Ist ein Tanzverbot an Karfreitag noch zeitgemäß?

Drei Jahre lang gab es ein allgemeines Tanzverbot, das sich Corona nannte. Das hat die Debatte darüber erstickt, dass am Karfreitag ein allgemeines Amüsierverbot gilt, zu dem auch das Tanzen gehört. Nur: Ist das noch zeitgemäß?

IMAGO / Everett Collection
Szene aus dem Tanz-Film "Footloose" (1984) mit Kevin Bacon

Wie Feiertage gestaltet werden, ist Sache der Länder. Was den Karfreitag betrifft, regeln die es recht unterschiedlich. So gilt in Bayern ein Tanzverbot schon am Gründonnerstag, das bis einschließlich Samstag Mitternacht dauert. In Berlin beschränkt sich das Verbot rein auf den Freitag und auch da nur von 4 bis 21 Uhr. Vor 21 Uhr gehen in der Hauptstadt aber eigentlich nur Minderjährige tanzen.

Die Coronapolitik bedeutete ohnehin ein Dauer-Tanzverbot. Nun ist im Schatten von Corona eine neue Generation Clubgänger herangewachsen, die sich zum ersten Mal mit dem österlichen Tanzverbot konfrontiert sieht. Nur: Ist das noch zeitgemäß? Darüber diskutieren unsere beiden Redakteure Maximilian Tichy und Mario Thurnes.

Contra – Maximilian Tichy

Deutschland ist kein Gottesstaat. Die Religionsausübung ist frei: frei, sie zu praktizieren, und frei, sie zu unterlassen. Das gilt für das Christentum wie für andere Religionen auch. Wer am Karfreitag zur Ruhe kommen und dem Opfer Christi gedenken will, der soll das tun. Im Privaten soll jeder seinen Glauben ausleben, wie er es für richtig hält. Niemand hat aber das Recht, einem anderen die eigene Trauer aufzubürden. Ein erzwungenes Opfer ist keine Glaubensgeste, sondern eine Zumutung. Absurd wäre es ja auch, Restaurants im Ramadan das Servieren von Speisen tagsüber zu verbieten.

Gerade in diesem Jahr ist es scheinheilig, der Jugend ein „einmaliges“ Opfer abzuverlangen. Verzicht, das ist die Generation Lockdown besser gewohnt als die Generation Discokugel. Vorgeblich um die Alten zu schützen, mussten heranwachsende und junge Leute jahrelang verzichten. Das Normalste auf der Welt, sich mit Freunden zu treffen, wurde kriminalisiert. Wer „illegal“ feiern ging, der gefährdete kein abstraktes Seelenheil, sondern ganz konkret die Großmutter. Dass jene, die nun sowieso zuhause sitzen, von den Jungen wieder einmal verlangen zu verzichten: Das ist übergriffig.

Pro – Mario Thurnes

Es gibt für alles seine Zeit, auch fürs Tanzen. So heißt es in dem Tanzfilm „Footloose“ aus dem Jahr 1984. In dem rebellieren Jugendliche gegen den puritanischen Pfarrer, der das Kaff im Mittleren Westen eigentlich regiert. Die Jugendlichen haben Recht: Es gibt eine Zeit fürs Tanzen. Die umfasst in Deutschland gut 360 Tage im Jahr – das sollte reichen, um sich auszutoben.

Auch die Ruhe, das Kontemplative braucht seine Zeit. Karfreitag ist der richtige Tag dafür. Für Christen, weil sie des Opfers Jesu gedenken, das dieser für ihre Erlösung brachte. Für Unreligiöse, weil der Tag vor der großen Feier, dem großen Sichgehenlassen, wie dafür gemacht ist, in sich zu gehen, zu ruhen und darin Stärke zu finden. Einen Tag nur, danach kann es dann gerne wieder heißen: Footloose!

Debatte

Wie sehen Sie, werte Leser, das Thema? Befürworten Sie ein Tanzverbot oder sind Sie der Meinung, dass sich das in einer Zeit erledigt hat, in der es Jahr für Jahr weniger Christen in Deutschland gibt?

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Kommentare ( 144 )

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Hoc Est
1 Jahr her

Ich bin wahrlich kein Christ. Aber, wer die Kontemplation des Karfreitags in Frage stellt, der soll dann auch Ostermontag arbeiten gehen!

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her
Antworten an  Hoc Est

Aber das kosmische Spaghettimonster gebietet mir 364 Feiertage im Jahr.
Im Ernst, das Argument ist Unsinn. Da kann ja jeder mit seiner erfundenen Gottheit um die Ecke kommen. Entweder Feiertag für alle oder Arbeitstag für alle; die Christen können sich dann ja Urlaub nehmen, wenn sie wollen.

