Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 77 – Sonderausschreibung

Die Regierungskoalition ist sich Ende Oktober nun einig geworden über die so genannten Sonderausschreibungen, die weiteren Ausbau von Wind- und Sonnenkraft beschleunigen sollen. Ein weiterer Flicken am Stückwerk.

© Sean Gallup/Getty Images

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

S wie

Sonderausschreibung, die

So bezeichnet man eine Marktaktivität, die zusätzlich zu geplanten Ausschreibungen bestimmte Kapazitäten irgendeiner Form gewinnen will. Schon in den Koalitionsverhandlungen zur GroKo entstand die Idee, den Zubau regenerativer Energieanlagen über das vorgesehene Maß zu steigern.

Ursache war die Einsicht, dass die geplante Emissionsminderung an CO2 – minus 40 Prozent bis 2020 – nicht mehr zu erreichen ist. Anstelle die Sinnfälligkeit des damaligen Vor-Fukushima-Ziels zu hinterfragen, bricht das grüne Gewissen der Politiker durch und man versucht, mit dem gleichen, bisher nicht erfolgreichen Instrument des exzessiven Ausbaus volatiler Einspeisung Emissionen zu sparen. Vor lauter Feigheit oder Ideologie oder Ahnungslosigkeit oder Lobbyeinfluss (jeder Politiker kann sich seine Kategorie wählen) wird komplett verdrängt, dass durch den Kernkraftausstieg eine wesentliche Säule emissionsarmer Stromerzeugung ersatzlos entfällt. Stochastisch werden die Regenerativen die Lücke füllen, Grund- und Regellast fallen allerdings emissionsreichen Verfahren wie eben der Kohleverstromung zu.

Nun sollen mit einem so genannten „Energiesammelgesetz“, einem Zusatzgesetz zum EEG, die Verschlimmbesserungen der EEG-Novelle 2017 gedämpft werden. Die Umstellung auf ein System von Ausschreibungen hat die Wind- und Sonnenbranche vergrätzt, sie rührt nun medial die Endzeit-Trommel. Die Verzerrung des Ausschreibungssystems durch so genannte Bürgerenergie-Gesellschaften brachte zusätzliche Verärgerung. Deren leichterer Zugang zum vermeintlichen Markt führte zu Gemeinschaften, die Leute aus der Branche initiierten und mit Strohmännern auffüllten.

Nun also noch mehr von einer Art der Stromeinspeisung, die nach wie vor keinerlei Versorgungsauftrag erfüllen kann. Nachdem Minister Altmaier den Netzausbau zum Schwerpunkt erklärte („Wir sind katastrophal im Verzug.“), schien regierungsseitig der Zusammenhang zwischen Stromerzeugung und –abtransport erkannt worden zu sein. Ein „Aktionsplan Stromnetz“ sollte unter anderem zur Novelle des „Netzausbaubeschleunigungsgesetzes“ im Herbst dieses Jahres führen. Diese Novelle gibt es noch nicht und ob es bis zur Realisierung der sonderausgeschriebenen Kapazitäten wirkt, darf bezweifelt werden. Das Nachhinken des Netzausbaus gegenüber dem Anschluss volatiler Einspeiser wird verstetigt.

Die zusätzlich ausgeschriebenen Kapazitäten (je vier Gigawatt Wind und Solar), über die Volllaststunden (2000 / 900 Stunden) überschlägig berechnet, bringen pro Jahr etwa 11 Terawattstunden Stromproduktion, was etwa der vom Kernkraftwerk Isar 2 entspricht. Gleichzeitig müssen für die Wetterlage Dunkelflaute diese acht Gigawatt konventionell vorgehalten werden – durch wen wohl?

Dankend abgelehnt

Schaut man sich die Beteiligung an den vergangenen regulären Ausschreibungen an, so steigt der Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser aktionistischen politischen Entscheidung. Bei der Oktober-Vergabe konnten mangels Angebot nur 396 von 670 ausgeschriebenen Megawatt installierter Onshore-Leistung bezuschlagt werden. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag bei 6,26 Cent pro Kilowattstunde und damit deutlich über den Gestehungskosten in Braunkohlekraftwerken.

