CDU-Parteitag – Bauch besiegt Kopf

Die CDU von Adenauer und Kohl wurde am vergangenen Sonnabend in Hamburg abschließend beerdigt und durch etwas ersetzt, das den politischen Kopf durch den wohligen Bauch ersetzt.

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Das Ergebnis war überaus knapp. 18 CDU-Funktionäre entschieden schließlich darüber, ob die Partei mit Friedrich Merz oder mit Annegret Kramp-Karrenbauer in die Zukunft gehen wird. Nachdem im ersten Wahlgang der 999 anwesenden Delegierten Jens Spahn mit einem deutlichen Achtungsergebnis von 157 Stimmen oder 15,7 Prozent ausgeschieden war, stimmten in der Stichwahl 517 (erster Wahlgang 450) Unionsfunktionäre für die Saarländerin, während der Sauerländer 482 (392) an sich binden konnte. Die 157 Spahn-Stimmen waren insofern zu 67 an AKK und zu 90 an Merz gegangen. Hätten sich 18 AKK-„Spähne“ für Merz entschieden, wäre die Union jetzt eine andere, als sie es sein wird.

Merz rechnet mit Merkel ab

Den Wahlgängen vorausgegangen waren die Bewerbungsreden – den potentiellen Bundesvorsitzenden war ihre Nervosität anzumerken. AKK, die als erste sprach, fing sich jedoch schnell und konzentrierte sich darauf, die Delegierten mit Emotion zu gewinnen. Inhaltlich viel Merkel – nur geringe Absetzbewegungen, die Andeutung von etwas mehr Konservatismus.

Die bisherige Generalsekretärin der CDU setzte gezielt auf den Bauch der Partei – und der fühlte sich wohlig warm im Gefühl, einer großen, dem Guten zugewandten Familie anzugehören.

Merz wirkte anfangs wie gehetzt. Kurze, abgehackte Sätze und keine Emotion. Doch er ist professionell genug, sich zu fangen und wurde von Satz zu Satz sicherer. Aber so sehr er sich auch bemühte: Den Bauch der Partei traf er nicht. Merz ist Kopfmensch – und so war seine hübsch verpackte Dauersalve gegen Merkels Politik trotz offizieller Treueschwüre nicht misszuverstehen. Merkels Gesicht versteinerte zusehens, als der Herausforderer all das aufzählte, was man hätte anders machen können, anders machen müssen. Energiepolitik – zu hastiger Ausstieg aus der Kernenergie und kopfloser Umstieg auf die Erneuerbaren. Und die dennoch oder gerade deshalb im polnischen Kattowitz derzeit auf der Klima-Anklagebank sitzt. Falsche Migrationspolitik ohne Konzept, Verzicht auf Grenzsicherung, Gefährdung der inneren Sicherheit, kein zukunftsfähiges Integrationskonzept, Vernachlässigung von Bundeswehr und Verteidigung, falsche Sozialpolitik mit Belohnung der Arbeitsunwilligen und Bestrafung der Leistungswilligen, keine tragfähigen Ideen für die Generationengerechtigkeit.

Der Zuhörer konnte jeden Punkt der Merz-Liste konkreten Handlungen des Merkel-Kabinetts zuordnen. Einschließlich des Vorwurfs, die Partei habe die Fragen jener Bürger nicht wahrnehmen wollen, die zur AfD oder zu den linken Populisten abgewandert sind. Des Merzens Kernaussagen: Wir wollen, dass Deutschland ein freies, sicheres Land ist. Wir wollen, dass in diesem Deutschland die CDU nach wie vor die einzige große Volkspartei ist, die den Bürgern das bietet, was diese wünschen: Eine Politik, die sie nicht bevormundet und sich auf jene Aufgaben konzentriert, die originäre Aufgabe von Politik sind. Es war, wie zu erwarten, das Bekenntnis zu einer liberalen, konservativen und leistungsorientierten Union, mit dem Merz die Köpfe der Parteirepräsentanten zu erreichen suchte.

Der Bauch siegt

Am Ende dann aber obsiegte in der CDU doch der Bauch, nicht der Kopf. Das wohlige Gefühl eines im Wesentlichen „weiter so“. Das Gefühl jener Angela Merkel, die in ihrer mit stehendem Applaus belohnten Rede die Veränderungen der Welt für ihre Veränderung der CDU verantwortlich gemacht hatte. Eine Merkel-Union, die selbstverständlich alles richtig gemacht hat, weil nichts davon anders hätte gemacht werden können.

Am Ende dieser Neuwahl des Vorsitzes steht nun eine Union, die ihren konservativen Flügel verloren hat und ihren wirtschaftsliberalen auch kaum noch wird binden können. Eine Union des von Merkel beschworenen „postfaktischen Zeitalters“, die Pragmatik mit Gefühl verwechselt und den Bürger umkuscheln möchte, statt ihn zur Selbständigkeit zu erziehen und zum selbstbewussten Bürger werden zu lassen.

