Nicht einmal ein Pyrrhussieg

Die Wahl hat der tief in der DDR verwurzelte Antifaschismus-Reflex entschieden. Viele Wähler der SPD wollten nicht die SPD wählen, sondern die AfD verhindern, was auch bei den Grünen ein paar nötige Stimmen gekostet haben dürfte.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die stehende Redewendung des Pyrrhus-Sieges geht auf den König Pyrrhos I. von Epirus zurück, der nach der verlustreichen Schlacht von Asculum gesagt haben solle: „noch einen solchen Sieg über die Römer, – dann sind wir vollständig verloren!“. Zwar hatte er in der Schlacht von Asculum 279 v. Chr. gewonnen, doch den Pyrrhischen Krieg schließlich verloren. Die Woidke-SPD hat nun in Brandenburg mit knapper Mehrheit, die sie mit lauteren oder mit unlauteren Mitteln erreicht hat, auf Kosten aller anderen Parteien bis auf die AfD einschließlich ihrer Koalitionspartner gesiegt. Die AfD hat sie im Gegenteil gestärkt. Die CDU musste hohe Verluste hinnehmen, die Grünen sind im Landtag nicht mehr vertreten.

Landtagswahl
Krimi in Brandenburg
Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kommt die SPD auf 30,9 % mit einem Zuwachs von 4,7 %, die AfD auf 29,2 % mit einem Zuwachs von 5,7 %, das BSW mit einem Zuwachs von 13,5 % auf 13,5 %. Die CDU verlor auf ganzer Linie, keinen Wahlkreis geholt und nur 12,1 % der Wähler erreicht. Das entspricht einem Verlust von 3,5 %. Die Grünen stehen als der Hauptverlierer der Wahl da, trotz massiver Unterstützung der „westdeutschen Kampagneplattform“ Campact gewannen die Grünen keinen Wahlkreis und mit 4,1 % der Stimmen auch kein Landtagsmandat. Die FDP ist kaum noch messbar und die Linke mit 3 % und über 7 % Verlust hat ohnehin ihre Stimmen an das BSW abgegeben. Während die AfD 25 Landkreise von 44 gewann, konnte sich die SPD nur in 19 durchsetzen.

Woidkes Wahlkampfstrategie setzte brutal auf Polarisierung. Entweder, so die Erpressung, wählt ihr mich oder ich stehe als Ministerpräsident nicht mehr zur Verfügung. Das verfing, zumal der Spitzenkandidat der AfD erst im Land bekannt werden musste. Damit schuf Woidke eine Quasi-Stichwahl-Atmosphäre, SPD oder AfD. Die Wahrheit lautet aber auch: Woidke spaltete damit das Land in zwei gleichgroße Blöcke, in SPD und AfD, in alt und jung. Nicht nur bei den Jungen, den 16 bis 24 Jährigen liegt die AfD mit 31 % vor der SPD, die hier nur 19 % der Wähler überzeugen konnte, sondern überhaupt gewann die AfD bei den unter 60 Jährigen, bei denen, die im Beruf stehen und Verantwortung für ihre Familien tragen. 33 % in der Altersgruppe 25-34, 34 % in der Altersgruppe 35-44, 32 % in der Altersgruppe 45-59, während die SPD in der Altersgruppe 16-24 nur 19 %, in der Altersgruppe 25-24 20 %, in der Altersgruppe 35-44 24 %, in der Altersgruppe 45-59 29 %, aber in der Altersgruppe 60-69 35 %, vor allem aber in der Altersgruppe ab 70 49 % der Stimmen holte.

Wahl in Brandenburg
SPD, CDU und Co gewinnen - aber wie oft noch
Wenn der Dunkeldeutschland-Artist Joachim Gauck zur Erklärung der Wahlergebnisse die DDR-Prägung heranzieht und etwas von Sehnsucht nach autoritärer Führung nuschelt, kann er damit nur Dietmar Woidke und die Brandenburg SPD meinen, denn die verdankt ihre knappe Mehrheit den über 60-Jährigen, die noch in der DDR aufgewachsen sind. Doch auch hier rast Gaucks Interpretation geradezu in die Irre, denn es ist weniger die Sehnsucht nach autoritärer Führung, als ein anderer Reflex, der wirkt. Man muss nur eine Partei als „faschistisch“ oder als „braun“, wie es Woidke in SED-Manier getan hat, bezeichnen, um eine tief emotional wirkende Abwehr hervorzurufen, so tief wirkt der staatlich verordnete Antifaschismus. Die Wahl hat der tief in der DDR verwurzelte Antifaschismus-Reflex entschieden. Viele Wähler der SPD wollten nicht die SPD wählen, sondern die AfD verhindern, was auch bei den Grünen ein paar nötige Stimmen gekostet haben dürfte.

