Eurobonds: aufgeschoben, nicht aufgehoben

In ihrer gemeinsamen Erklärung sprechen die Euro-Finanzminister von „innovativen Finanzierungsmodellen“ für den Recovery Fund. Man kann sich denken, dass darunter wohl bald wieder eine gesamtschuldnerische Haftung für gemeinsame Anleihen verstanden wird.

imago Images

Italiens Ministerpräsident Guiseppe Conte hat Hilfskredite des Europäischen Stabilitätsmechnismus ESM für sein Land abgelehnt. Er hofft auf das Meeting der Staats- und Regierungschefs in der kommenden Woche und einen Durchbruch bei Eurobonds, oder wie sie generöser heißen, Corona-Bonds. Doch auch dieser Name ist inzwischen verbrannt, und deshalb nehmen die Handelnden lieber den Wiederaufbau in Angriff. Rechtzeitig wird ein Recovery Fund in die Diskussion gebracht. Bis zu 1.500 Milliarden Euro nennt Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission, als Volumen. In ihrer gemeinsamen Erklärung sprechen die Euro-Finanzminister von „innovativen Finanzierungsmodellen“ für die Finanzierung des Recovery Fund. Man braucht nicht viel Fantasie, um erneut auf eine gesamtschuldnerische Haftung für gemeinsame Anleihen zu kommen.

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Doch eigentlich offenbart die Ablehnung von ESM-Krediten durch die italienische Regierung, dass Italien keine Hilfskredite benötigt. Die Grundvoraussetzung dafür wären auch nicht erfüllt. Der ESM-Vertrag sieht vor, dass eine Hilfe voraussetzt, dass der Euro als Ganzes gefährdet ist. Das kann derzeit sicherlich nicht behauptet werden. Zumindest noch nicht. Wäre dies der Fall, dann müsste sich das betreffende Land einem strengen Programm unterwerfen. Schon diesen Grundsatz haben die Euro-Finanzminister verraten, indem sie Italien und allen anderen Staaten – also sich selbst – zugesagt haben, nur weiche Bedingungen, hier einen künftigen Haushaltsüberschuss, zu verlangen. Die Grundsätze sind in den Krisen des Euros leider immer über Bord geworfen worden. So auch hier.

Die EU steht wieder einmal an einem Scheideweg. Es geht um die Grundrichtung der EU und des Euro. Soll er durch eine gemeinsame Fiskalpolitik mit einer gemeinsamen Schuldenpolitik zusammengehalten werden? Oder soll eine Politik der autonomen Budget- und Haushaltspolitik, die gemeinsame Regelgebundenheit verlangt, die gemeinsame Währung stabilisieren? Letztere Strategie, und das ist die Schwierigkeit, funktioniert nur, wenn auch die Währung einem stabilitätsorientierten Kurs folgt. Beides sind in Krisen schwierige Prämissen, deren Bewährungsprobe erst noch kommt.

Diese Auseinandersetzung ist von großer Relevanz. Die einen suchen die Flucht nach vorne, die anderen denken an die Zukunft. Die Rahmenbedingungen sind dafür historisch schwierig. Schrumpft die Wirtschaft um 10 Prozent und das Haushaltsdefizit steigt in der Eurozone auf 10 Prozent, dann erhöht sich der Schuldenstand von 84 Prozent auf 103 Prozent zur Wirtschaftsleistung. Noch dramatischer ist die Lage in Italien. Hier würde der Schuldenstand von 133 Prozent auf 158 Prozent steigen. Bei diesem Szenario verwundert es nicht, wenn die EZB aus vollen Rohren schießt. Allein 2020 wird sie Schulden im Gegenwert von über 1.000 Milliarden Euro aufkaufen und sie stellt gleichzeitig für einen Drei-Jahres-Zeitraum den Banken Refinanzierungskredite im Volumen von bis zu 3.000 Milliarden Euro zur Verfügung.

