Die Sicherheit der Stromversorgung wird zum beherrschenden Thema der Energiepolitik

Es ist eine der unerwünschten Wahrheiten deutscher Energiepolitik: Mit Erneuerbaren allein ist die Stromversorgung nicht zu sichern. In anderen Ländern hat man das eingesehen - und setzt auf eine neue Generation der Kernenergie, die inhärent sicher ist.

imago images / blickwinkel

Die Ausgleichsmöglichkeit des schwankenden Wind- und Solarstroms durch Wasserstoffelektrolyse oder Batterien ist auf absehbare Zeit schlicht unbezahlbar. Wenn von vier bis fünf Kilowattstunden Wind- oder Solarstrom auf dem Wege von Elektrolyse, Speicherung und Wiederbrennung zu Strom in Gasturbinen eine Kilowattstunde übrig bleibt, ist dieser Strom vier bis fünf mal so teuer. Das sind physikalische Gesetzmässigkeiten, die niemand ausser Kraft setzen kann. Hinzu kommen natürlich noch die Kapital- und Betriebskosten für Elekrolyseure, Verdichter und Gasturbine. Und das sind Kosten, die in der Literatur zu einem sechs- bis zehnfachen Stromerzeugungspreis führen. Es ist dabei unerheblich, ob der „grüne“ Wasserstoff hierzulande oder etwas günstiger in Marokko, Niger oder gar Libyen produziert wird.

Nach dem Ausstieg ist vor dem Einstieg

Im Augenblick ist es noch en vogue, jede Stilllegung eines Kern- oder Kohlekraftwerks durch Medien oder durch grüne und rote Parteien zu feiern. Zuletzt passierte das letzte Woche in Hamburg, als das Kohlekraftwerk Moorburg (Errichtungskosten: drei Milliarden Euro), eines der modernsten Kraftwerke der Welt, nach fünfjähriger Betriebsdauer seinen Stilllegungsbescheid für den Juni 2020 erhielt. Ende nächsten Jahres geht dann auch noch das Kernkraftwerk Brokdorf vom Netz, dann gibt es nördlich der Elbe kein Großkraftwerk mehr.

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Der hamburgische Umweltsenator freut sich und zerstreut alle Sorgen. Schließlich hätte man ja im Norden die Leitungen, die in Hamburg enden. Das kennen wir schon woanders her: Der Strom kommt aus der Steckdose und wird vorher im Netz gespeichert. Das geht einher mit dem Märchen, wir müssten nur die Kapazität von Wind-und Solarkraftwerken steigern, dann würde das schon irgendwie reichen. Außerdem plant die Umweltbehörde Buschholz aus Namibia in Hamburg zur Stromerzeugung zu verbrennen. Na dann wird die Aluminium-, Stahl- und Kupferindustrie am Standort Hamburg keine Probleme bekommen.

Henrik Paulitz hat in seinem kürzlich erschienen, lesenswerten Buch „Strommangelwirtschaft“ (Akademie Bergstrasse) darauf hingewiesen, dass es in 2016 genau 52 Nächte gab, in denen in ganz Deutschland nahezu überhaupt kein Wind wehte, die Sonne ohnehin nicht schien. Die verlässliche gesicherte Leistung der Solarenergie liegt bei Null, die der Windenergie an Land bei einem Prozent und die gesicherte Leistung der Off-Shore-Windenergie liegt bei fünf Prozent. Das heißt: Nur ein oder fünf Prozent der jeweiligen Leistung sind gesichert immer da. Die Jahreshöchstlast beträgt etwa 80 000 Megawatt in Deutschland – soviel Strom brauchen Industrie, Gewerbe, Bahn und Haushalte vornehmlich im Winter. Bis 2023 sinkt die konventionelle Kraftwerkskapazität von 90 000 Megawatt auf 75 300 Megawatt, bei gleichzeitig wachsendem Bedarf durch e-Autos. Schon im nächsten Jahr gehen 4788 Megawatt Kohlekraftwerksleistung und 4000 Megawatt Kernenergie vom Netz, wie Frank Hennig berechnet hat.

