„Oft ist es mir passiert, dass ich drei bis vier Wochen ein einziges Wort gesucht habe und habe es dennoch zuweilen nicht gefunden“ (Sprachgenie Martin Luther).
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow
Am Ende war die Phrase,
und die Phrase war bei der Kirche.
Und die Kirche war die Phrase.
Und die Phrase war das Ende der Kirche.
„Wir glauben alle an einen Gott.“
„Rechte Politik widerspricht dem christlichen Menschenbild.“
„Bewahrung der Schöpfung.“
„Hass ist keine Meinung“.
„Soziale Gerechtigkeit“.
„Die Kirche muss auf die Welt zugehen.“
„Unser Kreuz hat keine Haken.“
„Impfen ist Nächstenliebe.“
„Wir müssen die christlichen Werte hochhalten.“
„Gegen Hass und Hetze.“
„Waffen an die Ukraine sind Christenpflicht.“
„Wir sind eine Kirche der Vielfalt.“
Phrasen vermehren sich wie die Karnickel, denn sie befriedigen Denkfaulheit. Und dann werden sie wie Beschwörungen wiederholt, als könne man damit Wirklichkeit generieren.
Phrasen mögen sich auf den ersten Blick ganz gut anhören.
Doch wenn man nicht bereit ist, sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen, wird es problematisch.
Dann entpuppen sie sich als heiße Luft.
Nicht greifbar.
Ohne echte Substanz.
Unrettbar.
Phrasen sprechen von den Dingen, indem sie diese durch Banalität und Denkverweigerung verunstalten.
Im besten Fall sind Phrasen lediglich Schall und Rauch.
Kirchliches Blabla.
Zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus.
Wohl allen, die Phrasen ignorieren.
Die Sprechblasen der Kirche zu überhören wird zum Segen.
Im schlechtesten Fall haben Phrasen eine zersetzende Wirkung.
Ideologiegeladen verspritzen sie ihr Gift durch dauernde Wiederholung.
Dann wirken sie wie winzig kleine Arsendosen.
Sie werden unbemerkt aufgenommen.
Sie scheinen keine Wirkung zu haben.
Doch das Gift wirkt mit der Zeit.
Dagegen braucht es unbedingt den Phrasenjäger.
Er lässt sich von „Friede, Freude, Phrasenkuchen“ weder einlullen noch unter Druck setzen.
Der Phrasenjäger spricht nicht einfach nach.
Er hält inne.
Er fragt nach, hört nach, liest nach, denkt nach.
Er erlegt und zerlegt die Phrasen gnadenlos mit den Pfeilen der Vernunft, mit dem Seziermesser des feinen Humors und mit der Kettensäge des Spottes.
Der Phrasenjäger ist bereit, sich als Zerstörer von heißgeliebten Sprechblasen unbeliebt zu machen. Er kann nicht anders. Wer die Hohlheit der Phrase durchschaut, kann nicht schweigen, wenn die Phrase unfehlbare Papstwürde beansprucht.
Der Phrasenjäger verhindert, dass Phrasen Kirche und Gesellschaft überwuchern und den offenen Diskurs ersticken. Phrasen haben den Charme der Titanic.
Was kann mich und meine Kirche aus der zeitgeistigen Liturgie der Phrasen retten?
Ein Schweigen, das ganz neu das Alphabet lernt.
Ein Klagen, das über hohles Gerede erschaudert.
Ein Schütteln, das leere Worthülsen abwirft vom Baum des Miteinanders.
Ein Hören, das sich öffnet für Substanz.
Ein Denken, dass sich weiter verbessern möchte.
Ein Suchen und Warten auf das erhellende Wort.
Am Ende der Phrase ist neuer Anfang möglich; die Reformation von der Kirche der Phrase hin zur Kirche des einen Wortes aus dem Magazin der Ewigkeit:
„Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit.
Eine Herrlichkeit, wie sie Gott nur seinem einzigen Sohn gibt,
voller Gnade und Wahrheit.“
(Johannesevangelium 1,1.14).


Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein