Das Ausland möchte bei der Bestimmung des deutschen Finanzministers mitreden

Will Lindner ein Finanzministerium haben, das dem Anspruch gerecht wird, Treuhänder öffentlicher Finanzen in Deutschland zu sein, wird er das gesamte Führungspersonal, also Abteilungsleiter und Staatssekretäre, austauschen müssen.

IMAGO / Jens Schicke

Nicht nur die deutsche Öffentlichkeit verfolgt mit Spannung die Gefechte um die Besetzung des Finanzministeriums. Angesichts der ordnungspolitischen Verwüstung, die hier durch die lange Inhaberschaft des Portfolios bei den Herren Schäuble und Scholz stattgefunden hat, ist allen Beobachtern deutlich geworden, über welche mächtigen Hebel dieses Haus verfügt. Dies gilt für das Unterlassen in jenen Fragen der Finanzaufsicht, in denen Finanzminister besser genauer hingeguckt hätten.

Die Cum-Ex-Geschäfte – insbesondere auch des Bankhauses Warburg, der Wirecard-Skandal – haben die Befürchtung aufkommen lassen, dass die personellen Umbesetzungen, die Olaf Scholz vorgenommen hat, die Funktionalität des Hauses nicht gestärkt haben. Die Europa-Abteilung unter Thomas Westphal und die Grundsatzabteilung unter dem ehemaligen Europa-SPD-Abgeordneten Jakob von Weizsäcker gehören zu jenen Teilen des Ministeriums, die durch ihre politische Willfährigkeit besonders aufgefallen sind.

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In die anhaltende Diskussion über die Neubesetzung des Hauses hat sich nicht nur die für Finanzpolitik wenig kompetente Gesine Schwan eingemischt. Schwan mischt sich bekanntlich in alle Themen ein, die – unabhängig von ihrer schmalen Kompetenz für die „Theorie der Politik“ als ehemalige FU-Professorin – der zweimal gescheiterten Präsidentschaftskandidatin die Gelegenheit zum großen Auftritt in der Öffentlichkeit verleihen. Ihr Plädoyer gegen Christian Lindner ist eine Anbiederung an die grün-rote Lobby und setzt sich mit Argumenten überhaupt nicht auseinander. Schwerwiegender ist schon die Intervention durch den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der seit Jahren als wissenschaftlicher Vorzeigeheld der internationalen Linken keine Gelegenheit auslässt, um Deutschland ähnlich wie seine Kollegen Eichengreen und Krueger öffentlich zu züchtigen.

Trotz einer Riesenlücke in der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung, ungelöster Probleme bei der nachhaltigen Finanzierung der Krankenversicherung sowie explodierender Neuschulden durch die Corona-Krise (ca. 500 Milliarden Euro Neuschulden innerhalb von 2 Jahren) meint Stiglitz, es zu wissen: Die Lösung aller Probleme liegt in noch mehr Schulden. Und Robert Habeck fügt dem hinzu, das Geld sei ja momentan auf den Kapitalmärkten für Deutschland so preiswert zu haben. An diesen Einflussnahmen auf die gegenwärtige Willensbildung zur Neubesetzung des Finanzressorts ist einerseits bemerkenswert, wie kurzfristig Kandidaten für das Amt wie Habeck denken, um ein Mehr an Schulden – unabhängig von der Schuldenbremse – zu bejahen.

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Jeder größere Schluck aus der Pulle würde nicht nur die Bundesrepublik Deutschland abhängiger davon machen, dass die exzeptionelle Anleihenkaufpolitik der EZB unbegrenzt weitergeht, sondern auch die EZB unter Zugzwang bringen: Unter dem Gesichtspunkt der Preisstabilität ist längst ein zinspolitisches Signal und Einstellen der Anleihenkäufe angesagt. Wenn nun auch Deutschland in eine ähnliche Schuldensituation kommt wie Italien oder Frankreich, dann wird unausgesprochen die EZB vor dem Schritt eines Revirements bei der Zinspolitik und bei der Anleihenkaufpolitik schon wegen der zu erwartenden Protestschreie der Finanzminister zurückschrecken.