Wie wird sich die Beteiligung an den Sonderausschreibungen entwickeln, wenn nun auch, wie vereinbart, die Interessen betroffener Bürger gestärkt werden sollen? Bundesländer und Kommunen sollen beteiligt werden an den Regelungen zu Mindestabständen, Höhenbegrenzungen, finanziellen Beteiligungen und Planungsverfahren. Das Investitionsrisiko für die Windbranche steigt, weil die GroKo in ihren Verlustängsten bezüglich der Wählerstimmen nun auch den nervenden Landbewohnern, oft angeblich abgehängt und einer bunten, weltoffenen, emissionsfreien Weltsicht schwer zugänglich, Tribut zollen muss. Das dürfte die Teilnahme an den Sonderausschreibungen nicht gerade befeuern.

Apropos Feuer: Die Lufthindernisbefeuerung, so nennt man die rot blinkenden Warnlichter für den Flugverkehr, sollen nur noch bedarfsgerecht eingeschalten werden, also bei Annäherung eines Flugobjekts. Da auch Bestandsanlagen betroffen sind, fallen für die Betreiber Umrüst-Kosten an. Aber dafür gibt es Fördermittel – für die Energieeinsparung . . .

Niemand traut sich, die wahre Ursache der erfolglosen Aktivitäten zu Emissionsminderungen zu benennen: Den Atomausstieg. Wären alle seit 2011 stillgelegten Kernkraftwerke zum 1. Januar 2018 in Betrieb gegangen und bis 31. Dezember 2020 durchgelaufen, wäre die vorgesehene Emissionssenkung an CO2 bis 2020 mit einiger Sicherheit erreicht worden, die Verdrängung von Braunkohlestrom vorausgesetzt. Wie groß die Lücke genau sein wird, weiß allerdings noch niemand. Das IPCC ließ unlängst verlauten, dass das 1,5-Grad-Ziel doch noch erreichbar wäre. Davon berichteten unsere Tendenzmedien ausführlich aber, wie meist, nur selektiv. Eine der Grundlagen der IPCC-Berechnungen war der global starke Ausbau der Kernenergie.

Auch eine andere Variante, der Ersatz alter Kohlekraftwerke durch moderne mit einem entsprechenden Wirkungsgradschub, wäre bezüglich der CO2-Vermeidungskosten wesentlich billiger gekommen.

Aber lassen wir das Teufelszeug und schauen gezwungenermaßen der deutschnationalen Energiewende weiter beim Scheitern zu.


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Kommentare ( 12 )

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W aus der Diaspora
5 Jahre her

„Aber lassen wir das Teufelszeug und schauen gezwungenermaßen der deutschnationalen Energiewende weiter beim Scheitern zu.“

:-))

Es würde mich doch einmal interessieren, ob – und wenn ja, wie – der Autor sich auf einen eventuell länger anhaltenden Stromausfall vorbereitet.

Erich47
5 Jahre her

Wir in Österreich haben es leichter. Zunächst wurde das erste, fast fertige AKW nie in Betrieb genommen. Bei der vom Kanzler Kreisky initiierten Abstimmung spielte allerdings auch eine Rolle, dass er seinen Rücktritt irgendwie ankündigte, falls das Volk dagegen wäre (Kreisky war zu 100% Anhänger der Atomkraft; ebenso die SPÖ). Natürlich blieb er im Amt. Dann haben wir viel Wasserkraft. Deren Ausbau wird allerdings in den letzten Jahrzehnten durch Anrainerproteste faktisch verhindert („Wasserkraft ist gut, aber nicht in unserem Fluss“). Da müssen die seltensten Tierarten herhalten. Was hingegen forciert ausgebaut wird sind Pumpspeicherkraftwerke. Unlängst hat der Chef der Salzburg-Energie so… Mehr

Georg51
5 Jahre her

Ich bin es leid. Ständig diese CO2 Verteufelung. Ist mal jemand auf die Idee gekommen, die Reduktion des vermeintlich dreckigen CO2 als das zu brandmarken was es ist? Zuallererst ist es ein lukratives Geschäftsmodell; ein Umverteilungmodell von Arm zu Reich. So geht grüner Sozialismus. Es ist jedoch noch viel schlimmer. Es ist zutiefst rassistisch. Initiiert von Leuten, welche dem Rassismus angeblich den „Kampf“ angesagt haben. Das ständige mantrahafte „Wider dem CO2“ ist grundsätzlich auf eine Dezimierung der Weltbevölkerung angelegt. Und wen trifft es? Die Armen und Hungernden in den ohnehin schon gebeutelten Ländern. Auch die Armen in Deutschland und Europa… Mehr

Wolfgang M
5 Jahre her

Die AfD sieht den deutschen Untergang auf Grund der Völkerwanderungen, der Islamisierung, der Aushöhlung des Sozialstaates usw. Dieses Angst Schüren und die einfachen Lösungen nennt man Rechtspopulismus.
Die Grünen sehen den Untergang der Welt durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas, durch Atomkraftwerke, durch die Versiegelung, durch den Verkehr usw. Warum nennt man dieses Angst Schüren und die einfachen Lösungen nicht grünen Populismus?

