Berlin: Nach Gewaltangriff auf israelischen Studenten – was „Nie wieder“ wert ist

Nach der brutalen Gewalttat gegen einen israelischen Studenten an der FU Berlin spricht die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) von „Konflikt“ und betont die Meinungsfreiheit. Auch an Reaktionen wie diesen zeigt sich immer wieder, wie viel das groß beschworene „Nie wieder“ tatsächlich wert ist: Es sind reine Lippenbekenntnisse.

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Der brutale Angriff auf einen israelischen Studenten in Berlin am vergangenen Wochenende hat eine Debatte über mögliche Konsequenzen für den Täter nach sich gezogen. Am Dienstag forderte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die Exmatrikulation des deutsch-arabischen Angreifers, der wie das Opfer an der Freien Universität Berlin (FU) eingeschrieben sein soll: „Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen“, erklärte Schuster.

Die FU aber gibt an, dass eine Exmatrikulation „schon formal nicht möglich“ sei. Dabei verweist die West-Berliner Uni auf das Berliner Hochschulgesetz. Tatsächlich hatte die rot-rot-grüne Koalition darin 2021 das „Ordnungsrecht über die Studierenden“ abgeschafft. Davor war noch ausdrücklich die Möglichkeit einer Exmatrikulation bei schwerwiegenden Ordnungsverstößen im universitären Rahmen vorgesehen gewesen. Seitdem sind nur noch Maßnahmen gegen Störungen im Umfang von höchstens drei Monaten möglich. Das könnte etwa ein Hausverbot gegen den Täter sein.

Für dessen Anwendung sprach sich am Dienstag im rbb denn auch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) aus. Dabei griff sie allerdings auf eine Wortwahl zurück, die in den sozialen Netzwerken erhebliche Irritationen auslöste: Zum einen verwies sie darauf, dass Wissenschaft „von Internationalität“ lebe. Natürlich gebe es da „auch dann mal Konflikte auf dem Campus“, die man „eindämmen“ müsse.

Zum anderen positionierte sie sich klar gegen die Forderung nach einer Exmatrikulation und zwar mit dem Hinweis, dass sie eine „Exmatrikulation aus politischen Gründen“ auch „grundsätzlich“ ablehne. Das habe mit ihrer „eigenen Familiengeschichte“ zu tun, erklärte die Sozialdemokratin ohne genaue Ausführung und verwies zudem auf das grundgesetzlich verbriete Recht auf freie Berufswahl.

Mit diesen Einlassungen schoss die Senatorin meilenweit am Thema vorbei. Denn im vorliegenden Fall geht es um eine extrem schwerwiegende Gewalttat. Ziemlich wahrscheinlich ist zudem, dass diese antisemitisch motiviert, mindestens in ihrem Ausmaß durch Judenhass radikalisiert wurde. Das hat nichts mit der Frage zu tun, wie man richtig mit politisch abweichenden, auch extremen Meinungen etwa zu Israel umgeht. Hier geht es um pure Gewalt!

Mit ihren deplazierten Kommentaren erweckte Czyborra den Eindruck, dass sie den Angriff auf den Israeli als „Konflikt“ relativierte und vor allem darum besorgt war, sich schützend vor den Täter und dessen Grundrechte zu stellen. Ein völliger Querschlag, der der Senatorin auch am Tag danach nicht bewusst zu sein scheint, denn am Mittwochmittag bekräftigte sie noch einmal, dass sie Exmatrikulationen „aufgrund politischer Meinungen“ nach wie vor ablehne. Wer bitte hat denn so etwas gefordert?

Zurück bleibt der Eindruck, dass die Politik dazu neigt, insbesondere bei Antisemitismus mit arabischem und linkem Hintergrund entsprechende Taten zu relativieren. Das fällt vor allem auf, wenn man die gedankliche Gegenprobe macht: Hätte die Senatorin auch dann auf die genannten Formulierungen zurückgegriffen und den Schutz der Meinungsfreiheit derart betont, wenn der Angreifer ein Neo-Nazi gewesen wäre? Kaum vorstellbar!

Nun bleibt abzuwarten, wie es im konkreten Fall weitergeht. FU-Präsident Günter Ziegler, dem jüdische Studenten seit längerem eine viel zu große Nachsicht gegenüber Antisemitismus und Israel-Hass an der Uni vorwerfen, hat bereits angedeutet, dass er sich eine stärkere Handhabe für solche Fälle wie den derzeitigen wünscht. Dafür allerdings müsste die Politik aktiv werden. Die Wissenschaftssenatorin scheint dazu kaum bereit.

Wegducken wird nun aber wieder immer schwieriger. Schon jetzt ist klar, dass der Vorfall vom Wochenende die Stimmung an der FU neu angefacht hat: Für Donnerstagmittag hat das linksextrem geprägte „Palästinakomitee“ an der Uni zur Demo gegen „Lügen und Heuchelei“ sowie gegen „die selektive Solidarität der Universitätsleitung“ aufgerufen. In dem auf Instagram veröffentlichten Aufruf haben die Organisatoren eine Karte „Palästinas“ ohne Israel abgebildet. Die FU hat deswegen nach eigener Auskunft Strafanzeige gestellt.