Neben diesen Argumenten finanzpolitischer Logik ist es andererseits aufschlussreich für das Selbstverständnis der zweiten deutschen Republik, dass sie sich die Einmischung abgetakelter Nobelpreisträger in die interne Politik gefallen lässt. Es geht Joseph Stiglitz überhaupt nichts an, wer wann, unter welchen Umständen und mit welchem Programm in Deutschland zum Finanzminister befördert wird. Dass er sich gleichwohl berufen fühlt, hierzu Stellung zu nehmen und – in lautstarkem Chor zusammen mit italienischen Politikern und dem europäischen Wirtschafts- und Finanzkommissar Paolo Gentiloni – Lindner abqualifiziert, ohne dass es in Deutschland dagegen Protestschreie gibt, zeigt einmal mehr die souveränistische Verzwergung unseres Landes. Zwar kann Stiglitz für sich als Wissenschaftler Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, doch würden weder deutsche Politiker noch deutsche Hochschullehrer sich in den Prozess der Ernennung eines Finanzministers in den USA auch nur andeutungsweise einmischen.

Dies führt zurück zur Problematik der Lindner-Kandidatur. Will Lindner ein Finanzministerium haben, das dem Anspruch gerecht wird, Treuhänder öffentlicher Finanzen in Deutschland zu sein, wird er das gesamte Führungspersonal, also Abteilungsleiter und Staatssekretäre, austauschen müssen. Dies setzt voraus, dass er in diesem Bereich hinreichend loyale Fachleute findet, die sich nicht vor einen Parteikarren spannen lassen und die ihre Entscheidung nicht nach Gesichtspunkten der Tagespolitik treffen.

Christian Lindner wird Finanzminister werden, aber ob er das Amt auch sachverständig ausfüllen wird, wird davon abhängen, ob er diesen Apparat von Fachleuten um sich zusammenzuziehen vermag.


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Kommentare ( 58 )

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Peter Gramm
2 Jahre her

wir haben ein Problem in Deutschland. Zuviele im Politikbetrieb mischen mit und wollen etwas tun, was sie nie konnten und nie können werden.

bfwied
2 Jahre her

Der FDP bleibt eigentlich nur ein Weg: Sie darf nicht in eine Koalition mit den Grünen und Roten eintreten, und sie muss die Gründe detailiert darlegen, mit allen Folgen der grünen Vorstellungen. Die daraufhin notwendigen Neuwahlen können die Sache klären. Entweder die Deutschen begreifen, was abläuft, auf welchem Holzweg sie sich befinden, oder sie wählen erst recht aus purer Dämlichkeit ihren Untergang. Aber dann ist es wenigstens klar, dass sie selbstverschuldet in den Misthaufen rennen. Die Deutschen stehen der Gestaltung ihres eigenen Schicksals ferner als die anderen Länder, sie geben die Verantwortung für sie selbst lieber ab, und sei es… Mehr

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Wenn ein Staat dermaßen auf seine Souveränität verzichtet wie Deutschland, muss er sich nicht wundern, wenn bei der Regierungsbildung jeder Hinz und Kunz weltweit mitreden will. Wenn dieser Staat dann auch noch so tut, als sei eine Präsidentenwahl in einem anderen Land (USA) eine innerdeutsche Angelegenheit, dann sollte er sich nicht wundern, wenn in anderen Ländern viele meinen, sie hätten bei einer deutschen Regierungsbildung ebenfalls jedes Recht mitzureden. Bei uns sind politische Absurditäten zur Alltäglichkeit geworden, was man weltweit zur Kenntnis genommen hat. In Deutschland tanzen mittlerweile die NGO-Mäuse auf dem Tisch. Kein Wunder, das Mäuse aus anderen Ländern mittanzen… Mehr

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Lindner kann machen was er will; der Karren ist schon zu tief im Dreck. Das Austauschen von Staatssekretären und Abteilungsleitern im Finanzministerium reicht nicht. Er müsste die Spitzen der EZB, der EU-Kommission, den Kanzler, die Chefs von CDU, CSU und SPD sowie die Intendanten von ARD und ZDF Austauschen, um nur die wichtigsten zu nennen. Das schafft er nicht.

