüft, kontrolliert und sanktioniert. Nur Zustimmung ist erlaubt, harsche Kritik wird als „Hass und Hetze“ verfolgt. Die AfD-Politikerin Leyla Bilge erhielt einen Strafbefehl von 5.000 Euro neben Verfahrenskosten für ihre Bewerbungsrede auf dem Parteitag in Magdeburg. Dort habe sie queere Personen unter anderem als Gender-Lobby“ bezeichnet und als Satansbrut“ beschimpft, in diesem Zusammenhang für den Schutz von Kindern vor „der Perversität einer gestörten, pädophilen Community“ plädiert und in Kauf genommen, „dass Menschen, die sich der queeren Gemeinschaft in Deutschland zughörig fühlen erheblich in ihrem Ehrgefühl verletzt würden“. So das Schreiben des Staatsschutzes.

Wehe, Ampel-Gruppen sind beleidigt

Es ist dieselbe Konstruktion wie bei Plakaten im Fußballstadien oder bei Erklärungen im Bundestag: Eine der Ampel wichtige Gruppe könne sich verletzt fühlen und wird wegen dieses Gefühls unter den Schutz der Staatsschutzbehörden gestellt. Dass in der Vergangenheit das Bundesverfassungsgericht die Meinungsfreiheit bewusst weit bis in den Bereich der scharfen und verletzenden Formulierung gefasst hat – Vergangenheit. Auch schon nur angenommene Weinerlichkeit wird zur Bestrafung umgemünzt. Die Fälle häufen sich tausendfach. Während Straßen und Plätze polizeilich nur noch selten kontrolliert und überwacht, Gewalttaten hingenommen werden, wird das Internet, das Forum der Worte, Reden und Chats durchleuchtet. Dafür ist Personal da – für die Streife in No-Go-Areas wie rund um den Hauptbahnhof eher weniger.

Der sorgsame Umgang mit den Gefühlen der regierungsnahen Klientel steht in scharfem Kontrast zum Umgang mit jenen, die nicht dazu zählen. In Berlin zerschmetterte ein arabischstämmiger Student einem jüdischen Kommilitonen das Gesicht. Das sei übliche politische Auseinandersetzung, erklärt die SPD-Bildungssenatorin Ina Czybora dazu und verweigerte sogar die Exmatrikulation des Schlägers – Gefühle sind eben Bewertungssache, Schmerzen müssen jüdische Bürger ertragen, wenn sie als solche erkennbar sind. So zerstören Ideologie und Politik nach „Haltung“ die rechtsstaatlichen Institutionen. Bislang galt ein Parteienverbot als Privileg des Bundesverfassungsgerichts. Neuerdings darf die weisungsabhängige Behörde „Bundesverfassungsschutz“ Gruppen als „gesichert verfassungsfeindlich“ öffentlich brandmarken und ausschließen – ohne Gerichtsverfahren, ohne Verhandlung, ohne Rechtsweg. Wer noch gewählt werden darf, will ausgerechnet die Innenministerin bestimmen. So hält man Konkurrenz klein.

Unter der Behauptung, die Demokratie zu verteidigen, entsteht schemenhaft ein Linksstaat, der seine Klientel finanziert und pflegt, gleichzeitig Kritiker aus Medien und Politik ausschließt und jederzeit wegen „verletzter Gefühle“ seiner Klientel Kritiker in den finanziellen Ruin oder gar ins Gefängnis werfen kann. Zieht Berlin nach Weimar um? Nicht unwidersprochen. Immer wieder gibt es einzelne Richter, die sich davon nicht beeindrucken lassen. Selbst dezidiert Linken und ausgewiesenen Kritikern der AfD wird es allmählich unheimlich, die selbst Begriffe wie „totalitär“, „böswillig“ oder „missbräuchlich“ ins Feld führen – auch sie beginnen zu ahnen, dass Meinungsfreiheit, Rechtsstaat und Demokratie unteilbar sind und sie selbst bei passender Gelegenheit die Nächsten sein könnten.

Das Unbehagen an der von Innenministerin Nancy Faeser geforderten Gesinnungsprüfung von Beamten und der dienstrechtlichen Entlassung schreckt auch staats- und rechtstreue Beamte, die nicht nur Duckmäuser sein wollen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat zwar die Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Unterbindung von Finanzströmen extremistischer Gruppen begrüßt, und sogleich auch die Ausweitung auf islamistische Gruppen gefordert. Wie wäre es mit vermeintlichen Steuerhinterziehern, Alimente-Schuldnern, missliebigen Vereinen und Parteien? Klar ist: Jeden kann die neue Willkür treffen, sollten sich Politiker wie Faeser durchsetzen.

Den Bürgern der Weimarer Republik war Demokratie neu – heute könnte sie doch fester in den Köpfen verankert sein, auch wenn derzeit ein Kampf gegen fiktive Rechte einschließlich CDU und die Fata Morgana einer rechtsradikalen Machtübernahme organisiert wird. Aber auch andere Gruppen demonstrieren, weshalb sie in den Staatsmedien unterschlagen werden: Bauern und Mittelstand wehren sich zunehmend offensiver und wenn der Druck zu groß wird: subversiv, wie der der Fußballfans in den Stadien, die gegen die staatlich festgelegte Vielzahl von Geschlechtern protestieren. Wer übers Bauern-Land fährt, findet an vielen Orten Galgen – wer daran hängen soll, muss man sich denken.

Eine Regierung aber braucht ein Mindestmaß an Zustimmung und Vertrauen – nur mit der Polizei lassen sich die Kartoffeln nicht ernten. Die Wirtschaftslage trübt sich täglich weiter ein. Immer mehr Leistungsträger schalten ab oder gehen in die innere Emigration, wenn es bis zur Schweiz oder nach Ungarn nicht reicht. Ganz ohne Steuerzahler aber kann kein Staat existieren. Da müsste ja die Klasse der Parteifunktionäre am Ende noch selbst auf dem Feld die Möhren ziehen. Noch leben sie prächtig und glänzend von der „Dividende Ludwig Erhards“, wie es Herbert B. Schmidt, einer seiner letzten Vertrauten, nennt. Aber die wird gerade ratzfatz verzehrt – irgendwann droht den Parteifunktionären und Genossen doch der Eintritt in die Produktion, wenn sonst keiner mehr die Arbeit macht.

Die Weimarer Republik ist als Demokratie gescheitert, weil ihr Demokraten fehlten. Die Berliner Republik droht daran zu scheitern, dass selbsternannte Demokraten die Demokratie zerstören. Zunehmend aber gibt es ein wachsendes Unbehagen auch bei Linken über den Versuch des Abbaus der Demokratie.


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