Die Herrschaft der Angst – und wie sie gebrochen werden kann

Angst lässt sich seit jeher politisch gut missbrauchen. Das Urgefühl der Angst kann letztlich nur durch eine entgegengesetzte Urkraft gebrochen werden. Der christliche Glaube und die göttliche Geborgenheit im Leben und im Sterben können aus der Knechtschaft der Angst befreien.

Mit Angst lässt sich wunderbar Macht ausüben. Der Nationalsozialismus etwa hatte das Angstnarrativ „Volk ohne Raum“ groß gemacht. „Volk ohne Raum“ – das hörte sich damals nach Lebensmittelknappheit und Hunger an. Und das verängstigte viele Zeitgenossen, die die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre mit allem Elend in den Knochen hatten. Gegen solche Urängste kommt kein vernünftiges Denken an. Die durchschnittliche Kinderzahl in Deutschland pro Frau war seit 1910 rapide gesunken; Anfang der 1930er Jahre fiel die Fertilitätsrate sogar unter zwei Kinder pro Frau; damit wäre Deutschland schon damals langfristig auf eine abnehmende Demographie zugesteuert. Zudem stiegen die Erträge der deutschen Landwirtschaft jährlich mit enormen Wachstumsraten durch die Erfolge der Agro-Chemie, die in dieser Zeit ihren Siegeslauf begann.

„Volk am reich gedeckten Tisch“ – dieser Slogan wäre 1933 also eigentlich vernünftig gewesen. Aber was ist die Vernunft gegen die existentiellen Urängste von Hungersnöten? Und so haben die Nationalsozialisten mit dem damaligen Angstnarrativ „Volk ohne Raum“ die Massen emotional gefangen genommen und damit ihre militärische Expansionspolitik vorbereitet. Die Herrschaft der Angst lässt sich wunderbar für eigene politische Zwecke instrumentalisieren.

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Auch heute spielen Ängste in der Politik eine zentrale Rolle. Die aufgereihten Särge in Bergamo; eine verzweifelt sich zu Tode hustende junge Frau mitten auf einer Straße in Indien; Bilder aus Intensivstationen, wo Menschen um ihre Leben kämpfen; dazu eine Intensivkrankenschwester, die völlig überarbeitet in Tränen ausbricht – jeder empathische Mensch, der so etwas sieht, erstarrt in Mitgefühl und Angst, zumal er im Hinterkopf hat, dass seinen Lieben oder ihm selbst auch Ähnliches zustoßen könnte.

Dagegen helfen keine vernünftigen Einwände; etwa dass es in Deutschland 2020 mit der Pandemie doch nicht so brutal schlimm gewesen sein kann, wenn auch im letzten Jahr wieder zehn Kliniken bundesweit für immer geschlossen wurden. Doch gegen Urängste haben Vernunft und Wahrscheinlichkeitsstatistiken kaum eine Chance.

Dann die anderen beiden großen Zeitgeist-Angst-Trigger: die Angst vor der „Klimakatastrophe“ – wenn wir heute nicht radikal unser Leben und Wirtschaften ändern, dann werden wir übermorgen alle „geröstet, getoastet und gegrillt“ (Christine Lagarde 2017); die Angst vor dem Nationalsozialismus – wenn wir heute nicht „Brandstifter“ wie Hans-Georg Maaßen oder die „Schwefelpartei“ konsequent ausgrenzen, dann liegt ganz Deutschland übermorgen wieder in faschistischer Asche.

Die Machthaber hegen und pflegen solche aufgeheizten Angstszenarien, denn diese lassen sich knallhart für eigene Interessen instrumentalisieren. So konnten während der „dritten Welle“ zentrale und bewährte Säulen des bundesdeutschen Rechtsstaates zerstört worden:

  • die Auflösung der deutschen Finanzhoheit, indem die EU-Schuldenunion vollendet worden ist („Eigenmittelbschluss-Ratifizierungsgesetz“, 25.3.2021)
  • das Schleifen des bewährten bundesdeutschen Föderalismus durch die zentralistische „Bundesnotbremse“ (23.4.2021), die obendrein die Rechtsmittel der Bürger erheblich einschränkt
  • die Unterordnung der individuellen Grundrechte unter den Klimaschutz, indem das Bundesverfassungsgericht die Grundwerte nicht mehr dialektisch in Spannung hält, sondern sie eindeutig hierarchisiert und damit erklären kann, dass „gravierende Freiheitseinbußen… zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt“ sein können (24.3.2021 / 29.4.2021).

