15 Euro Mindestlohn als Wahlkampfhilfe für Lars Klingbeil

Die Delegierten der SPD treffen sich nächste Woche zum Bundesparteitag in Berlin. Der wichtigste Punkt ist die Wahl von Lars Klingbeil und Bärbel Bas zum neuen Führungsduo. Für Klingbeil gibt es voraussichtlich als Wahlkampfhilfe eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro.

IMAGO

Noch über eine Woche ist es hin bis zum Bundesparteitag der SPD in Berlin. Das Antragsbuch umfasst jetzt schon deutlich über 300 Seiten. Din A 4. Eng bedruckt. Gleich mehrere Anträge gibt es zu den Kriegen in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Darunter solch bunte Vorschläge wie die des “AK Säkuläre”, die “Weltliche Seelsorge für konfessionsfreie Soldat*innen” fordern: “Bewährte Formen der religiösen Seelsorge sollen nicht in Frage gestellt werden, sondern der Dialog zwischen den verschiedenen Weltanschauungen gefördert werden.”

Doch die meisten Anträge in diesem Komplex sind grundsätzlicher Natur. Die einen kommen von dem Teil der Partei, der die Regierungspolitik trägt. Berufspolitiker bestimmen diesen Teil. Sie unterstützen die Regierung darin, das deutsche Engagement für die Ukraine fortzusetzen. Andere Gruppen wie die “60 plus Bundeskonferenz” fordern indes: “Ukrainekrieg: Friedensverhandlungen anstreben!” Das Thema spaltet die Partei, seit eine Gruppe um Ralf Stegner und Rolf Mützenich sich in einem “Manifest” gegen die Erhöhung der Militärausgaben ausgesprochen hat.

Eine Woche später hat Parteichef Lars Klingbeil öffentlich deutlich gemacht, dass es mit ihm als Vizekanzler eine Erhöhung des Verteidigungsetats auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes geben wird. Das würde eine Erhöhung von jetzt rund 50 auf dann etwa 135 Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Nach einem Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die Erhöhung in Schritten von 0,2 Prozentpunkten des Inlandproduktes passieren und in sieben Jahren abgeschlossen sein.

Auf dem Parteitag nächste Woche stellt sich Lars Klingbeil zur Wiederwahl. Im Duo mit Arbeitsministerin Bärbel Bas. Die Gruppe um Stegner hat der Vorsitzende dabei weniger zu fürchten. Berufspolitiker haben auf den Parteitagen eine deutliche Mehrheit. Zudem ist Stegner in der Partei randständig. Als er 2019 um den Vorsitz in der Partei kandidierte, belegte er den sechsten Platz – von sechs Plätzen. Seine Wahlniederlagen, aber auch seine häufige und unglückliche Präsenz in den Talkshows des Staatsfernsehens machen Stegner nicht beliebt.

Trotzdem muss Klingbeil ein schlechtes Ergebnis fürchten. Zum einen, weil er als Vorsitzender die Wahlpleite vom Februar zu verantworten hat, aber seitdem mehrfach befördert wurde – bis hinein ins Finanzministerium. Während er zum anderen in der Aufarbeitung der Wahlpleite mehrere politische Morde beging. Namhafte Bauernopfer: Saskia Esken, Hubertus Heil, Nancy Faeser… Alles Funktionäre, die es durchaus verstehen, in der Partei Strippen zu ziehen. Kurz vor Klingbeils geplanter Wiederwahl sieht die Regie des Parteitags eine große Abschiedsrede der scheidenden Vorsitzenden Esken vor.

Klingbeil braucht für seine Wahl also gute Argumente. Die liefert ihm nächste Woche voraussichtlich die “Mindestlohn Kommission”. Diese muss bis “Ende Juni” einen Vorschlag für die zukünftige Höhe des Mindestlohns machen. Das wäre der Montag nach dem Parteitag. Spätestens. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Kommission ihr Ergebnis schon in der Woche davor macht. Und dass der 15 Euro – oder mehr – beträgt. So wie es die SPD im Wahlkampf gefordert und Klingbeil im Koalitionsvertrag verankert hat.

