Tankrabatt oder Mobilitätsgeld: In jedem Fall hat die Bürokratie Vorrang

Die Koalition streitet, wie man auf die steigenden Benzinpreise reagieren soll. Das Naheliegende und Einfachste, nämlich die radikale Senkung der Energiesteuern, ist für die Regierenden am unattraktivsten.

IMAGO / Sven Simon
Tankstelle in München am 19.03.2022

„Es könnt‘ alles so einfach sein, ist es aber nicht.“ Was die Fantastischen Vier über eine Liebesaffäre rappen, gilt erst recht für die Überlegungen in der Bundesregierung, wie auf die extrem gestiegenen Energiepreise zu reagieren wäre. 

Die Tankstellenpreise sind überall in Europa deutlich gestiegen, akut wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Aber in Deutschland sind sie ganz besonders hoch, sodass sich in weiten Teilen des Landes sogar eine lange Fahrt nach Frankreich, Polen oder gar nach Ungarn zum Tanken lohnt. Also liegt es ganz offensichtlich auch an der deutschen Politik. Die nächstliegende und einfachste Lösung wäre also, schlicht die Energiesteuer deutlich zu senken. 

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Man sollte eigentlich meinen, dass dies gerade dann geschieht, wenn ausgerechnet ein FDP-Vorsitzender Bundesfinanzminister ist. Der erinnert sich vielleicht noch vage an 2010 – er war Generalsekretär –, wie seine Parteifreunde in der damaligen Koalition mit der Union knallhart einen verminderten Mehrwertsteuersatz für das Gastgewerbe (7 statt 19 Prozent) durchsetzten. Diese sogenannte Mövenpick-Steuer ist übrigens immer noch in Kraft. 

So einfach und schnell wie es damals für Hotels ging, ginge es auch jetzt für Tankstellen. Die FDP wurde dafür in der Öffentlichkeit schwer gerüffelt als allzu offensichtlich Hotellier-Lobby-hörig. Lindner scheint vom damaligen Bashing der Medien, das womöglich mit zur Wahlniederlage von 2013 beitrug, traumatisiert zu sein. Jedenfalls fordert er nicht das Einfache, Naheliegende und Vernünftige, sondern schlägt ein bürokratisches Monstrum namens Tankrabatt vor. Die Tankstellenbesitzer sollen demnach nicht einfach nur eine Zahl in ihren Kassen umstellen, sondern müssten dann den erteilten Rabatt beim Finanzamt abrechnen lassen. 

Lindner wird vermutlich aber auch damit nicht durchkommen. Seine roten und grünen Koalitionspartner brandmarken den Rabatt nämlich als unsozial. „Ein Politiker wie ich kann für 2,30 Euro tanken, dem muss der Staat nicht helfen. Aber meine Nachbarin, die als Pflegekraft nach Hamburg pendelt, braucht jetzt Unterstützung“, tönt SPD-Chef Lars Klingbeil schein-großzügig. Statt des bürokratischen Tankrabatts (in Frankreich ist er beschlossene Sache, man schätzt dort bürokratische Lösungen bekanntlich) fordert SPD-Sozialminister also eine noch viel bürokratischere Lösung. 

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Klingbeils Aussage ist nicht nur verlogen, sondern bezeichnend für das Verständnis des Verhältnisses von Bürgern und Staat in der politischen Klasse. Er sagt, die Pflegekraft brauche „Unterstützung“. Aber sie braucht keine Stütze des Staates, sie verdient ihren Lebensunterhalt schließlich selbst – und finanziert mit ihren Steuern noch zusätzlich den Staat. Nicht der Staat stützt die Pflegekraft, sondern umgekehrt! Wenn sie schlicht und einfach die 65 Cent Energiesteuer pro Liter Benzin nicht zahlen müsste, hätte sie ein großes Problem weniger. Allerdings würde dann auch weniger Geld durch die Mühlen der Staatsbürokratie fließen.

Und das wollen Klingbeil und die Bundesregierung verhindern. Darum sprechen er und sein Parteifreund Hubertus Heil lieber von „Unterstützung“ in Form eines „Mobilitätsgeldes“. Der Staat soll nicht weniger einnehmen, sondern einen nach Einkommen gestaffelten Zuschuss auszahlen, der mit dem Monatsgehalt überwiesen werden könne. 

Wir erleben auch in dieser dramatischen Lage die Urkraft des raffenden, wuchernden Staates: Auf einen durch Staatseingriffe mitverursachten Missstand soll der Staat nach Willen der ihn Lenkenden durch einen zusätzlichen Eingriff ins Wirtschaftsleben reagieren. Der Bürger muss erst Steuern zahlen und soll dann dankbarer Empfänger eines staatlichen Almosens werden. Wir lernen: Die Regierenden vertreten auch in einer drastischen Inflationslage, die den Bürgern die Kaufkraft raubt, mit viel sozialem Pathos weniger die Interessen der arbeitenden Berufspendler, sondern sie sorgen sich vor allem darum, dass die staatliche Bürokratie weiter genährt wird.

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Kommentare ( 28 )

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28 Comments
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FerritKappe
2 Jahre her

Das Naheliegende und Einfachste

Zu Hinterfragen, wie kann es sein das wenn der Rohölpreis um ca. 16% Steigt, das dann der Benzinpreis (Vor Steuern) um 58% steigt.

