Bertelsmann-Stiftung trommelt mit manipulierter Umfrage für Schulzens EU

Es ist schon ein Kreuz mit der Bertelsmann-Stiftung: Ihre Umfragen werden von den Medien blind gedruckt oder gesendet - und enttarnen sich beim genaueren Hinschauen als eine seltsame Form der Propaganda.

© Frederick Florin/Getty Images

Sicher nicht ganz von ungefähr gab es am Donnerstagvormittag zwei zusammenpassende Meldungen von der Nachrichtenagentur Reuters: „Top Thema – Schulz macht Stärkung der EU zu Bedingung für Bündnis mit Union“ und kurz vorher: „Studie – EU gilt vielen Bürgern als Schutz gegen Globalisierung“. Die Studie stammt von der Bertelsmann Stiftung und ist vor allem dadurch interessant, wie die Umfrageergebnisse zurechtmanipuliert wurden.

Reuters berichtete:

„Zu Beginn der entscheidenden Runde der Sondierungen über eine Neuauflage der großen Koalition hat SPD-Chef Martin Schulz die Stärkung Europas zur Bedingung für ein Bündnis gemacht. Man sei sich mit der Union aber im Grundsatz über die Stärkung der EU einig.“

Über die Bertelsmann-Studie erfährt man von Reuters:

Die Europäer betrachten die Europäische Union (EU) nach einer Studie mehrheitlich als einen Schutzschirm gegen negative Globalisierungsfolgen und lehnen Abschottung und Nationalismus ab. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung, die sich auf eine repräsentative Umfrage in der gesamten EU unter mehr als 10.000 Bürgern stützt. „Europa im Jahr 2017 ist parteiübergreifend als Quelle von Stabilität, Wohlstand und Frieden akzeptiert. Das ist ein Erfolg Europas“, sagte Aart De Geus, der Chef der Stiftung.

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Deutsches Handwerk distanziert sich von Bertelsmann Stiftung
Mit Schulzens europäischem Horrorkabinett für die Arbeitnehmer hatte ich mich gestern beschäftigt. Nun also zur Hintergrundmusik von Bertelsmann.

56 Prozent der Europäer sehen in der Globalisierung vor allem eine Chance, lautet eine gute Botschaft. In Deutschland sind der Studie zufolge die EU-Unterstützer über die meisten Parteigrenzen hinweg fast überall in der Mehrheit. Die meisten Befürworter einer stärkeren EU-Integration finden sich unter den SPD-Anhängern mit 66 Prozent, gefolgt von den Grünen mit 65 Prozent, der CDU/CSU mit 63 Prozent und der Linken mit 62 Prozent. Bei der FDP sind es etwas weniger als die Hälfte, bei der AfD nur eine Minderheit.

Selbst bei denen, die Globalisierung als Bedrohung sehen, sei die Gruppe der EU-Unterstützer noch in der Mehrheit, findet die Studie und schließt daraus. „Wenn es um Gestaltung globaler politischer Herausforderungen und Steuerung internationaler Prozesse wie der Globalisierung geht, sieht eine deutliche Mehrheit der Bürger die Europäische Integration als Teil der Lösung“. Nur die Wähler rechter und rechtspopulistischer Parteien scheren mal wieder aus.

Der Ton macht die Musik

Wie immer bei solchen Umfragen, sollte man genau auf die Fragen schauen, und darauf, was mit diesen suggeriert wird. Tut man es, stellt man fest, dass die Fragen durchgängig eine Antwort in der offenkundig gewünschten Richtung suggerieren, am deutlichsten bei der Frage danach, ob man persönlich eher gute oder schlechte Erfahrungen mit der Globalisierung gemacht hat. Diese wird nämlich eingeleitet mit:

„Globalisierung wird oft gleichgesetzt mit einer Wirtschaft, die weltweit günstige Konsumgüter (Mode, Elektronik etc.), günstige Dienstleistungen (mobile Kommunikation, Flüge etc.) produziert und günstige Arbeitskraft nutzt. Für Sie persönlich war die Globalisierung bisher: …“

