Die Regierung Merz scheitert am großen Wurf – und drückt sich vor dem kleinen

Das Thema Wehrpflicht hat die schwarz-rote Regierung schon zweimal von der Tagesordnung des Bundestags absetzen lassen. Jetzt schon ist klar, dass die Regierung Friedrich Merz am großen Wurf scheitern wird – so wie sie sich jetzt vorm kleinen drückt.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Auf der vorläufigen Tagesordnung des Bundestags steht das Thema Wehrpflicht für diese Woche immer noch nicht. Und das, obwohl die schwarz-rote Regierung diese längst auf den Weg gebracht haben wollte. Doch will sich Kanzler Friedrich Merz (CDU) zwar in keinem Punkt so entschlossen zeigen, wie in der Verteidigungspolitik – doch zeigt sich gleichzeitig in keinem anderen Punkt so deutlich, dass Merz den falschen Koalitionspartner hat. Denn während der Kanzler Deutschland kriegsfähig machen will, “whatever it takes”, träumen SPD-Linke wie Ralf Stegner oder Rolf Mützenich noch von ihren hippen Studententagen auf friedensbewegten Demos.

Zwischen den Fronten steht Verteidigungsminister Boris Pistorius. Er ist Sozialdemokrat und Realist. Ein Widerspruch, der sich nur schwer vereinbaren lässt, wie die Debatte um die Wehrpflicht zeigt. Pistorius möchte eine recht simple Lösung: Alle in Frage kommenden jungen Männer sollen gemustert werden, sodass sie im Kriegsfall gleich eingezogen werden können – oder halt nicht. Dieser Tage schickt Pistorius seine Vertrauten vor, damit sie seine Position als Forderung vertreten. Etwa den Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.

Doch mit dieser Lösung dringt Pistorius bisher in der schwarz-roten Koalition nicht durch. Vor allem nicht im sozialdemokratischen Teil der Koalition. Als der Bundestag im Oktober schon einmal die Wehrpflicht behandeln sollte, wollte Merz einen vernünftigen und durchsetzungsfähigen Fraktionsvorsitzenden losschicken, um eine entsprechende Lösung zu finden. Zu seinem Pech stand dem Kanzler dafür nur Jens Spahn zur Verfügung und der verhandelte mit der SPD einen Kompromiss, der jeden Kabarettisten arbeitslos macht:

Demnach hätte die Bundeswehr gelost, gewürfelt oder Steine-Scher-Papier gespielt, also jedenfalls ein Zufallsprinzip angewandt. Die Gelosten sollten dann gemustert werden, um im Kriegsfall eingezogen werden zu können – oder zu Zivildienst verpflichtet zu sein. Wer nicht gelost wurde, musste das nicht und konnte sein Zivilleben fortsetzen. Außerhalb des Kriegsfalls sollte die Bundeswehr dann die Schnittmenge aus Gemusterten und Wehrtauglichen ansprechen dürfen, ob sie sich den Dienst an der Waffe vorstellen können. Hätten die so geworbenen Soldaten nicht gereicht, hätte die Bundeswehr wieder die Lostrommel anwerfen müssen.

Diese Regelung haben Jens Spahn und sein SPD-Kollege Matthias Miersch ernst gemeint. Die beiden Fraktionsvorsitzenden hatten sogar schon eine Pressekonferenz einberufen, um die Lotterie-Lösung vorzustellen. Nach Berliner Art hatte Miersch das Material schon an gefügige Journalisten gegeben, um die sich noch gefügiger zu halten. Sodass die Meldung von der gelosten Wehrpflicht schon durch die Nachrichten ging, bevor Realisten wie Pistorius den Schwachsinn stoppten. Spahn und Miersch sagten die Pressekonferenz wieder ab und brachten das Thema auch nicht auf die Tagesordnung des Bundestags. Stegner erklärte im Deutschlandfunk, das Ansetzen und Absagen von Pressekonferenzen gehöre in Berlin zur ganz normalen Debattenkultur – Logik in der SPD sieht meist nicht aus wie Boris Pistorius, sondern wie Ralf Stegner.

