Fünf Landtagswahlen sind fünf Chancen für die AfD

2016 kann der Einzug der AfD in fünf weitere Landesparlamente wirklich machen, was die Union zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Helmut Kohl immer zu verhindern wusste: die Etablierung einer neuen Partei rechts von ihr.

Vor fünf Jahren sorgte ein Tsunami im fernen Japan für ein politisches Erdbeben im deutschen Südwesten: Die CDU verlor in ihrer Hochburg Baden-Württemberg den Posten des Ministerpräsidenten an die Grünen, die SPD ihre absolute Mehrheit in Rheinland-Pfalz und die FDP erlebte ein Desaster. In Mainz ist sie seitdem nicht mehr im Landtag vertreten, in Stuttgart schaffte sie die 5-Prozent-Hürde nur knapp. Es waren gewaltige Verschiebungen. Aber sie vollzogen sich innerhalb des damals bestehenden Fünf-Parteien-Systems aus Union, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei.

In diesem Jahr könnte die politische Landschaft viel nachhaltiger umgepflügt werden, könnte sich der Aufstieg der AfD durch den Einzug in gleich fünf weitere Landesparlamente fortsetzen, könnte Wirklichkeit werden, was die Union zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Helmut Kohl immer zu verhindern wusste: die Etablierung einer neuen Partei am rechten Rand. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo am 13. März gewählt wird, werden die Rechtspopulisten in die Landtage einziehen. Auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Wähler im September an die Urnen gehen, hat die neue Partei rechts von der CDU gute Chancen. Wagen wir also einige Prognosen:

1. 2016 bringt den Durchbruch der AfD im Westen

Im Konrad-Adenauer-Haus glaubt man bis heute, die AfD werde durch Nichtbeachtung wieder in der politischen Versenkung verschwinden. Mit ihrer Anti-Euro-Politik allein kam die Partei nicht allzu weit. Aber die GroKo-Politik der offenen Grenzen und unkontrollierten Zuwanderung treibt den Rechtspopulisten die Wähler in Scharen zu. Am 13. März wird die AfD die Ernte einfahren. In beiden westdeutschen Flächenländern wird sie näher an die 10-Prozent- als an die 5-Prozent-Marke kommen, in Sachsen-Anhalt wohl zweistellig abschneiden. Auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern hat die AfD im September gute Chancen.

2. 2016 wird nicht das Jahr der FDP

In normalen Zeiten würden von der GroKo enttäuschte Wähler die FDP deutlich stärken. Aber wir leben nicht in normalen, ruhigen Zeiten. Nichts treibt die Menschen mehr um als die Fragen der Zuwanderung und der realen Terrorgefahr. Und auf keinem anderen Politikfeld wirkt die schwarz-rote Bundesregierung so hilflos wie gegenüber dem Zustrom von legalen wie illegalen Migranten. Wer es „denen in Berlin“ einmal zeigen will, wird sein Kreuz deshalb eher bei der AfD als bei der FDP machen. In ihrem Stammland Baden-Württemberg dürfte die FDP im Landtag bleiben. In Rheinland-Pfalz stehen die Chancen eher fifty-fifty, in Sachsen-Anhalt wird sie wohl ebenso scheitern wie in Mecklenburg-Vorpommern. In Berlin waren die Liberalen ohnehin immer schwach.

3. Für Grün-Rot und Rot-Grün wird es nicht mehr reichen

Mit der AfD in den Landtagen von Stuttgart und Mainz wird es für Grün-Rot bzw. Rot-Grün nicht mehr reichen. Da die CDU – aus guten Gründen – jedwede Koalition oder Kooperation mit den Rechtspopulisten ausschließt, kann es in beiden Ländern zu Großen Koalitionen oder zu Schwarz-Grün kommen. Die Bundes-CDU wird mit Blick auf eine neue Option nach der Bundestagswahl 2017 zumindest auf eine schwarz-grüne Regierung drängen. Die Bundes-SPD wird die Genossen vor Ort zu Großen Koalitionen zu überreden versuchen – zur Absicherung der Machtbasis im Bund.