Als das dritte Kabinett Angela Merkel (CDU) 2015 den Mindestlohn einführte, gab die Bundesregierung das Versprechen ab, eine unabhängige Kommission werde die Höhe des Mindestlohns festlegen. Der verkomme damit nicht zum politischen Kampfinstrument. Doch dieses Versprechen hat die SPD bereits 2021 gebrochen, als sie im Wahlkampf eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro versprochen und nach der Wahl unter Bundeskanzler Olaf Scholz durchgesetzt hat.

2025 hat die SPD dann Wahlkampf mit dem Versprechen einer Erhöhung auf 15 Euro gemacht. Die Höhe des Mindestlohns sollte niemals zum PR-Instrument werden. Das haben Merkel und Frank-Walter Steinmeier (SPD) seinerzeit beteuert. Zehn Jahre später ist er ein PR-Instrument in jedem Wahlkampf. Jetzt sogar in parteiinternen. Denn Klingbeil wird die Erhöhung auf 15 Euro als PR-Instrument für die Wiederwahl zum SPD-Vorsitzenden verwenden. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Bundesregierung die Kommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden lässt, der aber mindestens 15 Euro zu betragen hat. Beim Verhohnepipeln des Bürgers geben sich die Mächtigen des Landes nicht einmal mehr Mühe.

Zur Kommission gehören die Vorsitzende Christiane Schönefeld, zwei Wissenschaftler und jeweils drei Vertreter der organisierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft. Eingesetzt wurde sie von der Regierung Scholz im Januar und ist damit für die nächsten fünf Jahre für die Höhe des Mindestlohns zuständig. Jetzt steht die Gruppe unter massivem Druck. Eigentlich kann sie gar nicht anders, als den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Die Formulierung im Koalitionsvertrag wirkt wie ein Messer an der Kehle.

Im Internet gibt bzw. gab es eine Seite der Kommission, auf der die Namen der einzelnen Mitglieder zu finden sind. Die Seite ist nicht mehr aktiv. Den “HTTP Status 404” bekommt angezeigt, wer sich nach den Namen erkundet. * Ein verständlicher Schritt. Die Fachverbände warnen vor einer politisch motivierten Erhöhung des Mindestlohns um fast ein Fünftel der bisherigen Höhe von 12,82 Euro. Wenn die Politik die Kommission für kaum verhohlene Machtspielchen nutzt, ist es verständlich, wenn die Kommission die betroffenen Mitglieder dann wenigstens davor beschützt, öffentlich bekannt zu werden.


* Update 19.06.2025, 16:30 Uhr: Die Geschäftsstelle der Mindestlohn-Kommission hat mitgeteilt, dass am Mittwoch Arbeiten an der Internetseite vorgenommen wurden und dass diese jetzt wieder problemlos erreichbar sei.

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Kommentare ( 23 )

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23 Comments
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K. Sander
25 Tage her

Wenn der Staat immer mehr Steuern und Gebühren wegnimmt, können kleine Firmen und Läden solche Löhne nicht zahlen. Interviews mit Bäckern kam vor einigen Woche in der Zeitung. Wenn die Löhne erhöht werden müssen, sind die Preise zu erhöhen. Weil für alle anderen die Mieten und Gebühren und Steuern gestiegen sind, können die sich dort nichts mehr kaufen. Dann ist mit den Läden für immer Schluss.

Deutscher
26 Tage her

Klar holt sich der Staat auf diesem Weg mehr Kohle. Aber die Arbeitgeber unterstützen seit Jahren die Asylindustrie und rufen „Mehr Migration!“. Nun müssen sie halt auch für die gestiegenen Kosten mit aufkommen. Dass dabei die Arbeiter auch noch ein wenig profitieren, ist nur gerecht.