Sidon
1 Jahr her

John Stuart Mill: „Die Freiheit des Einzelnen darf sich nicht zu einer Belästigung für Andere entwickeln.“
In einer Demokratie handeln die Bürger die Regeln des Zusammenlebens aus. Also, lasset uns eine Volksabstimmung machen, ob der STILLE KARFREITAG mit Musik- und Tanzverbot abgeschafft werden sollte.

Rosalinde
1 Jahr her

Warum denn freiwillig auf den bezahlten Feiertag verzichten? Fällt den antichristlichen und wahrscheinlichen Moslemfreunden da auch ein Ersatztag ein?

Deutscher
1 Jahr her

Auch der Glaube an die Wissenschaft hat Hochkonjunkutur – leider nicht nur in der Klimasekte. Vielleicht ist diese sogar nur eine Verirrung der Wissenschaftssekte. Denn mal ehrlich: Wer kann schon selber verifizieren, was Wissenschaftler so publizieren?

Joe X
1 Jahr her

Wenn es am Karfreitag ein Tanzverbot gibt, warum gibt es dann am 30. April zum Tanz in den Mai eigentlich kein Tanz-GEBOT? An 365 Tagen im Jahr darf Herr Thurnes gerne kontemplativ sein, aber auch die Party, das Tanzen braucht seine Zeit.Der Tanz in den Mai ist der richtige Tag dafür. Für Leute, die ohnehin ständig tanzen gehen, weil dann die richtig großen Partys sind, und für Leute, die sonst eher die Ruhe pflegen, um nach dem Winter zu Beginn des Sommerhalbjahr mal einmal so richtig die Sau rauszulassen, bevor man sich wieder in Kontemplation üben kann. Deshalb: Tanz-Verpflichtung am… Mehr

Weisheitszahn
1 Jahr her

Mensch Kinder: demontiert euch doch nicht die eigenen Feiertage. Wenn wir nicht zu unseren traditionellen Wurzeln stehen, gibt es in zwanzig Jahren nur noch BLM-Day, Gay-Day, Veggie-Day, Women-Day und natürlich die von unserem Bundespräsidenten so leidenschaftlich zelebrierten Ramadan und Zuckerfest. Da könnt ihr dann den ganzen Tag auf nem CSD-Wagen oder zu arabischer Folklore-Musik tanzen… Abgesehen davon bin da bei Herrn Thurnes: Jedes Ding hat seine Zeit und die – natürlich dem christlichen Kern unserer westeuropäischen Kultur folgenden – Feiertage nehmen genau diese Vielfalt (dieses Wort ist ja im heutzutage gebrauchten Kontext leider fast schon zum Schimpfwort verkommen, da, wie… Mehr

Thrym
1 Jahr her

Niemand kann von mir Respekt für Religion einfordern.

Ich respektiere das Menschenrecht der Mitbürger auf Religion. Und ich toleriere, dass es immernoch so etwas wie Religion gibt, warum auch immer.

Aus beidem lässt sich aber kein Tanzverbot ableiten.

Albert Pflueger
1 Jahr her

Warum sollten Leute, die doch offensichtlich religiöse Regeln nicht als für sich verbindlich betrachten, in ihrer Lebensführung daran gebunden werden? Es gibt meiner Auffassung nach keinen Bedarf an Verboten, die keine sachliche Begründung haben. Ich vermute auch, daß die Mehrheit in diesem Land sich nicht durch den Tod Jesu am Kreuz erlöst fühlt, vermutlich nicht einmal zu benennen wüßte, wovon sie denn erlöst worden sein sollte. Von den Sünden? Welchen Sünden? Welche sind denn getilgt? Sie alle bestehen fort, oder etwa nicht?

Deutscher
1 Jahr her

Sehr geehrter Mitforist Renz, Sie schrieben als Antwort auf eine Mitforistin, die das Tanzverbot bejaht und dies mit der Tradition des christlichen Europa begründet, folgendes: „Ja und als Anhänger Thors und Wotans will ich auch meine Germanischen Feiertage haben. Dann köpf ich ein paar Menschen, um mit diesen Trinkgefäßen in Walhall so richtig saufen zu können. Nur weil es Tradition und Kultur ist oder mal war.“ Mit Verlaub: Solche Worte zeugen von einer erschütternden Unkenntnis der europäischen Kulturgeschichte und tiefer Missachtung der indigenen spirituellen Wurzeln unserer Völker. Keinem Nachfahren amerikanischer Ureinwohner würde jemals einfallen, derart ungebildet und verächtlich über seine… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Deutscher