Nibelung
5 Jahre her

Viele Betreiber von Windkraft gehen mittlerweile finanziell am Stock und dann soll dieses fragwürdige Projekt noch weiterhin gefördert werden, welch ein Wahnsinn und das hat nichts mehr mit Vernunft zu tun, das ist reine Idiologie und der Bürger zahlt die Zeche über die höchsten Strompreise in Europa und wenn die Stromversorgung plötzlich zusammenbricht wird der letzte hellwach, dann trifft es ihn und seinen Arbeitsplatz persönlich, vorher wird sich nichts ändern, denn die Leute haben Mitspracherecht, setzen dieses aber falsch ein und das ist unser aller Problem.

Agrophysiker
5 Jahre her

-Verpflichten statt kritisieren Ach warum werden die alternativen Energiequellen hier immer so kritisch gesehen. Ich habe doch von unserer Regierung und den Grünen gelernt, dass die ganz toll sind und bald schon eine Vollversorgung möglich ist. Daher sollte man sich doch die Ausschreibung für die Reserveleistung sparen. Es sit doch kein Problem wenn man die tollen neunen Energielieferaten zur Vollversorgung verpflichtet. D.h. Sie haben einfach sicherzustellen, dass sie stets den Anteil an der Stromversorgung leisten, entsprechend dem Anteil an der Jahresproduktion. Lasst uns mit 1% Plicht anfangen und diese dann pro Monat um 1% anheben (für den Anteil der dies… Mehr

Werner Geiselhart
5 Jahre her

Nachdem die Regierung erkannt hatte, dass ein weiterer Ausbau der WKAs ohne den Netzausbau sinnlos ist, kam sie auf die der grünen Denkweise am nächsten kommenden Lösung: Man baut die WKAs weiter aus.

Georg51
5 Jahre her
Antworten an  Werner Geiselhart

Als sie das Ziel aus den Augen verloren verdoppelten sie ihre Anstrengungen.

nomsm
5 Jahre her

Wieviele dieser Gesetze und Novellen existieren eigentlich zu dieser ganzen „Energiewende“ seit der rot-grünen Machtergreifung, die es uns initial eingebrockt hat.

BK
5 Jahre her

Die bisher sinnlos verballerten 800 Milliarden hätte man besser in die Forschung investiert, und nicht in diese mittelalterliche, bis schwachsinnige Technik. Man kann keinen Industriestaat mit Flatterstrom aus der Windmühle versorgen. Ich denke, es braucht einige große Stromausfälle, die zu massiven Produktionsausfällen, und Verärgerung der Bevölkerung führen. Dann legt sich die Hysterie um CO2 und Erderwärmung, die Leute werden rationaler, und die Grünen Klimaforscher stürzen ab.

Leon
5 Jahre her
Antworten an  BK

Ich würde Ihnen so gern recht geben. Aber ich habe selbst diese Hoffnung auf Vernunft der Mehrheit der Bevölkerung zumindest im Nachgang zu Fehlentwicklungen nicht mehr. Man hätte ja auch denken können, dass die zahlreichen Morde, Anschläge, Vergewaltigungen und sonstigen Straftaten durch illegale Zuwanderer seit 2015 zu einem Umdenken führen würde. Aber nein, bei der Mehrheit wirken staatstreue Medien und ideologiefeste Politiker so meinungsstabilisierend, dass sie die Realität ausblenden oder schlicht ignorieren.

Felix-Schmidt
5 Jahre her
Antworten an  BK

Leider müssen wohl wieder erst Menschen sterben, bis die grüne Ideologie einmal hinterfragt wird. Es ist völlig klar, dass längere Blackouts auch Menschenleben kosten können, wenn z.B. Krankenhäuser keine OPs mehr durchführen können, der Verkehr im Chaos versinkt oder andere lebenswichtige Anlagen längere Zeit ausfallen.
Das alles interessiert Annalena, Robert und Toni aber nicht. Diese grüne Ideologie wird uns noch viel kosten!