Woidke kann nun eine Koalition bilden mit der AfD, was er nicht tun würde – und nach diesem Wahlkampf wäre es auch sehr die Frage, ob sich die AfD darauf einließe. Sie würde in einer Koalition mit der SPD, die nur hauchdünn vor der AfD liegt, nur verlieren, weil sie Teil des Niederganges von Brandenburg werden würde. Gleißnerisch sonnt sich Woidke mit seinem Landesverband in einem Wirtschaftswachstum von 2,1 %, doch – und hier kommt die jämmerliche Wahrheit – trägt das Woidke-Wachstum nur einen einzigen Namen – und der heißt Tesla. Geht Tesla, fällt das Wirtschaftswachstum in den negativen Bereich. Schränkt Tesla seine Produktion wegen der Absatz-Flaute am E-Mobilitätsmarkt ein, kollabiert Brandenburgs Wirtschaftswachstum. In Schwedt haben Scholz, Habeck, Woidke und Steinbach einen teuren, ideologiebetriebenen Dilettantismus hingelegt, der seines Gleichen sucht.

Von wegen Aufholjagd (Mediensprachregelung)
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Koalieren kann Woidke nur mit dem BSW, um eine Mehrheit zu erzielen, die bei 46 Abgeordneten läge. Die absolute Mehrheit, die bei 45 Mandaten liegt, würde Woidke mit der CDU um eine Stimme verfehlen, denn dann käme man nur auf 44 Sitze. Falls also nicht noch ein paar wahlmathematische Berechnungen das Ergebnis leicht, aber entscheidend verändern, könnte Woidke entweder in eine Koalition mit BSW oder mit BSW und CDU gehen oder ein Regierungsbündnis mit der CDU schließen und sich vom BSW tolerieren lassen. Wie seine Wähler dürfte Woidkes letzte Regierung alt aussehen.

Und die CDU? Hat sich schon im Wahlkampf selbst zerlegt. Das Bild, das die Partei im Bund und im Land bietet, ist erbärmlich. Erst setzt der Spitzenkandidat der CDU, Jan Redmann, vollkommen richtig auf Sieg. Zwischenzeitlich touchierte die CDU sogar fast die SPD in den Umfragen, doch dann mangelte es an der tragfähigen Wahlkampstrategie. Als Löwe gesprungen, als Bettvorleger gelandet. Kritisieren konnte die CDU nicht die Regierung, denn sie gehörte ihr ja an. Folgerichtig versteckte die CDU ihre Minister lieber im Wahlkampf, besonders ihren Innenminister von der traurigen Gestalt, Michael Stübgen. Selbst Stübgens Parteifreund Haldenwang wandte sich lieber der Propaganda-Plattform Correctiv zu, als seinen Verfassungsschutzkollegen in Brandenburg, die Stübgen unterstehen, als er die Machtergreifung eines österreichischen Identitären am Potsdamer Lehnitzsee herbei halluzinierte. Dann agierte die CDU und Redmann nur noch hilflos, als Woidke die Antifaschismus- und Betreuungskarte der SED zog.

Probleme liegen lassen im Kampf gegen Rechts
Großer Woidke jetzt allein zu Haus - und wie weiter in Brandenburg und Deutschland?
Hilflos sah die CDU Woidkes Radikalisierung zu, ohne irgendwie angemessen darauf zu reagieren. Redmanns Parteifreund Kretschmer, Noch-Ministerpräsident in Sachsen, verpasste seinen Parteifreuden in Brandenburg einen gewaltigen Fußtritt, als er empfahl, Woidke zu wählen, womit er munter auf der Blocklöte spielte und die Brandmauer de facto zum Antifaschistischen Schutzwall erklärte. Als reiche das noch nicht, beeilte sich der in Brandenburg nicht allzu beliebte Friedrich Merz, sich zum Kanzlerkandidaten ausrufen zu lassen. Schauen wir mal, wie lange er das bleibt. Die CDU steht nur noch für I, aber nicht für I wie Inhalte, sondern für I wie Intrige. Zuguterletzt versuchte Michael Stübgen, der unbekannteste Landesinnenminister der Republik, doch noch ins Rampenlicht zu gelangen, als er forderte, den Asylparagraphen abzuschaffen, womit er geradezu im Populismustreibsand versank, denn Änderungen am Grundgesetz wird ein Landesminister – und sei er auch noch so sehr Stübgen – nicht erwirken können. Außerdem geht die Diskussion vollkommen am Problem vorbei, denn der Asylparagraph muss nicht abgeschafft, sondern endlich einmal angewandt werden.