Wie wäre die Umfrage wohl ausgegangen, wenn man stattdessen in umgekehrter Einseitigkeit geschrieben hätte:

Globalisierung wird oft mit Abbau von demokratischen Mitbestimmungsrechten, steigender Macht und steigenden Gewinnen transnationaler Konzerne, Lohn- und Sozialdumping und Umweltgefährdung in Verbindung gebracht. Für Sie persönlich war die Globalisierung bisher: …

Zuvor war abgefragt worden, ob man Globalisierung eher als Chance oder als Risiko empfindet. Dort war die Einkleidung weniger suggestiv gewesen. Entsprechend fielen die Antworten auch deutlich schlechter für die Globalisierung aus, was aber für die Botschaft ganz praktisch war. Die vorangegangene Definitionsfrage lautete:

„Das Wort “Globalisierung” wird heutzutage häufig benutzt, um eine Welt zu beschreiben, die immer stärker vernetzt ist. Bitte wählen Sie von der folgenden Liste, was für sie am besten das Wort beschreibt. — Die steigende Beweglichkeit von Produkten — Die steigende Beweglichkeit von Ideen — Die steigende Beweglichkeit des Geldes — Die steigende Beweglichkeit von Arbeitsplätzen — Die steigende Beweglichkeit von Menschen — Die steigende Vernetzung von Kulturen — Die steigende Vernetzung von Technologie

Das sind alles für sich genommen bei den meisten positiv besetzte Aspekte der Globalisierung. Probleme ergeben sich je nach Sichtweise erst bei den nicht angesprochenen Konsequenzen, z.B. von Arbeitskräftemobilität. Unterschlagen wird in der Liste der problematische Aspekt der Globalisierung politischen Entscheidungsfindung, also der steigenden Verlagerung der Entscheidungen auf transnationale, ungewählte Expertengremien. Das würde weniger positive Assoziationen hervorrufen.

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Zwischen dieser ersten Frage und den Fragen zur europäischen Integration werden die Befragungsteilnehmer über die suggestive zweite Frage mit Macht auf die für sie persönlich positiven Aspekte der Globalisierung hingewiesen. Kein Wunder, dass die erst danach kommende Frage über die Wünschbarkeit von weiterer europäischer Integration positiver ausfällt als vorher die zur Wünschbarkeit weiterer Globalisierung. Allein auf dieser Diskrepanz beruht die gewagten Schlussfolgerung, wonach angeblich die europäische Einigung als Bollwerk gegen problematische Aspekte der Globalisierung angesehen wird. Direkte Fragen dazu gab es nicht. Nur die Anhänger der AfD sind offenbar so festgefügt in ihrer negativen Meinung, dass sie sich von der manipulativen Fragestellung nicht ins Bockshorn jagen ließen. Aber auch das ist schon wieder praktisch, bedeutet es doch: wer Europa anders sieht, ist AfD und damit igitt, oder wie es die Bertelsmann-Stiftung etwas freundlicher ausdrückt: „europaängstlich“.

Der Beitrag von Norbert Häring ist zuerst hier erschienen.

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Kommentare ( 68 )

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Ben Krüger
6 Jahre her

Wenn ein Globalisierungsgewinner eine Umfrage zur Globalisierung veranstaltet, dann ist das Ergebnis so, als wenn ein Windkraftanlagenbetreiber nach den Chancen der Energiewende fragt. Macht man o.g. Studie unter Biodeutschen in einem Problemviertel, oder unter den 10.000.000 Harz4 Empfängern, wird das Ergebnis deutlich anders ausfallen.

asklepion
6 Jahre her

Nennen Sie doch einmal eine seriöse Studie der Bertelsmannstiftung. Ja, ich kenne auch keine.

Karl Napf
6 Jahre her

„Bertelsmann-Stiftung trommelt mit manipulierter Umfrage“
Sorry, aber das ist eine Tautologie. Mehr braucht es nicht als Kommentar.