Ist es übertrieben, wenn ich behaupte, dass mitten in der Corona-Angst mit diesen drei Paradigmenwechseln innerhalb von sechs Wochen unser Grundgesetz aufs Kreuz gelegt wurde?

Unter der Knechtschaft der Angst lässt sich ein Volk solche gravierenden Einschnitte erstaunlich blind und gehorsam gefallen. Es gibt eine Angst, die in die Unfreiheit führt.

An manchen Tagen könnte ich verzweifeln.

Und dann bin ich plötzlich mitten drin in meinen eigenen Ängsten: Dass durch manche irrationalen Corona-Maßnahmen Menschen und wirtschaftliche Grundlagen zerstört werden; dass im Kampf gegen „Rechts“ jeder Dialog erstickt wird; dass auf dem Altar der Klimahysterie die bürgerlichen Freiheiten geopfert werden, die das Herz unserer Demokratie ausmachen.

Aber an manchen Tagen freue ich mich, weil doch einige Menschen das Machtspiel mit der Angst durchschauen. Sie haben erkannt, wie ihre Ängste politisch missbraucht werden, um die Machtfülle der Parteien und des Staates auf Kosten der Grundrechte zu steigern. Und dann freue ich mich über jeden, der im großen oder im kleinen aufsteht und ein „Nein“ wagt. Es gibt eine Angst, die in die Freiheit führt.

Es gibt gute Argumente gegen die Knechtschaft der Angst. Und doch reichen gute Argumente alleine nicht aus. Das Urgefühl der Angst kann letztlich nur durch eine entgegengesetzte Urkraft der Geborgenheit gebrochen werden. Nur mit echter Geborgenheit können Ängste auf emotionaler Ebene eingedämmt werden.

Hier kommt für mich mein christlicher Glaube ins Spiel. Im Tunnel der Angst darf ich mich an der Hand meines Vaters wissen. Darauf kann ich mich verlassen, selbst wenn meine eigene Hand vor Angst erstarrt ist, so dass ich Gottes Hand kaum noch spüre. Diese göttliche Geborgenheit im Leben und im Sterben kann mich aus der Knechtschaft der Angst befreien.

Jesus Christus spricht: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33).

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Kommentare ( 27 )

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horrex
2 Jahre her

„Angst und Hoffnung“, diese Dualität „zerrt“ von Anfang an die Menschheit hin und her. Etwas später kam dann die „Aufklärung“ dazu. Stiftete weitere „Verwirrung“. Und auch das berühmte „habe den Mut selbst zu denken“ stiftete zunächst nur weitere Verwirrung, aber keinerlei endgültige Gewissheit (Sicherheit). – Immerhin schafft das Nachdenken nur ein paar – wenn auch nur vorläufige – Sicherheiten. „Sät“ seinerseits ebenfalls Zweifel, sägt quasi damit aber immerhin – um ein Bild zu verwenden – gläubiger Gewissheit am Stuhlbein. – Schafft damit einen um eine Kleinigkeit höheren Grad von Freiheit. – Dass selbst mit dieser durch Nachenken gewonnenen „kleinen Freiheit“… Mehr

M.Friedland
2 Jahre her

So ganz unbeleckt sind zumindest auch die beiden großen christlichen Kirchen nicht in der „Kunst“, Menschen erst Angst zu machen, ehe sie ihnen dann Erlösung und Trost anbieten…

Korner
2 Jahre her

Die Panikmache und das Erzeugen von Angst in der Bevölkerung, ist ein klassisches Mittel von dominanten Herrschern. Mit Merkels Abgang, wird das hoffentlich verschwinden. Sie ist dei Mutter aller Probleme. Das werden wir nie vergessen. Und das Merkel das nicht vergisst, dafür ist gesorgt.