In Brandenburg hat die SED gesiegt, die momentan SPD heißt. Peinlich für Dietmar Woidke, der als Dietmar Woidke gewählt werden wollte, ist, dass er seinen Wahlkreis Spree-Neiße I gegen den AfD-Direktkandidaten Steffen Kubitzki verlor – und das, obwohl Woidke von der „westdeutschen Kampagneplattform“ Campact unterstützt wurde.

Die CDU und die AfD wären im Interesse der Demokratie gut beraten, wenn ihre erste Amtshandlung im neuen Parlament darin bestünde, einen Untersuchungsausschuss „Campact“ einzusetzen.

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Kommentare ( 73 )

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Niklot
2 Monate her

Kann die AfD den U-Ausschuss nicht sogar allein ansetzen? Im Bundestag würde 1/4 der Stimmen ausreichen. Wie ist es im Brandenburgischen Landtag?

HR
2 Monate her
Antworten an  Niklot

Wenn ChatGPT nicht phantasiert haben sollte, dann braucht es im brandenburgischen Landtag 1/5 der Stimmen, um einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Mit 18 stimmen wäre das dann machbar.

Logiker
2 Monate her

Schon die thüringer Wahl war eine Campact-Wahl mit 2 Großaktionen. einem Brief des Chefs der Buchenwald-Stiftung an 300 Tsd. Thüringer jenseits der 60, mit der Aufforderung nicht AfD zu wählen – organisiert, durchgeführt und Bezahlt von Campacteine Wurfsendung an alle Haushalte wenige Tage vor der Wahl als Einleger z.B. in die Broschüre des größten thüringer Energieversorgers. organisiert über einen campactgesteuerten und bezahlten Verein. Ebenfalls mit der Aufforderung nicht die AfD zu wählen. Auch in Dresden wurden merkwürdige beobachtungen gemacht, als wenige Tage vor der Wahl die Werbung an sämtlichen Haltestellen von Bus und Bahn mit dem Konterfei von Kretschmer (CDU)… Mehr

Last edited 2 Monate her by Logiker
Der Gnatz
2 Monate her

Man reiche das Popcorn…

Ob nun Brandenburg, Sachsen oder Thüringen, die „Guten“ auf ihrer Seite der Brandmauer werden sich bis zur Unkenntlichkeit verbiegen müssen, um überhaupt etwas ihrer Agenda auf die Reihe zu bekommen. Oder das Recht bis zum Bersten beugen – wie dies ja in Sachsen beispielsweise mit dem Rundfunkrat gerade erst gezeigt wurde.

Und es wird ihnen allen sehr heftig auf die Füße fallen.

Thomas
2 Monate her
Antworten an  Der Gnatz

Wenn die CDU nicht auf die AFD zugeht, was jetzt schon der Wählerwille ist, wird sie untergehen.
Die Grünen sind ein sinkendes Schiff.
2025 wird das noch nicht soweit sein.
Aber in der darauffolgenden Legislatur.
Die Politikwende ist nur eine Frage der Zeit.
Verbal („Abschieben im grossen Stil“) und symbolisch („Grenzkontrollen“) haben SPD und Union diese bereits vollzogen.
Der Trend geht eindeutig hin zu AFD Positionen (die früher Unionspositionen waren) und weg von Grünlinks.

Der Gnatz
2 Monate her
Antworten an  Thomas

Hoffentlich ist es dann nicht schon viel zu spät…

HansKarl70
2 Monate her

„was auch bei den Grünen ein paar nötige Stimmen gekostet haben dürfte“ Das war nach meiner Meinung längst nicht genug..1% wär genug gewesen für diese Verbindung.

Minusmann
2 Monate her

Warum die Aufregung? Auch wenn die AFD die Wahl gewonnen hätte, regieren ließe man sie, siehe Thüringen, trotzdem nicht. In einem anderen Artikel hier bei Tichy wurde gefragt, wie lange die Allianz gegen die AFD und alle anderen, die eine radikale Opposition zum herrschenden Parteienbrei fahren, überhaupt noch siegen kann. Die Antwort lautet leider: noch sehr lange, jedenfalls auf Bundesebene. Ich weiss nicht, was passieren muß, damit es eine echte Wende gibt. Sogar in Frankreich, wo die Probleme z.B. der Migration noch viel krasser zu Tage treten als hierzulande, gelingt es der Rechten nicht, die Macht zu erlangen. Überhaupt denke… Mehr

Thomas
2 Monate her
Antworten an  Minusmann

Ein Umschwung in Deutschland kann nur erfolgreich kommen wenn die Bedingungen in den USA und EUropa im Sinne eines Gleichklangs des gesamten Westens günstig dafür sind. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht der Fall. Die Gegenkräfte sind noch zu stark.

Last edited 2 Monate her by Thomas
andrea
2 Monate her

Die Jungen wählen nicht wegen TicToc AfD, aber da haben sie wohl erst vermittelt bekommen, dass es eine Alternative zu dem in Schule, Elternhaus und Mainstream-Medien verbreiteten Unsinn gibt. Diese Wirkung muss man wohl anerkennen und das lässt sich auch nicht zurückdrehen. Wer einmal aufgewacht ist, bleibt kritisch und sieht die Welt mit anderen Augen.

DELO
2 Monate her

Der unerwartete Ausgang der Wahl hat zwei positive Aspekte: Erstens werden die GRÜNEN endlich davongejagt, mit ihren Betonideologieschädeln und zweitens wäre es bei einer Regierungsbeteiligung des BSW aus mit dessen Versteckspiel, „nur eine bessere Politik machen“ zu wollen. Der BSW muß sich klar erklären: Wie steht er zu Russland? Wie steht er zum atlantischen Bündnis? Was hält er von der NATO? Was hält er von Marktwirtschaft? Und da wird unser Freund Oskar Lafontaine ganz schön ins Stottern kommen und seine charmante Ehefrau Shara gleich mit. Vielleicht ganz hilfreich für die nächsten Wahlen.

Thomas
2 Monate her
Antworten an  DELO

Das BSW wird sich mE sehr schnell entzaubern und in der Wählergunst nach der ersten Euphorie schnell absacken. Der eigentliche Zweck des BSW, die Schwächung der AFD, wird mE nicht dauerhaft gelingen.

Zum alten Fritz
2 Monate her

Egal was der Ossi macht, für den Wessi macht er immer das falsche. Erst wird der Osten zu Dunkeldeutschland erklärt und dann wählen die nicht mindesten zu 55% mit Erst- und Zweitstimme AfD. Es wird aber auch nicht mehrheitlich ganz links gewählt. In Sachsen hat die CDU das spiegelbildliche Ergebnis der SPD. Thüringen ist mehrheitlich Konservativ nur die CDU ist es nicht mehr.
Die Linke hat sich Zwecks Reinwaschung neu gegründet und ist nun tauglich für eine Koalition mit allen.
Nun können sich in den drei Ländern die Himmelblauen als Opposition mit dem stärksten Hebel beweisen und das sofort.

Benedictuszweifel
2 Monate her

Die fast 30% für die AFD kann ich mir, als Wessi nur so erklären: Die Ossis haben sich die Freiheit erkämpft. Sie haben dafür Opfer gebracht. Und deshalb wollen immerhin 30% dieses Freiheit auch behalten. Den Wessis wurde die Freiheit geschenkt bzw. mit Gewalt aufgezwungen. Und was nichts kostet, ist auch nichts wert. Deshalb schmeißen die Wessis den besten Staat, den es je an dieser Stelle gab, in den Müll und freuen sich auf die Herrschaft der islamischen Fachisten bzw. bejubeln das Ende der Meinungsfreiheit und die Weltrettung durch den eigenen Suizid. Aber was, verdammt, hat die 70% Ossiwähler geritten?… Mehr

Kassandra
2 Monate her

Uckermark I, II und III ging an blau: https://wahlergebnisse.brandenburg.de/12/500/20240922/landtagswahl_land/ergebnisse.html
Und zwar direkt!
.
Ganz unten ist dort noch vermerkt:
Wahlberechtigte insgesamt 2.076.953
Wählende insgesamt 1.513.638
Wählende laut Wahlberechtigtenverzeichnis 1.026.693
Wählende mit Wahlschein 486.945
Wahlbeteiligung 72,9 %

So ganz kann ich die Positionen nicht verstehen. Insbesonders, dass nur 486.945 ihren Wahlschein vorgelegt haben sollen.
Was heißt, die anderen hatten den Personalausweis dabei oder waren persönlich bekannt?
Und das tatsächliche Ergebnis der Briefwahl ist auch nicht gesondert aufgeführt – weshalb nicht?