4. Eine „Ampel“ in Stuttgart würde die Chancen der FDP für 2017 verschlechtern

Bei einem 5-Parteien-Landtag in Stuttgart werden Grüne und SPD der FDP mit Sicherheit ein Angebot für eine „Ampel“-Koalition machen. Das stürzt die Freien Demokraten in ein strategisches Dilemma. Erliegt sie der Verlockung einer Regierungsbeteiligung im „Ländle“, sorgt sie für eine Fortsetzung der von ihr selbst so kritisierten grün-roten Politik. Denn als kleinster der drei Koalitionspartner kann die FDP den Kurs nicht wesentlich verändern. Das wäre aber ein verheerendes Signal für die Bundestagswahl 2017. Die FDP als Steigbügelhalter für Rot-Grün – das wäre für die 2013 von den Liberalen enttäuschten bürgerlichen Wähler kein Anreiz, zur FDP zurückzukehren. Welcher Wähler wünscht sich schon eine Regierung mit einem Kanzler Sigmar Gabriel, einen Außenminister Jürgen Trittin und einem Wirtschaftsminister Christian Lindner?

5. Keine Chance für Rot-Rot-Grün in Sachsen-Anhalt

Was die SPD in Thüringen vorexerziert, wird in Sachsen-Anhalt wegen der AfD schon rechnerisch nicht klappen: Rot-Rot-Grün als Vorbereitung für ein Linksbündnis in Berlin. Die Linke wird dort zwar hinter der CDU zweitstärkste Kraft, doch muss die SPD nach derzeitigem Umfragen-Stand bangen, von der AfD nicht vom dritten Platz verdrängt zu werden. Auch die Grünen können nicht sicher sein, ob sie abermals in den Landtag kommen.

6. In Berlin spricht alles für Rot-Rot

In der Hauptstadt schleppt sich Rot-Schwarz von Krise zu Krise. Selten hat eine Partei ihre Chancen so schlecht genutzt wie die Berliner CDU. Aber dank des starken Rückhalts der Ex-SED im Ostteil der Stadt wird es wohl für Rot-Rot reichen. Aus heutiger Sicht dürften die Sozialdemokraten der Linkspartei den Vorzug geben vor den Grünen. Schließlich soll in den Ländern zusammen wachsen, was nach Meinung vieler Sozialdemokraten auch im Bund – endlich – zusammengehört.

7. Merkel und Gabriel bleiben im Sattel – auf geschwächten Pferden

Am Ende des Wahljahres 2016 werden CDU und SPD geschwächt sein – unabhängig von der Zahl ihrer Ministerpräsidenten bzw. Ministerpräsidentinnen. Denn einerseits wird wegen der zu erwartenden AfD-Erfolge der numerische Zwang zu Großen Koalitionen zunehmen, während andererseits die „Großen“ Koalitionen immer kleiner werden. Zur Erinnerung: Bei der ersten GroKo im Bund im Jahr 1966 konnten sich CDU/CSU und SPD auf 88,8 (!) Prozent der Wählerstimmen stützen; 2013 waren es nur noch 67,2 Prozent. In den Länder sieht’s noch schlimmer aus: Die derzeitigen „Großen“ Koalitionen in Berlin und Sachsen repräsentieren gerade mal 51,6 bzw. 51,8 Prozent der Wähler.

Angela Merkel und Sigmar Gabriel werden am Ende des Wahljahres 2016 dennoch an der Spitze der Bundesregierung wie auch ihrer Parteien stehen. Aber deutlich geschwächt: Merkel, weil die CDU als Mitte-Links-Partei den rechten Rand nicht mehr binden kann. Gabriel, weil die SPD in den neuen Ländern zunehmend mit der AfD um den dritten Platz hinter CDU und Linke kämpfen muss. Deutschlands Sonderstatus in Europa als Land ohne etablierte Rechtspopulisten und Rechtsradikale könnte 2016 enden. In der Tat: Das könnten „wir“ schaffen.

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