Deutscher
26 Tage her

Wer hier würde für 15 Euro arbeiten?
Ich sag’s euch: Keiner!

verblichene Rose
26 Tage her
Antworten an  Deutscher

Es handelt sich um den Einstiegslohn. Das bedeutet, daß dieser Stundenlohn mindestens bezahlt werden muß.
Dagegen gibt es natürlich auch Menschen, die ziemlich genau wissen, was sie mindestens für die Arbeitsstunde haben wollen.
Es geht ergo um die gegenseitige Wertschätzung. Und um die Lohnstückkosten, über die die SPD gerade selbstherrlich bestimmen möchte.
Aber so sind die Sozen. Sie verfügen gerne über das Geld. Insbesondere, wenn es nicht ihr eigenes ist.

Michael M.
26 Tage her
Antworten an  Deutscher

Immer die selbe Leier, der Netto-Stunden-Lohn ist relevant und für 15€ netto (ca. 2300 netto monatlich) arbeiten hier sicher so einige.

Last edited 26 Tage her by Michael M.
verblichene Rose
26 Tage her
Antworten an  Michael M.

Und dann bitte mal umrechnen, was das zu DM-Zeiten mal war, respektive, welchen Job man haben mußte, um über 4.000 DM netto zu erhalten.
Man sagt zwar immer, daß man nicht (mehr) umrechnen soll, aber wenn die Inflation in lumpigen 23 Jahren derartig galoppiert ist, sollte man sich zumindest über gar nichts mehr wundern. Und ja, ich weiß (wie Sie), daß es um den Bruttolohn/Stunde geht.

H. Priess
26 Tage her

Wie schon unzählige Male locken die Linken und Sozen mit mehr sozialen Leistungen oder/und wie hier mit mehr Lohn und wie schon unzählige Male fallen die Bürger/innen darauf hinein. Dann stellen sie sich hin und beschweren sich, daß alles teurer wird. Regen sich dann über höhere Friseurpreise, höhere Restaurantpreise oder ganz einfach höhere Preise für Dienstleistungen. Denn selbstverständlich werden auch die Löhne oberhalb des Mindestlohnes steigen müssen dazu steht dann das Lohnabstandsgebot auf dem Prüfstand denn selbstverständlich wird das Bürgergeld ebenso steigen müssen was wieder dazu führt, daß………! Ein schöner Kreislauf den zu durchbrechen die Herrschenden nicht in der Lage… Mehr

Nibelung
26 Tage her

Von wem wird der Mindestlohn bezahlt vom Unternehmer, der voll in der Haftung für seinen Betrieb steckt oder vom Politiker, der diesen Unsinn per Order de Mufti beschließt, denn wenn dieses Experiment schief geht, springen sie doch für ihre falsche Entscheidung auch nicht ein und deshalb sollten sie ihre Finger von Dingen weglassen, die sie nichts angehen. Die Aushandlung zwischen zwei Parteien hängt vom jeweiligen Wert ab, denn das ist der Maßstab in der Abwägung und sonst nichts und wer nichts vorweisen kann wird weniger erhalten und wer was mit einbringt bereichert beide Seiten und so ist es nun mal… Mehr

Norbi
26 Tage her

Mal eben schnell mit dem Brutto/Netto Rechner im Neuland gerechnet: Der Bruttolohn steigt um ca 400€ pro Monat, der Nettolohn aber nur um ca 200€. Weitere Kommentare erspare ich mir hier.

Phil
26 Tage her
Antworten an  Norbi

Natürlich geht es um zusätzliche Steuereinnahmen im Niedriglohnsegment, jede andere Behauptung wäre grober Unfug und lässt sich anhand der Realität widerlegen. Die Leidtragenden des Mindestlohnes sind immer Junge und Arme Menschen, diese finden unter den Bedingungen des Mindestlohnes keine Arbeit mehr, da der Ertrag aus ihrer Arbeit, inkl. staatliche Steuern und Abgaben, geringer ist als die Kosten und Risiken ihrer Anstellung. Wenn ich einem Kunden für die Arbeitsstunde eines Hilfsarbeiters maximal 30 Euro berechnen kann, darauf ca. 45% an Sozialabgaben und Steuern erhoben werden und ich mindestens 5 Euro Gewinn für mich rechnen muss, damit ich einen Hilfsarbeiter anlernen und… Mehr