Und das schön einvernehmlich bei allen Mineralölgesellschaften.

Und warum interessiert es die Politik nicht, ach richtig, höherer Preis bedeutet auch höherer Steuereinnahmen.

Donald G
2 Jahre her
Antworten an  FerritKappe

Da ist was dran. Ich frage mich weiter, warum, wenn der aktuelle Ölpreis in Dollar je Barrel der Sorte Brent grade 114,49USD beträgt, an Zapfsäule dafür 2,20 € pro Liter Super fällig werden. Bei der Letzten Problemlage im Juli 2008 kostete das gleiche Barrel 149,22 USD, der Liter Super hingegen „nur“ 1,58 €. An der eingeführten CO2 Abgabe allein wird es wohl nicht liegen. Kann es sein, dass sich hier grade jemand auf unsere Kosten extrem bereichert, bzw. wir all jene Verluste der Ölgesellschaften kompensieren dürfen, die diese grade durch den tränenreichen Abschied aus dem Russlandgeschäft erleiden müssen. Und jetzt… Mehr

jopa
2 Jahre her

Die deutsche Methode: Warum einfach und billig wenn es auch bürokratisch kompliziert und teuer geht. Also wieviel kostet es, die Steuer zu senken und wieviel die Bürokratie des Mobilitätsgeldes? Was wird also in D gemacht werden? Schließlich: Der Bürger Untertan ist für die Gesetze da und nicht die Gesetze für den Bürger. Also grüßt ordentlich alle Gesslerhüte.

Klaus D
2 Jahre her

„In jedem Fall hat die Bürokratie Vorrang.“ DAS ist aber doch typisch für die Konservativen und Liberalen. Seit 1982 werden WIR von den Konservativen und Liberalen regiert und ja die Bürokratie hat immmer weiter zugenommen.

Alf
2 Jahre her

„Ich (Linder) bin für diesen Rabatt, weil er im Zweifel ohne Gesetzgebung direkt (vom Kabinett) entschieden werden kann, weil der Pries an der Zapfsäule gleich bleibt……Mit mir wäre auch zu sprechen über eine steuerliche Maßnahme – die braucht allerdings mehr Zeit, die braucht Gesetzgebung.“ Tolle Idee mit dem Tankrabatt, andere in Vorleistung zu schicken. Keiner ist dafür, dieses bürokratische Monstrum zu erschaffen. Lieber Wochen lang um den Brei schwurbeln. Dann muß man die Bürger nicht entlasten und kann sein Geld weiter für Gender und Co. ausgeben. Der Tankrabatt soll nur wenige Monate gelten. Brauchen wir dann wieder ein Gesetz? Bemerkenswert,… Mehr

Alternativlos
2 Jahre her

Herr Klingbeil vergisst, dass ungelernte Nichtskönner nur im Bundestag üppige Gehälter kassieren können. Während selbst hoch qualifizierte Fachkräfte oft nur einen Bruchteil seiner Bezüge als Lohn erhalten. Wenn Herrn Klingbeil das soziale Gewissen plagt, wenn er als überragender Spitzenverdiener an der Tankstelle weniger Steuern zahlen soll, dann kann er den Betrag ja an Bedürftige spenden, zum Beispiel Menschen, die trotz Vollzeitjob wegen der Agenda 2010 seiner Partei auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind. Überall in Europa werden zeitlich begrenzte Abschläge auf die Energiesteuer diskutiert oder sind bereits beschlossene Sache. Nur in Deutschland wird unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit über ein… Mehr

AlexR
2 Jahre her

Wir wären nicht in Deutschland!

„Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare, Formulare!“.

Hutschnur
2 Jahre her

Vielleicht weht hier der Wind ja auch aus einer ganz anderen Richtung. https://www.welt.de/wirtschaft/article237687989/Tankrabatt-Mobilitaetsgeld-Klimageld-Dem-Staat-fehlt-die-Auszahlungsstelle.html
Auf diesem Wege ist eine Einführung der digitalen ID eventuell einfacher als über den Impfpass. Nur so ein Verdacht. Man wird einfach mega misstrauisch mit der Zeit.

Atheist46
2 Jahre her

Ich bin mir da absolut sicher, dass am Ende eine „Lösung“ gefunden wird, die sich nahtlos an bisherige „Lösungen“ anschließen wird, zumindest dem Ergebnis nach: Auch sie wird in einer grandiosen Umverteilung von unten nach oben enden.

H. Hoffmeister
2 Jahre her

„der raffende, wuchernde Staat“ mit seinem Millionenheer drangsalierender Bürokraten ( hochbezahlt, 35h-Woche, 35 Urlaubstage, 8 -10 Wochen gelben Zusatzurlaub, Homeoffice ) ist der Tod von Wohlstand, Freiheit, Wehrhaftigkeit und Fortschritt.

2 Jahre her

Ich gehe davon aus, dass die grünen Autohasser jegliche Benzinpreissenkung hintertreiben. Die Zerstörung der individuellen Mobilität, insbesondere der Autos über den Benzinpreis, ist ein grünes Ziel seit Jahrzehnten. Darum gibt es auch billigeres Benzin in jedem Nachbarland und das schon seit Wochen, während bei uns die „Diskussion“ in die Länge gezogen wird um möglichst wenig zu ändern.