Merz ist bereits Geschichte

Da halfen dann schließlich auch die gegenseitigen Schwüre der drei Kontrahenten nicht mehr, künftig die Flügel und Strömungen der Partei gemeinsam anbinden zu wollen. Konnte der Betrachter kurzzeitig noch den Eindruck haben, die drei könnten Hand in Hand einen Weg in die Zukunft finden wollen, zerfiel dieser bereits mit den Wahlen der weiteren Mitglieder des Vorstandes.

Hätte AKK ihr Angebot ernst gemeint, hätten zwei der altgedienten Minister und Ministerpräsidenten ihren Platz als Stellvertreter freimachen müssen. Doch diese Pfründe waren lange schon vergeben. So blieb nur noch das Präsidium.

Spahn, der bei seiner Rede die ritualisierte Anrede der Anwesenden vergessen und den Schwerpunkt darauf gelegt hatte, den Willen zum Unbequemen und zur provokativen Debatte zu beschwören, trat dann auch bei der Wahl dieses Präsidiums an und wurde mit 89 Prozent Zustimmung belohnt.

Merz, der unmittelbar nach der Wahl der neuen Vorsitzenden auf Frage des Sitzungsleiters Daniel Günther nach seiner Mitarbeitsbereitschaft diese unter großem Beifall zugesichert hatte, leitete jedoch seinen erneuten Rückzug aus der aktiven Politik mit einem dann doch unmissverständlichen Verzicht auf diese Ehre ein. Merz – dann doch nur ein kurzes Aufflackern – nicht mehr.

Merkels Erbe gesichert

Gehen wir also davon aus, dass Merz an einer CDU, die ihm nicht folgen wollte, dann doch schnell das Interesse verloren hat. Ein letzter Versuch, jene Partei zu bewahren, die ihn einst bis zu ihrem Fraktionsvorsitzenden gemacht hatte. Gescheitert. Ebenso wie jene Kräfte um Wolfgang Schäuble, die mit Merz die Merkelisierung der Partei, wenn nicht rückgängig machen, so zumindest deutlich eindämmen wollten.

Da spricht es dann auch für sich, dass die Delegierten noch am gleichen Abend dem Merkel’schen Migrationspakt zustimmten.

Merkel war auf ganzer Linie erfolgreich. „Kohls Mädchen“ hat „ihr Mädchen“ an die Spitze gebracht. Und damit ihr Erbe gesichert.

Die CDU der Bundesrepublik ist vorbei

Die CDU von Adenauer und Kohl wurde am vergangenen Sonnabend in Hamburg abschließend beerdigt und durch etwas ersetzt, das den politischen Kopf durch den wohligen Bauch ersetzt. Das scheint wie maßgeschneidert für die heutige deutsche Gesellschaft. Doch es wird den Exodus jener, die in der Union immer noch mehr als eine Wohlfühlpartei sehen wollten, beschleunigen.

Der Weg, den alle drei Bewerber mit Blick auf das Schicksal früherer, europäischer Schwesterparteien als unbedingt zu vermeiden beschrieben, wird nun die Richtung prägen. Denn die Union, die einst die Bundesrepublik machte, ist nicht mehr. Wenn aber diese Union nicht mehr ist, wie kann dann jene Bundesrepublik noch sein, die von ihr geprägt worden war?

Merz hat mit seinem Präsidiumsverzicht seine Antwort gegeben. Die Wähler werden es bei den anstehenden EU- und Landtagswahlen tun.

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Kommentare ( 141 )

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Regenpfeifer
6 Jahre her

@Spahn: Interessant -ich sehe es genau andersherum: „Kopf besiegt Bauch“! -Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Mehrheit der CDU-Delegierten vom Gefühl her gegen AKK (und ZiemiAKK..) waren. Dass sie aber kühl rational überlegt haben, dass die Wahl von Merz den Bruch der Koalition bedeutet hätte -und bei dem katastrophalen Zustand der SPD auch keine neue Koalition mit der SPD mehr zur Mehrheit gereicht hätte. Jamaika, Ampel oder Grün-Schwarz hätten gedroht, vulgo: Pöstchenverlust. Und so haben sich die Delegierten eben für ein Durchretten der jetzigen „GroKo“ unter Angelas Kleinem Klon ausgesucht -und danach? Naja, „nach mir die Sintflut“, wie schon… Mehr

robbyb
6 Jahre her

Merz geht zurück zur eingentlichen Regierung in diesem Land – Black Rock.

Schwabenwilli
6 Jahre her

Ich habe mir das neun Minuten Applaus Video angeschaut, haben da auch die Merz Wähler mit geklatscht? Es sah so aus, den es waren fast alle.