In einer Studie von McKinsey „Deutschland droht der Versorgungsengpass“ vom September 2019 wird ein umgehender Bau von 17 000 Megawatt Gaskraftwerken gefordert. Kaum von der Öffentlichkeit beachtet, hat die Bundesnetzagentur vier Gaskraftwerke mit jeweils 300 Megawatt Leistung im Süden Deutschlands genehmigt. Sie werden unter anderem in Biblis durch RWE und in Irsching durch Uniper gebaut. In den Szenarien der Agentur sollen bis zum Jahre 2035 rund 8000 bis 17 000 Megawatt Gaskraftwerke gebaut werden. Gaskraftwerke, die immerhin fast die Hälfte des CO2 eines modernen Kohlekraftwerkes ausstoßen. Jetzt verstehen wir auch die zweite Gazprom-Leitung durch die Ostsee besser. Wenn die Energiewende scheitern sollte, und das ist unabweisbar, setzt die Politik auf Gas. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Pläne der Bundesnetzagentur der breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Es ist auch besser, man lässt das vor den FFF- Zauberlehrlingen unter den Tisch fallen.

Renaissance der Kernenergie

Andere Länder wissen längst, dass eine Energieversorgung nur mit Photovoltaik und Wind nicht funktionieren kann. Für sie ist Kernenergie neben Erdgas der Schlüssel zur Lösung des Problems der Versorgungssicherheit.

Auf die Plätze, fertig, stopp.
Deutschland deindustrialisiert weiter
Die USA und China setzen auf den Ausbau der Kernenergie. Holland erwägt den Wiedereinstieg in die Kernkraft. Das einzige holländische Kernkraftwerk Borssele (Baujahr 1973) soll 2034 abgestellt werden. Geplant sind kleinere modulare Reaktoren. Holland steht der Herausforderung gegenüber, dass die eigene Erdgasförderung aus dem Gasfeld Groningen aus Sicherheitsbedenken (Setzungen) 2022 geschlossen wird. Die regierende Partei VVD des Ministerpräsidenten Mark Rutte hält die Kernenergie für unverzichtbar. Mit Wind- und Sonnenenergie allein könne sich das Land nicht versorgen, da beide einen großen Flächenbedarf haben. Großbritannien ist ohnehin niemals aus der Kernenergie ausgestiegen. Im Zehn-Punkte-Plan des Prime Ministers ist der Ausbau der Kernenergie ein wichtiger Baustein.

In den nun abgeschlossenen Verhandlungen um ein neues CO2-Ziel und den Green Deal der EU, haben Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakei und Tschechien darauf gepocht, dass die CO2-Senkung auch mit Hilfe von Kernenergie erreicht werden kann. Auch für Polen und Frankreich ist dies Voraussetzung zur Zustimmung zu einer „grünen“ Agenda.

Eine neue, vierte Generation der Kerntechnik verspricht zudem, dass die Kraftwerke inhärent sicher sind und keinen langlebigen Atommüll erzeugen. Im Gegenteil, Kernkraftwerke mit schnellen Neutronen, wie der Dual Fluid Reaktor DFR, können bereits vorhandenen Atommüll als Ausgangsstoff einsetzen. Ein Überblick ist in unserem Buch „Unerwünschte Wahrheiten“ nachzulesen.

Überall in der Welt wird die Entwicklung inhärent sicherer Technologien von den Regierungen unterstützt, nur in Deutschland nicht. Aber dafür werden recht still und ohne große Berichterstattung in unseren Medien acht Hochspannungsleitungen ins Ausland geplant. Dann wären wir in der Lage Kernenergiestrom nicht nur aus Frankreich und Tschechien zu importieren, sondern auch aus Schweden, Schweiz, Polen und Holland – wenn diese Länder dann Strom für uns übrig haben.

So taumelt Deutschland in die Zukunft des Jahres 2035 : ein Land nicht nur arm an Emissionen, sondern auch arm an gesicherter Energieerzeugung und Wohlstand.