Soziologin
6 Jahre her

Wenn die Bertelsmann Stiftung das Wort Globalisierung in den Mund nimmt, kommt eigentlich immer heraus, dass Globalisierung doch etwas Nettes ist und nur Populisten „Globalisierungsängste“ haben können. Problematisch ist dabei, dass alles auf den ersten Blick wissenschaftlich so ungeheuer seriös und durchdacht erscheint und erst auf den zweiten Blick klar wird, dass Ergebnisse stark (!) davon abhängen, wie (konkret) man definiert und wie sachlich und klar man fragt. Die zitierten Definitionen mit der „Beweglichkeit“ sind allerdings wirklich sehr hübsch (natürlich kann man die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland und Menschen, die übers Mittelmeer kommen, auch als deren „steigende Beweglichkeit“ definieren.… Mehr

Erik
6 Jahre her
Antworten an  Soziologin

Lesen Sie Richard Rorty’s Thesen wenn Sie verstehen wollen wie die ticken. Zitat: „Da Wahrheit eine Eigenschaft von Sätzen ist, da die Existenz von Sätzen abhängig von Vokabularen ist und da Vokabulare von Menschen gemacht werden, gilt dasselbe für Wahrheiten.“ Oder einfach in kurz: das sind (Neo-?)Neo-Pragmatisten, die glauben nicht, dass man durch logische Schlussfolgerung zur Wahrheit kommt, sondern durch gesellschaftlichen Konsenz. Entwickelt selbstverständlich an linken Hochschulen, durch Linke Soziologen, auch wenn Rorty teilweise als liberaler bezeichnet wird, war er ein Kommi.. Mich wundert nur, dass die in den 70ern in den Staaten schon/noch Kommunisten hatten. Es sind augenscheinlich diesselben… Mehr

Gerdi Franke
6 Jahre her

Man kann sie ernst nehmen oder nicht. Aber wenn sie zu oft falsche Werte verkündet ist die ganze Stiftung nichts mehr Wert!

Klartext
6 Jahre her

die Kaffeerunde aus Extipsen, Kindermädchen und Drittfrauen von den verblichenen Medienmagnaten passt doch hervorragend zum Kanzler, o sancta simplicitas!

Dr. Helmut Barth
6 Jahre her

Ersetze „Bertelsmann“ durch „Merkels-Mann“ (Sauer): Dann versteht man, was diese Stiftung mit ihrem Netzwerk antreibt. Die Mitarbeiter (Akademiker! u.a.) sollten sich schämen für so eine parteiliche Arbeit! Leider wird sie von den MSM und den ÖR ernst genommen!

Cezak
6 Jahre her

Im Ergebnis sagt diese Studie einiges über die Macher und die Bertelsmann-Stiftung aus, aber nichts über die Bevölkerung.

Rainer Franzolet
6 Jahre her

Trump kanzelt ja den einen oder anderen sich als Journalisten ausgebenden einfach ab mit:-you not, you are Fake News!-
Für mich ist alles, was von der Bertelsmann Stiftung kommt genau, wie die Veröffentlichungen des ÖR und der Linken Propagandapresse auch Fake News. Ich ignoriere diesen ganzen Haufen Müll. Wenn ich überhaupt noch mal damit befasse, dann nur um meine Abneigung zu zeigen oder mich über diese Täter lustig zu machen . Das wird sich auch nicht mehr ändern. Die sind für mich erledigt.

Hugo C. Meier
6 Jahre her

Ich freue mich auf den Tag, wenn bei unseren Politiker Vernunft einzieht und Leute wie Schulz wegen Träumerei den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommen. Offenbar hat die Vergangenheit dem Hirn manch großem Politiker so stark zugesetzt, dass die Realität nicht mehr erkannt wird. Statt zu reformieren wollen sie weiter Zentralisieren, leider macht das kaum noch einer mit.