Eigentlich wollten Merz und Pistorius den großen Wurf. Eine moderne Wehrpflicht, die auch für junge Frauen greift. Doch, während die alte Wehrpflicht für Männer nur ausgesetzt ist und mit einfacher Mehrheit wieder in Kraft gesetzt werden kann, müsste für die Wehrpflicht für Frauen die Verfassung geändert werden. Dafür bräuchten CDU, CSU und SPD die Grünen. Das ist kein Problem für sie. Die Grünen kriegen die Regierungsparteien bei Verfassungsänderungen aller Art quasi geschenkt – etwas Steuergeld für den “Klimaschutz” reicht. Doch CDU, CSU und SPD brauchen auch die Linken oder die AfD. Die Linken würden keinerlei Änderung zustimmen, die dem Ziel der Kriegsfähigkeit dient. Die AfD wären für eine Wehrpflicht für Frauen durchaus zu haben – doch dann würde die “Brandmauer” fallen und mit ihr das nahezu einzige Versprechen, das Merz bisher nicht gebrochen hat.

Die Frage der Wehrpflicht für Frauen führt wieder einmal die Widersprüchlichkeit linker Politik vor: Einerseits fordern Linke die Gleichbehandlung von Frauen in allen Lebenslagen. Andererseits halten sie in der Wehrpflicht-Debatte an der Ungleichbehandlung fest – aus taktischen Gründen. Die Partei die Linke kann als Opposition diesen Konflikt offen ausleben. Die linke SPD druckst in dieser Frage rum, verkündet zwar – der Dienstwagen wegen – regierungsfähig zu sein, liest sich aber am Ende des Tages selbst als linke Oppositionspartei. Weswegen große Würfe mit der SPD für Friedrich Merz unmöglich bleiben werden. In der Frage der Wehrpflicht genauso wie in allen anderen Bereichen der Politik.

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Kommentare ( 18 )

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bfwied
12 Tage her

Insgesamt ist es eine rundum idiotische Politik. In der Welt ist D. die Lachnummer, über die man feixt und auch auslädt, an die man absurde Forderungen stellt und ganz hinten stehen lässt. Warum betreibt man solche Politik? Die wahre Antwort dürfte wohl eine unfreundliche Kette auslösen. Dennoch: warum? Es gibt Leute, die einfach über eine geringe Intelligenz verfügen, wir alle kennen solche. Ihre Handlungen sind sehr selten gescheit! Aber selbst die können zu ihren Gunsten handeln, genauso wie Leute von hoher Intelligenz, die leider nur sich kennen! Es gehört also mehr dazu zum Agieren für ein Volk: Intelligenz, Verantwortungsbewusstsein, Charakterstärke… Mehr

Deutscher
12 Tage her

Wehrpflicht ja!
Aber deutsche Stiefel müssen auf deutschem Boden bleiben!

Waldschrat
12 Tage her

Die AfD ist für eine Wehrpflicht in einer reinen Verteidigunbgsarmee. Wie der Name schon sagt, keine Auslandseinsätze, Verteidigung im Inneren. Meines Wissens war das früher bei der Bundeswehr ja schon so, bis das ausgehebelt wurde. Die NVA wäre nie in der Lage gewesen, ein Land anzugreifen, die Technik war bei Übungen meist schon außerhalb des Kasernentors außer Gefecht.

maps
12 Tage her

Wozu Wehrpflicht und Kriegsgeilheit!? Um ein kaputtes und irres Land mal wieder in den kompletten Untergang zu führen und Menschen weiter zu vernichten. Nein danke!

Deutscher
12 Tage her
Antworten an  maps

Man muß die beiden Themen schon trennen.
Wehrpflicht ist grundsätzlich richtig.
Wer aber was gegen die Kriegsgeilheit tun will, der muß eben eine Partei wählen, die dagegen steht.