Ursula Schneider
2 Jahre her

Ein wichtiges „Vorwort zum Sonntag“! Angst essen bekanntlich Seele (und den Verstand!) auf. Hat das Angstnarrativ „Volk ohne Raum“ damals die militärische Expansionspolitik vorbereitet, leitet heute die nicht weniger gefährlichen Parole „Volk ohne Grenzen“ die schrankenlose Migration ein. Verkauft wird das als Weltoffenheit, Solidariät, Menschenliebe usw. In Wirklichkeit löst es ganz im Sinne des unseligen Migrationspaktes die Souveränität der Staatsterritorien und Unabhängigkeit der „schon länger dort Lebenden“ auf. Das sollte uns wirklich Angst machen.

Johann P.
2 Jahre her

Danke! Das Gesagte passt auch alles sehr gut zum heutigen Muttertag. Das Urvertrauen jedes Kindes in seine Mutter ist das allererste menschliche Gefühl, das uns prägt, nichts hilft besser gegen die Angst jeglicher Art. Deshalb ist die gegenwärtig betriebene Zerstörung der Familie ein Verbrechen, dem man sich nicht entschlossen genug entgegenstellen kann. Habt keine Angst!!

achijah
2 Jahre her
Antworten an  Johann P.

Vielen Dank für die kluge Verbindung zum Muttertag. Darüber habe ich mich sehr gefreut. An den Muttertag hatte ich leider diese Woche beim Schreiben nicht dran gedacht – wunderbar dass Sie diese Verbindung zum wichtigen irdischen „sicheren Hafen“ herstellen.

Michael Grieme
2 Jahre her

Wir werden mit „Corona – Maßnahmen“ und mit Klimaprognosen regiert, von denen noch nie eine eingetreten ist. Das Resultat ist weit verbreitete Angst. In Wahrheit geht es um die Kontrolle über unser Verhalten, den Lohn unserer Arbeit und um unser Vermögen. Die meisten begreifen es leider noch nicht.

achijah
2 Jahre her

Genau wie Angst hochambivalent ist – sie kann lebenszerstörend sein, sie kann lebensförderlich sein – genauso ist Religion hochambivalent – sie kann lebenszerstörend sein, sie kann lebensförderlich sein.

elly
2 Jahre her

Angst ist wichtig. Panik schaltet den Verstand aus und damit jegliche rationale Handlungsweise. Was sich in der deutschen Bevölkerung breit macht, ist eine pathologische Hysterie. Zuerst wahrgenommen habe ich dies mit der Feinstaubhysterie, gefolgt von der Klimahysterie. Bei Corona aber kristallisiert sich überdeutlich die zutiefst egoistische Gesellschaft heraus. Wie eine Monstranz wurde die Platitude „Risikogruppen schützen“ vor sich hergetragen. Die Generation ab 30 bis 50 Jahren, hat Angst sich schuldig fühlen zu müssen und steckte die Senioren kurzerhand in Isolationshaft. Es ist die Altersgruppe, die eine übergroße Sehnsucht in sich trägt, zu den Guten, den Weltverbesserern zu gehören. Sie lebt… Mehr

Bernhard J.
2 Jahre her

Die Französische Revolution begann mit massivem Terror und damit verbunden, Angst und Schrecken. Terror ist nicht auf physische Gewaltausübung beschränkt, es gibt vielfältige Arten, Terror auszuüben und Menschen massiv einzuschüchtern. Terror verfolgt immer das Ziel, die Menschen so massiv in Angst und Schrecken zu versetzen, dass sie zu eigenem Urteilen nicht mehr fähig sind und sich hilflos dem Terror unterwerfen. Es gibt sehr subtile Formen des Terrors, die vordergründig nicht sofort als solche identifizierbar sind, weil sie sich als legitim tarnen. Hierzu muss nur eine Bedrohungslage konstruiert werden, die so schwerwiegend erscheint, dass der Terror als einzig adäquate Reaktion zur Abwendung… Mehr

Bullerbue
2 Jahre her

Danke! Ein wahrlich mutmachender Kommentar!