RauerMan
2 Jahre her

Die öffentlich vorgetragenen Einflußnahmen von Privatpersonen und Regierungshandelnden fremder, wenn auch EU-Staaten, über dt.Finanzminister und damit dt.Steuergelder, ist maßlos unverschämt. Diese Begehrlichkeiten wurden allerdings durch die Politik der Vergangenheit erst möglich gemacht. Das Volk, wenn wirklich aufgeklärt, würde aufschreien. Die Zukunft der Schuldenausweitungen führt zwangsläufig, wenn auch hinausgezögert zur galoppierenden Inflation und zum Zusammenbruch des EU/EURO-Systems. Dazu kommt die aufgedeckte Schwäche des Westens und deren Ausnutzung von interessierten Seiten z.B.bei Migration oder Material-Zurückhaltungen. Nur drastische, vernunftbegabte Kehrtwendungen der Finanz-Wirtschafts-und Währungspolitik könnten den Zusammenbruch, wenn nicht aufhalten, so doch wieder zum Besseren steuern. Dazu gehörte selbstverständlich eine grundsätzliche Neuausrichtung gegenseitiger respektabler… Mehr

Hueckfried69
2 Jahre her

Richtig ist, dass deutsche Wissenschaftler sich nicht einmischen, wenn die Kür des amerikanischen Finanzministers ansteht. Allerdings tun sie (samt der deutschen Premiumjournaille) es gerne und vor allem sehr laut dann, wenn es um den Präsidentschaftskandidaten geht.

EURO fighter
2 Jahre her

Es wird nicht mehr ewig dauern, und der EURO ist Geschichte. Wenn dann Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien etc bankrott sind, hängt Deutschland so oder so mit drin, allein schon deshalb, weil die Bundesbank über eine Billion € bei den Target2-Salden abschreiben kann.
Also kann man jetzt auch Schulden machen auf Teufel komm raus, da ist nichts mehr zu retten.

andreashofer
2 Jahre her

Die FDP hat doch dem Corona Hilfspakt (200 Milliarden an Italien) schon zugestimmt. Damit ist doch alles in bester Ordnung. Das hier die Schuldenbremse eingehalten werden soll, ist doch voll im Sinne der Franzosen. Würde die Bundesbank eine italienische Geldpolitik fahren, würde der Euro an Wert verlieren und nur so wird der Euro uninteressant. Daher: Geld für den Süden und Austerität im Inland, alles gut, so bleibt der Euro erhalten.

A.G.
2 Jahre her

Interessiert akutell überhaupt noch jemand die Regierungsbildung? Die DCB (DauerCoronaBerieselung) lenkt komplett von der Regierungsbildung ab. Das Volk bekommt inzw. gar nicht mehr mit, ob schon Koalitionsvernahdlungen sind, wer was macht, ob wer was macht usw….das Volk scheint auch kein Interesse dran zu haben…wie es auch nie Interesse gehabt hat für seine Grundrechte auf die Strasse zu gehen…“die da oben werden es schon richtig machen“…das böse Erwachen kommt dann Anfang 2022 wenn „plötzlich & unerwartet“ die neue Regierung (Klima und C-Diktatur) im Amt ist. Alleine die Tatsache das es einen Fianzminsiter geben wird, welcher unter einem Finanzbetrüger (Scholz) seint Amt… Mehr

Hoffnungslos
2 Jahre her

Natürlich nimmt die globale Community der Weltretter Anteil an den Entscheidungen des deutschen Finanzministeriums. Schließlich geht es doch um die Gelder, die global eingesetzt werden sollen. Wer die ganze Welt retten will, der muss auch für die ganze Welt zahlen. Fragt sich nur, ob das Geld reicht….Wenn nicht, dann wird eben Geld gedruckt.