Dieter Eichrodt
12 Tage her

Die deutsche Wehrpflichtdebatte ist reines Schaulaufen um die NATO Partner nicht zu brueskieren. Allein schon die europaeische Lankarte beweist dass das allseitig von Freunden und „Freunden“ umgebene Deutschland, anders als die russischen Nachbarn, niemals konventionell angegriffen wird. Die Bundeswehr, wenn sie ueberhaupt Sinn haben soll, dann allenfalls wie schon in Afrika und Afghanistan, als Vasallenlegion im Interesse anderer. Wer daran denkt, dabei freiwillig mitzumachen, schaue zunaechst auf die „Heldentaten“ die von der Bundeswehr bisher erbracht wurden! Russland wuerde Deutschland niemals anders als mit Nuklearschlaegen angreifen, die schon am esten Kriegstag zu Millionen von ddeutschen Opfern fuehren wuerden. Putin koennte fest… Mehr

Waldschrat
12 Tage her
Antworten an  Dieter Eichrodt

Welchen Grund sollte Russland haben, Deutschland anzugreifen?

AmitO
12 Tage her

Ich seh immer noch nicht, was schlimm daran sein soll, dass die ´Gierung es nicht auf die Reihe bekommt eine Wehrpflicht zu verabschieden? Pissi nutz die ganze Zeit Goebbels Lieblingswort „kriegstüchtig“ aber die Schlüppis in seiner Bude werden ihm dafür nicht von den Bullen zerwühlt. Der jüngere irre Bruder von Lauterbach fusselt was von „Dienen bis in den Tod macht in ganz wuschig“ und veranstaltet im litauischen Forst einen Feuerzauber der rechtsradikalen Wehrsportgrupen á la „SSS“ vor Glück Tränen in die Augen treiben würden. Derweil fühlen sich seine Kindersoldatenrekruteure (Die BW hat ca. 1700 Minderjährige in der Armee) von Memes… Mehr

Cyber Politics
12 Tage her

Für das ganze Bla-Bla und den scheinbaren One-Size-Fits-All – Anspruch fehlt mir das Verständnis.

Die Wehpflicht wurde unter Merkel und ihrem damaligen Verteidigungsminister ausgesetzt. Und jetzt wird sie halt wieder eingesetzt.

Dafür braucht man kein neues Gesetz, sondern eine Reaktivierung.

Soll „schöner“ gewehrpflichtet werden, dann kann man das später verhandeln.

Jetzt – wo der Zeitfaktor angeblich über allem steht, ist Handeln angesagt.

Don’t complain, execute!

hoho
12 Tage her

Wir brauchen die Wehrpflicht nicht – gegen die Leute die uns schaden wollen (USA, Polen und andere unsere Nachbarn, EU) dürfen wir uns nicht verteidigen. Die Bundeswehr ist dazu nicht geeignet. Russen anzugreifen ist doof und illegal, weil Russland uns nicht angegriffen hat. Merz sollte vor Tribunal und in den Knast oder aufs Schafott, wie die Verräter von früher.

fischer
12 Tage her

Kroatien: Wehrpflicht vor 17 Jahren abgeschafft. Jetzt wegen Sicherheitslage wieder beschlossen: Diskussion, Abstimmung Oktober, Start Januar `26 !
Deutschland: …………….ach, vergessen Sie´s einfach.

Haba Orwell
12 Tage her
Antworten an  fischer

Die USA ziehen die Hälfte eigener Soldateska aus Rumänien ab. Offensichtlich glauben die Amis nicht, dass Russland durch Rumänien Richtung Adria stürmt, um dortige Ferienorte zu erobern.

EinBuerger
12 Tage her

Denn während der Kanzler Deutschland kriegsfähig machen will“: Die BRD schafft keine funktionierende Armee.
Vielleicht mit afghanischen Söldner. Die könnten aber irgendwann merken, dass sie die Macht schon haben und die Regierungsgebäude in Berlin besetzen. Oder eine Roboterarmee. Über deren Ausschalter verfügen dann aber USA oder China oder beide.