Diese Partei hat ihr Schicksal wahrlich verdient.

Ullie
6 Jahre her

Was für eine Tragödie for die CDU und Deutschland. Merz war die letzte Hoffnung, dass der links grüne Merkel Kurs noch korrigiert wird. Unglaublich, dass die CDU es sich leistet, einen solchen klugen Mann mit Prinzipien und Visionen abzulehnen. Aber man konnte sich denken, dass Merkel´s Seilschaften so ausgeprägt waren, dass ihre Kandidatin siegen würde. Als langjähriges CDU Mitglied erkenne ich meine Partei spätestens seit 2015 nicht mehr wieder und ohne Merz ist wirklich die einzige Konsequenz, auszutreten.

Andreas aus E.
6 Jahre her
Antworten an  Ullie

Spahn wär auch Hoffnungsschimmer gewesen – der hat ja ganz persönliche Gründe, nicht jedes neue Minarett fröhlich zu beklatschen.

Oswaldo
6 Jahre her

Wo man einem Friedrich Merz hinterhertrauert, hat man den Schuß nicht gehört. Ganz ehrlich. Liegt aber vielleicht am „liberal-konservativen“ Publikum von TE. AKK ist auch keine Linke, wie sich selbst die AfD einredet, sondern war von den drei Kandidaten – kandidieren gegen einen bekennenden Liberalen und einen typischen Liberasten – vergleichsweise die Konservativste. Um nicht zu sagen die Rechteste. Diese Frau für eine Merkelistin zu halten ist geradezu absurd. Hat man keine Menschenkenntnis? Sieht man nicht, wieviel Kreide AKK gefressen hat? Es ist kein Zufall, dass ihr trotz Kreide im Mund die Homohe als die Vorstufe zur Legalisierung der Sodomie… Mehr

Petra Horn
6 Jahre her
Antworten an  Oswaldo

was zu beweisen wäre

Kristina
6 Jahre her

„Die CDU von Adenauer und Kohl wurde am vergangenen Sonnabend in Hamburg abschließend beerdigt und durch etwas ersetzt, das den politischen Kopf durch den wohligen Bauch ersetzt. Das scheint wie maßgeschneidert für die heutige deutsche Gesellschaft.“ So ist es leider. Merkel hat sich durchgesetzt und die Weichen für ein „Weiterso“ gestellt. Ich beobachte in meiner Umgebung genau dies. Viele suhlen sich in dem „Wohligen-Bauch-Gefühl“. Kritische Bemerkungen zur Tagespolitik werden mit Phrasen abgewürgt: „wir sind so ein reiches Land“, „uns geht es doch gut“, „alles ist prima., die paar Flüchtlinge bemerkt man doch gar nicht.“ usw. Was ist, wenn die Wirtschaft… Mehr

andreas donath
6 Jahre her
Antworten an  Kristina

Sehen Sie das Positive: Jeden Tag wachen ein paar Dutzend mehr auf und verlassen die Wohlfühl-Gutmenschen-Filterblase, Teils durch Erkenntnisse, teils weil zu viel Holzhammer-Propaganda, wie hierzulande inzwischen schon im DDR-Duktus praktiziert, teilweise Abwehrreaktionen hervorruft, teils aber auch durch eigene Erlebnisse oder Erlebnisse im Verwandten-/Bekanntenkreis. Ich verurteile niemanden, weil er naiv war und/oder sich zu lange hat hinter die Fichte führen lassen, sondern freue mich über jeden, der aufwacht.

Der Harlequin
6 Jahre her

Diesem Land ist echt nicht mehr zu helfen! ?‍♀️

WolfgangZ
6 Jahre her

Der Michel scheint nicht hell-, jedoch zumindest ein wenig wach zu sein. Es sind die Michelinen, die das Unglück bedeuten. Bevor die gegenwärtige westliche Kultur jedoch begreift, daß das Frauenwahlrecht mit all seinen Folgen die Voraussetzungen für das Frauenwahlrecht sabotiert, ist es zu spät, das Frauenwahlrecht ein zweites Mal zu rechtfertigen.

Grüße aus dem westtransdanubischen Seminar.

Andreas aus E.
6 Jahre her

Die CDU hat sich abgeschafft. Sei’s drum, nächste Runde vielleicht wieder besser.
Aber eine ganz dringliche Bitte: Schreiben Sie niemals „AKK“, die Frau hat auch einen richtigen Namen.
Seriöser Journalismus muss nicht der Babysprache der Lei(d)medien folgen.

Tesla
6 Jahre her

„Merkel war auf ganzer Linie erfolgreich. „Kohls Mädchen“ hat „ihr Mädchen“ an die Spitze gebracht. Und damit ihr Erbe gesichert.“

Merkels Erbe ist nur dann „gesichert“, wenn die Wähler es zulassen werden. Auf die AfD wartet noch viel Arbeit.