Deutscher
26 Tage her
Antworten an  Phil

Ja, und? Die Arbeitgeber unterstützen seit Jahren die Asylindustrie. Nun müssen sie halt auch für die Kosten mit aufkommen. Dass dabei die Arbeiter auch noch ein wenig profitieren, ist nur gerecht.

verblichene Rose
25 Tage her
Antworten an  Deutscher

Es sind nicht die Arbeitgeber allein. Es sind vor allem auch „die Deutschen“, die sich in immer größerem Umfang die Hände nicht mehr schmutzig machen wollen!
Denn ganz egal, wo man auch hinschaut. Es sind körperlich fordernde Jobs, bei denen man eher selten noch einen „Klaus“, oder „Peter“, oder „Sabine“ und „Jutta“ entdeckt!
So viel Ehrlichkeit in der „Zuwanderungsfrage“ wäre zumindest angebracht!

Deutscher
26 Tage her
Antworten an  Norbi

Besser 200 als nix. Für einen Arbeiter sind 200 im Monat einiges.

Biskaborn
26 Tage her

Natürlich wird die Erhöhung kommen, wer traut sich schon dieser Linken Regierung zu widersprechen, wissend, das Linke ganz böse sein können!

Zorro1707
26 Tage her

.. das der Mindestlohn Empfänger von dieser Erhöhung nix hat wird dieser wohl eher geistig nicht überreißen sondern seine Rote Gang huldigen und wieder wählen .. das diese Erhöhung kontraproduktiv ist und nur unser Staaaaaaat mal wieder gewinnt um weiter Radwege in Peru zu bauen , auf die Idee kommen diese Wähler leider nicht ..

abel
26 Tage her

Natürlich reichen die 15€/Std nicht für eine auskömmliche Rente im Alter. Ich würde vorschlagen daß die Betroffenen wenn Sie 45j Vollzeitbeschäftigung vorweisen können eine aufgestockte Rente (Steuerfinanziert) als Dankeschön erhalten oder wir müssen uns ernsthaft überlegen wer bei uns noch zukünftig einfache Tätigkeiten in Deutschland ausführt. Voraussetzung sollten aber 45j Vollzeit sein. Alle anderen müssen sich halt mit einer Minirente zufrieden geben und wer Kinder hat und dadurch vielleicht keine 45j Vollzeit aufweisen kann der wird sicherlich keine Armut leiden wenn die Kinder einer Arbeit nachgehen. Es nützt der Gesellschaft nicht wenn H4-Eltern H4-Kinder für das Sozialversicherungssystem zeugen, nur so… Mehr

Paprikakartoffel
26 Tage her

Allmählich nervt es, daß die nicht begreifen: niemand braucht mehr (schon gar kein „Arbeitgeber“)Brutto, was zu zwei Dritteln wieder beim Finanzamt, va aber bei den in Agonie gefallenen Sozialkassen verdampft! Das treibt entweder die Verbraucherpreise, oder die Schwarzarbeit, oder beides. Mehr Netto wird benötigt. Streicht den ganzen Haltungs- und Beauftragtenfummel, laßt die Ministerialbeamten arbeiten statt Scharen von „Beratern“ und transferiert die arbeitsunwilligen Arbeitsfähigen von der Empfänger- auf die Einzahlerseite des Systems oder eben aus dem System hinaus.

Dann braucht ihr alle nicht mehr so viel vom Bruttogehalt abziehen.

Deutscher
26 Tage her
Antworten an  Paprikakartoffel

Es wird Zeit, dass Sie & Co mal begreifen: Für einen Arbeiter sind 200 mehr durchaus ein ordentliches Geld. Von 12nochwas/Std lebt es sich nämlich nicht grad üppig.

Dass Ihr „Rentenmodell“ natürlich auf größten Nutzen für den Arbeitgeber abzielt, ist auch klar.

verblichene Rose
25 Tage her
Antworten an  Deutscher

Sie machen immer den gleichen Denkfehler! Wie wäre es denn, wenn man die Einkommen bis zu einem gewissen Satz komplett steuerfrei stellt?
Aber nein, der Staat bedient sich bis/ab einem gewissen Satz auch noch bei den Geringverdienern!

Last edited 25 Tage her by verblichene Rose