 

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Kommentare ( 56 )

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56 Comments
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moorwald
3 Jahre her

Zur Zeit wird mit Angsterzeugung regiert. Wie lange mag das noch gelingen? Auf Aufklärung der Menge darf man nicht setzen. Die Leute sind zu sehr an die „offiziellen“ Quellen gewöhnt, den quasi amtlichen Verlautbarungsgestus des Fernsehens. Die Zeit arbeitet sicher im Sinne einer Entdramatisierung. Eine übergroße Mehrheit wird fühlen, daß zwar ihr normales Leben drastisch eingeschränkt ist, sie aber von der so gefährlichen Krankheit gar nichts merkt. Die Restriktionen werden nicht mehr mit dem Auslöser in Verbindung gebracht werden, sondern immer mehr als das wahrgenommen werden, was sie in Wahrheit sind: sinnlose, planlose Willkürakte einer total überforderten Staatsführung. Ein übriges… Mehr

Dreiklang
3 Jahre her

Ein Blick auf energinet.dk : Derzeit importiert Dänemark aus Schweden und Norwegen zusammen ca 2,3 Gigawatt (die Zahlen ändern sich jede Sekunde) bei einem Gesamtverbrauch von 4,3 Gigawatt. Das heißt: Dänemark nimmt „eben mal so“ einen Regelhub von >50% seines Eigenverbrauchs mit seinen nordischen Nachbarn in Anspruch. Die können das stemmen – dank ihrer Wasserkraft. Etwas, das Dänemark nicht hat. Deutschland auch nicht. Da wir keine Nachbarn haben, die jederzeit 50% unseres Eigenverbrauchs als Regelleistung zur Verfügung stellen können, ist die gesamte deutsche „Energiewende“ auf Sand gebaut – und der Verweis auf dänische „Erfolgsgeschichte“ ist Propaganda. Dafür hatten wir früher… Mehr

Korner
3 Jahre her

Die Atomkraftwerke werden schon bald wieder angefahren. Anders lässt sich der Wahnsinn nicht finanzieren. Und das wird nicht das einzige sein, was rückgängig gemacht weden muss. Der Merkelwahnsinn hat dieses Land ruiniert. Das muss korrigiert werden. Die kommende Bundestagswahl ist die beste und leider auch letzte Möglichkeit, diese Wahnsinnige und ihre verblendeten, feigen Mittäter zu stoppen.

Helmut in Aporie
3 Jahre her
Antworten an  Korner

Unsere nicht mehr. Philippsburg gesprengt, Biblis ausgeräumt, Grafenrheinfeld irreversibel im Abbruch usw.
Deutsche Gründlichkeit halt. Oder ist es Hochmut, Wahnsinn oder Dummheit?
Auf jeden Fall ist es grün!

moorwald
3 Jahre her

So dumm dürfte in der Regierung kaum jemand sein, daß er wirklich an die „Klimarettung“ durch das kleine Deutschland (von der CO2-Hypothese abgesehen) oder an eine verläßliche Energieversorgung durch Wind und Sonne glaubt.
Es geht also um ganz andere, sorgsam verborgene Ziele. Da braucht man kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um dies als sicher anzunehmen.
Es genügt, sich die treibenden Kräfte und – wie immer – die unmittelbaren Profiteure anzusehen.
Einfach denken ist eine gute Gabe Gottes (Adenauer)

Dr. Rehmstack
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Sie kommen aus dieser Nummer einfach nicht mehr raus, ohne totalen Gesichtsverlust, Regierung, Presse, ÖR. Merkel, „die alles vom Ende her denkt“, hat für einen billigen Wahlerfolg in BW die Kernkraft geopfert, wie soll sie da jetzt anders argumentieren, wo sie doch mit allen Mitteln den maimstream bedient hat, der ihr jetzt im Nacken sitzt. „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, das sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.“

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Der „Gesichtsverlust“ wird sie weniger kümmern – das Volk ist vergeßlich.
Aber der Machtverlust und derjenige der schönen Pöstchen – das wird schmerzen.

November Man
3 Jahre her

Leider wird das Thema sichere Stromversorgung durch Atom- und Kohle-Kraftwerke die meisten Deutschen erst interessieren wenn kein Strom mehr aus der Steckdose kommt.
Dann aber ist das Erwachen und das Geschrei groß.
Allen voran die grünen Jungdemonstranten die keinen Strom für ihre Computer und Smartphones mehr haben.
Die sind dann die ersten die für eine sichere Stromversorgung demonstrieren.

Wolfgang M
3 Jahre her

Die sogenannte Energiewende ist ein Desaster. Auf der einen Seite nimmt der Strombedarf erheblich zu, wenn auch Mobilität und Wärme über Strom gewährleistet werden soll und andererseits geht die Stromproduktion zurück, wenn Atom- und Kohlekraftwerke abgebaut werden sollen. Die Atomkraftwerke, bei denen es keine Kernschmelze mehr wie in Tschernobyl gibt und die Atommüll verbrennen können, gibt es bereits. Wir bezahlen China Geld, damit die unseren Atommüll abnehmen und für China ist es die Resource zur Stromerzeugung. Man kann nur hoffen, dass irgendwann die Vernunft bei uns einkehrt und dass man nicht überteuert nach Atommülllagern in ganz Deutschland sucht, sondern stattdessen… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Wolfgang M
Dr. Rehmstack
3 Jahre her

Das Wuppertal Institut hat geschrieben, daß ab eines Anteils von 65% an EE zwingend dem Verbrauch entsprechende Stromspeicher zur Verfügung stehen müßten, um die Netzstabilität zu garantieren, die wir aber leider nicht haben und auch nicht zu erwarten sind. (liegt mir schriftlich vor). Mit nur diesem einen Satz konfrontiert, müßte Frau Prof. Kemfert für immer aus den Medien verschwunden sein. Aber eins ist sicher, die Verantwortlichen wissen, was sie tun, glaube keiner, die würden diesen Quatsch selber glauben; als ihnen klar wurde, was da auf sie zukommt, mußte Nordstream II kommen, als das von den USA (von beiden Parteien) unter… Mehr

Monika
3 Jahre her

Wir haben übrigens hier bei uns in der Nähe der Nordsee schon seit Wochen kaum noch Wind. Wenn er mal weht, dann nur ganz leicht. Zum Glück enden ja die Stromleitungen in Hamburg, so fällt das weiter unten im Süden gar nicht auf, das von hier oben in Schleswig-Holstein derzeit so wenig Strom kommt.
Aber so lange die verträumten Hipster-Städter bei uns die Politikrichtungen bestimmen, wird das wohl auch niemanden interessieren, der Strom kommt ja in Berlin usw. aus der Steckdose.

Helmut in Aporie
3 Jahre her

Die Hütte brennt. An allen Ecken und Enden. Rette sich wer kann. Dieses beste aller Deutschlande (Deutschländer?) ist dem Untergang geweiht.
Ruinen schaffen, diesmal ohne Waffen! Hätte nie gedacht, das das so einfach ist!!

horrex
3 Jahre her

Ich wusste weder, dass – ganz stikum – neue Gaskraftwerke genehmigt werden noch dass Leitungen ins benachbarte Ausland in Bau sind. Dass soetwas ganz klammheimlich eingefädelt wird zeigt den Unterschied zwischen scheinheilig und heilig. – Schwant der Frau in Berlin etwa mal irgendwas?? – Oder hat eine (oder zwei) Ebenen darunter das eingefädelt??? Fragen über Fragen!!! 😉

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  horrex

Wahrscheinlich sind Vernunft und Realismus nach wie vor am besten bei den Fachleuten der Verwaltung aufgehoben – z.B. bei der Bundesnetzagentur.
Wenn die ganz oben spinnen, muß weiter unten das Nötige getan werden.

Helmut in Aporie
3 Jahre her
Antworten an  horrex

Nur kommen die mit dem Tempo nicht nach! Man forciert ja den Kohleausstieg und an den Abschaltterminen der Kernkraft hält man eisern fest.
Man hofft anscheinend auf ein Wunder. Man glaubt ja an die Energiewende.
„Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“, sagt Goethe.