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Kommentare ( 61 )

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Weisheitszahn
2 Monate her

Nichts ist das „Nie wieder“ wert, natürlich. Die Karten sind hier längst verteilt und in Deutschland hat sich alles, was „aufrecht“ linientreu ist, doch längst dem Islam zu Füssen geworfen – oder ist unterwandert von inzwischen 25% Bürgeranteil Muselmanen. Als Jude kann man hier nur noch die Koffer packen wie Anno 33. Ich habe heute einen Bettelbrief von der katholischen! Missio bekommen mit dem Aufruf zur „Hilfe für das heilige Land“ und hatte mit gewissem Wohlwollen unterstellt, dass es wohl doch noch einige zu geben schien, denen die deutsch-jüdische Verbundenheit etwas bedeutet. Gerade hatte ich meinen Kugelschreiber gezückt, um unseren… Mehr

Charlotte Fink
2 Monate her

Vielen Dank in diesem Zusammenhang an Volker Beck für seine klaren Aussagen im Interview bei Welt TV!

Micky Maus
2 Monate her

Sicher wird das zu 100% vertuscht oder herunter gespielt. Jetzt stellen sie sich mal vor, der Schläger wäre ein AfD Anhänger oder gleich Rechter oder auch gleich ein Nazi gewesen, dann wäre dies schon den ganzen Tag in den Medien an oberster Stelle und Sondersendungen über die angeblich „antisemitische AfD“ würden im Morgen,-Mittags und Abendprogramm ohne Unterlaß laufen.

St.Elmo
2 Monate her

Der Migrationshintergrund oder das die Tat antisemitisch motiviert war sollte keine Rolle spielen. Wer einen Komilitonen Krankenhausreif schlägt hat einer einer Uni nichts verloren.
In jeder Firma wäre ein Azubi fristlos entlassen wenn er einen anderen Mitarbeiter zusammenschalgen würde.

Moses
2 Monate her

Irgendwas stimmt nicht im Kopf dieser Wissenschaftssenatorin. Sie betrachtet also wilde Barbarei gegen jüdischen Studenten als politischer Streit, „aufgrund politischer Meinungen“.Für diese Dame ist also der gewalttätige Antisemitismus eine bloß politische Meinung.
Na ja. Harvard lässt grüßen. Sie sollte ihre Arbeit wohl wechseln.

Radikaler Demokrat
2 Monate her

Das sollte ja wohl für eine Abschiebung oder den Entzug des Aufenthaltsrechts ausreichen, aber das wäre ja wieder „rechts“…

Damon71
2 Monate her

Die BuReg beknnt sich zwar mit Worten zu Israel aber es sind allein die Taten die zählen, und die sehen so aus das die Hamas weiter mit deutschem Steuergeld finanziert wird. ich bin überrascht das die Israelis das so hinnehmen.

Micky Maus
2 Monate her
Antworten an  Damon71

Was sollen aber die hier lebenden Israelis gegen diese verlogene deutsche Politik unternehmen? Mit ständigen Hinweisen auf 1933 und die angeblich Deutsche Staatsräson kann man diese Politkasper (deutsche Regierung) nicht mehr an ihren Schwur „Nie wieder“ binden ! Dieses „Nie wieder“ ist in Deutschland durch diese Lügenregierung zu einer einfach so daher gelaberten Floskel herabgesunken. Sehr traurig!!!

Ein Mensch
2 Monate her

Was sie dabei aber nie vergessen dürfen!!! Die wahre Gefahr kommt von Rächtz!!! Es könnte ja sonst Jemand auf die Idee kommen sie verharmlosen diese Tatsache. Diese kleine Rangelei unter Studenten soll nicht davon ablenken, das in erster Linie die AfD, Russland und der renitente Ossi der Feind sind. Nachdem das geklärt wurde gehen sie bitte weiter, es gibt nichts zu sehen.

Rainer Schweitzer
2 Monate her

Das alles zeigt ganz klar, daß eine politische Meinung, die dem Gegenüber mit Fäusten und Füßen ins Gesicht appliziert wird, keine Gewalt ist, sondern immer noch eine politische Meinung. Jedenfalls dann, wenn sie gegen Juden und Rechte vertreten wird. Oder sollte man zugetreten sagen? Jedenfalls erfordert die „richtige“ Meinungsfreiheit manchmal robustes Schuhwerk. Hätte allerdings ein Jude einen Araber krankenhausreif geschlagen b.z.w. getreten, wäre das ein veritabler Genozid. Man müßte dann unverzüglich für das „Nie wieder“ demonstrieren und gegen Nazisemiten, Islamophobie- und Zionistenfaschisten, Nazijuden und für Vielfältig, Bunt Weltoffen, stramm antisemitisch. Ja, so ist das, im „besten Deutschland, das wir je… Mehr

Dieter Kief
2 Monate her

Bei den migrantischen Morden und Vergewaltigungen sind die jüdischen Opfer in Deutschland unterrepräsentiert. – Ein weites Feld…