Es erinnert an die Auseinandersetzung zwischen John Maynard Keynes und Friedrich August von Hayek über die Überwindung der Weltwirtschaftskrise 1929. Keynes plädierte für Schulden und billiges Geld und sagte zu den Bedenken Hayeks: „Langfristig sind wir alle tot“. Hayek erwiderte Keynes: „Heute Brot morgen Hunger.“

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Kommentare ( 12 )

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A Maier
3 Jahre her

Italiens tiefe Enttäuschung über Deutschland ist die Enttäuschung der Mafia nicht an die Geldtöpfe der Deutschen zu gelangen. Jeder deutsche Politiker der bei der Einführung der Schuldenunion mitmacht, verrät nicht nur den deutschen Staatsbürger, sondern spuckt auf das Grundgesetz.

Christa Wallau
3 Jahre her

Es sind nicht nur die Linken, sondern auch die weltweiten Finanzjongleure, die mit dem
„billigen“ Geld ihren Reibach machen.
In ganz Europa ist der Lohnabhängige ohne jegliches oder mit kleinem Vermögen der Dumme, besonders in Deutschland, wo es viel mehr Menschen ohne Eigentum gibt als
z. B. in Italien oder Griechenland.
Der Ehrliche, Fleißige wird ausgeplündert durch die besinnungslose Gelddruckerei der
EZB. Bis dahin haben viele von diesem gestohlenen Geld fürstlich gelebt.

StefanB
3 Jahre her

„In ihrer gemeinsamen Erklärung sprechen die Euro-Finanzminister von „innovativen Finanzierungsmodellen“ für die Finanzierung des Recovery Fund.“ –> Von „innovativen Finanzierungsmodellen“ haben sicher auch die Banker gesprochen, die mit ihren „innovativen Produkten“ die Ursachen für die im Jahr 2008 beginnende (und immer noch nicht beendete) Finanzkrise gelegt haben. Wie man sieht, sind auch der Politik „innovativen“ Lösungen sehr willkommen, wenn ihr das eigene System um die Ohren zu fliegen droht, was es selbstverständlich ohnehin machen wird, nur möglicherweise etwas später.

Zu Italien, Spanien und ähnlichen Kandidaten: Solidarität in einer Notsituation: ja! Dauersubventierung per Haftungsunion: nein!

ChrisB
3 Jahre her

Es gibt mehrere große Problem mit den gemeinsamen Anleihen (Corona-/Euro-Bonds). 1) Die Befürworter dieser Lösung (Italien, Frankreich, Spanien, Portugal) haben eine Verwischung der Trennlinie zwischen den bereits vor der Corona-Krise strukturell vorhandenen Finanzdefiziten und den durch Corona tatsächlich entstandenen wirtschaftlichen Schäden im Sinn. 2) Sobald gemeinsame Anleihen einmal als neues Finanzierungsvehikel existieren, selbst wenn bei deren Einführung eine zeitliche Befristung angedacht oder sogar vertraglich fest ist, werden die zuvor genannten Länder dieses Vehikel perspektivisch nicht mehr abschaffen wollen: So wie es beim deutschen Solidaritätszuschlag war, der als zeitlich begrenzte Abgabe eingeführt wurde, gewöhnt sich ein Staat an diese Finanzierungsmöglichkeit und… Mehr

humerd
3 Jahre her

„CORONA-KRISE Italiens tiefe Enttäuschung über Deutschland. Eine neue Umfrage in Italien hat ergeben: 49 Prozent der Italiener würden zurzeit für einen Austritt aus der EU stimmen. Das Ergebnis markiert einen neuen Tiefpunkt der Stimmung, die sich in den vergangenen Wochen in Italien gegenüber der EU und insbesondere gegenüber Deutschland verbreitet hat. Die Italiener fühlen sich in der Krise alleingelassen. Die indirekte Absage an die Euro-Bonds enttäuscht sie zutiefst. „Viele Italiener haben das Gefühl, dass die EU und insbesondere Deutschland sich in dieser schweren Krise, die Italien gerade durchlebt, unsolidarisch verhält“, sagt der Politikprofessor Giovanni Orsina von der LUISS-Universität in Rom… Mehr

Konradin
3 Jahre her

Aus Sicht des Club-Med unter Führung Frankreichs war und ist der Sinn und Zweck der EU Deutschland einzuhegen und zu kontrollieren. Bundesbank und D-Mark wurden bereits erfolgreich abgeschafft. Die vereinbarten Geschäftsgrundlagen und Regelungen als Voraussetzung zur Abschaffung von D-Mark und Bundesbank bzw. Einführung von Euro und EZB werden immer mehr zur Makulatur. Die Euro-Währungsunion samt EZB gleichen bereits heute mehr denn je französischen Vorstellungen und es scheint weiter zu gehen, Paris treibt Berlin weiter mit großem Atem vor sich her: Bei jeder Gelegenheit wird ein neuer Fond aufgesetzt, neue Töpfe aufgemacht, mit dem/denen von Norden nach Süden umverteilt wird oder… Mehr

Konradin
3 Jahre her

Aus Sicht des Club-Med unter Führung Frankreichs war und ist der Sinn und Zweck Europas Deutschland einzuhegen und zu kontrollieren. Bundesbank und D-Mark wurden bereits erfolgreich abgeschafft. Die vereinbarten Geschäftsgrundlagen und Regelungen als Voraussetzung zur Abschaffung von D-Mark und Bundesbank bzw. Einführung von Euro und EZB werden immer mehr zur Makulatur. Die EU-Währungsunion samt EZB gleichen bereits heute mehr denn je französischen Vorstellungen und es scheint weiter zu gehen, Paris treibt Berlin weiter vor sicher her: Bei jeder Gelegenheit wird ein neuer Fond aufgesetzt mit dem von Norden nach Süden umverteilt wird oder nun die totale Schuldenhaftung kommt. Deutschland wird… Mehr

jwe
3 Jahre her

Die Südeuropäischen Staaten wollen keine Kredite aus dem ESM-Fond. Kredite sind zurückzuzahlen. Und genau das schwebt Italien, Spanien, Frankreich, …. eben nicht vor. Diese Länder möchten großzügig Milliarden an Euros von der EU haben. Rückzahlen sollten das andere wie z.B. Deutschland, Niederlande, Finnland, …. . Das nennt man dann natürlich Solidarität. Gemeinsame Schulden ist ähnlich wie Teamarbeit. Mitmachen, Lob, weniger Arbeiten, Bonus- oder Sonderzahlungen wollen alle Teammitglieder. Für lästige Dinge oder Überstunden machen fühlen sich nur wenige verpflichtet. Im EU-Team macht jeder eben das, was er am besten kann; Deutschland in großer Demuth für alle Milliarden zahlen und andere machen… Mehr

schukow
3 Jahre her
Antworten an  jwe

Die können sie nur „zurückzahlen“, wenn wir ihnen das Geld dazu leihen. Und das Geld, das wir ihnen leihen, zahlen wir ihnen mit Zins zurück. War so gewollt, ist so gekommen.

Aegnor
3 Jahre her

Was mich immer wieder verwundert ist, dass die deutschen Wähler das alles mit sich machen lassen. Ein italienischer oder gar französischer Premier der sich bereit erklären würde, für andere Länder grenzenlos zu zahlen, würde sofort davon gejagt. Aber in Deutschland geht das. Es kann sogar öffentlichen gefordert werden (von RRG). Klar fliegt den Deutschen auch viel mehr Propaganda um die Ohren (reiches Land, Eurogewinner Deutschland etc). Aber selbst der dümmste Deutsche müsste doch begreifen, dass billionenweise Geld drucken wie aktuell durch die EZB, nicht gut für ihn und sein Erspartes ausgehen kann.

schukow
3 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Sie ahnen gar nicht, wie dumm Menschen sein können.

Entsetzenblankes
3 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Das ist überhaupt nicht verwunderlich, werden hier doch begeistert Parteien gewählt, deren Politiker offen deutschenfeindlich sind, beim Abspielen der Hymne Zitteranfälle kriegen, die Nationalfahne verächtlich in die Ecke schmeißen, jeden Patriotismus als Nazismus verurteilen, in Deutschland keine Kultur zu erkennen vermögen, die Staatsangehörigkeit an Deutschenverachter verschenken und bereit sind, sich von den Beschenkten deren unserer Kultur und Werte entgegen gesetzte Spielregeln aufoktroyieren zu lassen, die mit diesem Land nichts anzufangen wissen und die aus einer Nationalmannschaft schlicht „Die Mannschaft“ machen.