Scholz wird neuen EU-Schulden keinen Widerstand leisten

Wenn Scholz überhaupt jemals etwas gegen Gemeinschaftsschulden in der EU hatte, so hat er den Widerstand nun eingestellt. Der "Wiederaufbaufonds" wird sicher nicht die Ausnahme bleiben, als die er gerechtfertigt wurde. Und die wichtigste Frage wird nicht einmal gestellt.

IMAGO / SNA
Bundeskanzler Olaf Scholz beim informellen EU-Gipfel in Prag, 07.10.2022

In der Merkel-Ära hat die Bundesregierung zumindest noch offiziell die Umwandlung der EU zu einer Schulden-Union abgelehnt. Damit ist es unter Bundeskanzler Olaf Scholz nun endgültig vorbei. Scholz signalisierte am Rande des EU-Gipfels in der vergangenen Woche in Prag Offenheit für eine gemeinsame Kreditaufnahme für Maßnahmen gegen die „Energiekrise“, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Personen aus seinem Umfeld. Die „dramatische Kehrtwende“ folge der Kritik anderer Staats- und Regierungschefs, dass Deutschlands nationaler 200-Milliarden-Euro-Hilfsplan wirtschaftliche Ungleichgewichte in der EU auslösen könnte. Einzige Bedingung von Scholz für sein Nachgeben ist demnach, dass die gemeinsam aufgenommenen EU-Schulden nicht einfach als Beihilfen, sondern ihrerseits als Kredite an die Mitgliedstaaten gehen sollen. 

Bloomberg schreibt: „Olaf Scholz bekommt eine harte Lektion darüber, was es bedeutet, Deutschland zu regieren“. Ob die Lektion wirklich so hart für Scholz ist, kann man aber bezweifeln. Er hat schließlich als Finanzminister unter Angela Merkel schon reichlich Erfahrung gesammelt, wenn es darum geht, nationale deutsche Interessen aufzugeben. Und wie Merkel ist er geübt darin, dies zunächst zu verschleiern. Scholz vermied am Freitag in Prag nur eine konkrete Antwort auf die Frage zu geben, ob Deutschland eine weitere Runde gemeinsam begebener Schulden unterstützen würde – aber vor allem vermied er ein hartes Nein.

Nach dem Prager Gipfel
Es kann auch niemanden wirklich überraschen, dass nach dem Dammbruch des Corona-„Wiederaufbaufonds“ der EU, an dem Scholz maßgeblich beteiligt war und für den – damals als einmalige Ausnahme bezeichnete – gemeinsame Schulden aufgenommen wurden, interessierte Kreise nun die nächste Gelegenheit dafür nutzen würden, aus der Ausnahme eine neue Normalität zu machen. Der offizielle Name „Next Generation EU“ machte schließlich den Anspruch schon überdeutlich. Und so heißt es denn auch bei Bloomberg mit Berufung auf besagte Quellen, das SURE-Programm, das zu diesem Fonds gehört und Maßnahmen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro in Form von Darlehen an Mitgliedsstaaten beinhaltet – könnte eine Blaupause für ein neues schuldengesichertes Instrument liefern.

Dass Scholz sein Einknicken noch nicht offenlegt, hat laut Bloombergs Quellen aus seinem Umfeld zwei Gründe: Einerseits steht noch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des EU-Wiederaufbaufonds aus. Einen Eilantrag hatten die Karlsruher Verfassungsrichter im April mithilfe des Argumentes abgelehnt, die gemeinsamen Schulden sei ja nur eine Ausnahme. Das wird künftig nicht mehr möglich sein. Eine harte Linie des Gerichts gegen Gemeinschaftsschulden wäre angesichts der Entwicklung der jüngeren Vergangenheit dennoch sehr überraschend.

Der andere, wichtigere Grund für Scholz‘ Verschleierung seines wohl längst beschlossenen Einknickens ist die Aufrechterhaltung einer stärkeren Verhandlungsposition gegenüber der künftigen italienischen Regierung unter – voraussichtlich – Giorgia Meloni. Ihr will Scholz vermutlich Zugeständnisse im Sinne einer EU-freundlicheren Grundhaltung abringen.

Hinter solcherlei taktischen Erwägungen spielt dann die eigentlich wichtigste Frage gar keine große Rolle mehr. Wie eine Krise des Mangels an Energie und der dadurch beschleunigten, auf Staatsschulden und billigem Geld beruhenden Inflation durch noch viel mehr Schulden auf EU-Ebene bewältigt werden soll, ohne die Inflation nur noch weiter anzufeuern. Die Frage wird nicht nur nicht beantwortet. Sie wird von Scholz den anderen Regierenden noch nicht einmal erwogen.

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Kommentare ( 12 )

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Peter Silie
1 Jahr her

Sie hämmern einen Sargnagel nach dem anderen rein. Dabei hätte ein einziger schon gereicht.
Nach dem Zusammenbruch müssen diese Leute zur Rechenschaft gezogen und mit aller Härte bestraft werden. Das ist absolut erforderlich. Angefangen mit Merkel und ihren Helfer.

Ho.mann
1 Jahr her

Wie lange werden wohl die Bittsteller  und die EU-Schulden – und  Wunschbewältigung von Deutschland, das die Rolle des Zahlmeisters der EU bis zur eigenen Schmerzgrenze spielen muss, zu finanzieren sein?  Dazu noch die Masse derer, die mühselig beladen den  Leitspruch „Arbeit ist das halbe Leben, aber ich habe mich für die andere Hälfte entschieden“ in aller Vielfalt und Rundumversorgung voll ausleben. Täglich wird dazu auch mit Hilfe der Energiepolitik dafür gesorgt, dass uns wirtschaftlich, finanziell und sozial schön langsam die Puste ausgeht.

JamesBond
1 Jahr her

Dieser Sozialist Scholz erinnert sich eigentlich an nix, heute hatte er einen hellen Moment: „ Dieser Kanzler-Satz ist politischer Sprengstoff! Dass Kreml-Despot Wladimir Putin (70) Deutschland mit Gas erpressen würde, will Olaf Scholz (64, SPD) immer gewusst haben.“
Hoffentlich frieren ihm im Winter bei 19 Grad im Kanzleramt nicht die letzten Gesichtszüge ein. Ach 19 Grad gilt nur für den dummen Bürger und nicht im Kanzleramt? War doch schon mit der FDP2-Maskenpflicht so, gilt für alle, nur nicht für Politclowns.

Konradin
1 Jahr her

Auf diese Nachricht warten viele, so auch ich, bereits seit „dem Dammbruch des Corona-„Wiederaufbaufonds““. Dass die Aufnahme von dauerhafte Schulden in Höhe von vielen hunderten Milliarden durch die EU „nach dem Dammbruch des Corona-„Wiederaufbaufonds““ nun verstetigt und dauerhaft institutionalisiert wird dürfte niemanden mehr wundern. Eine EU-politische Entscheidung mit Ansage. Es liegt in der Urgenetik der EU: Paris gibt entscheidet – Deutschland wackelt mit dem Kopf und dackelt hinterher. Am Ende zahlen die Deutschen. Deutschland darf nur dann zum Schein nach Außen hin „führen“, wenn es selbst zahlt, es die anderen EU-Länder nichts kostet oder diese sogar finanziell (durch Deutschland) profitieren.… Mehr

Ruhrler
1 Jahr her

Alles kein Problem, die EU verschuldet sich über beide Ohren und irgenwann werden die Stimmen lauter die eine „Währungsreform“ fordern. Dann werden die Bürger mit 40 Euro (oder wie auch immer die neue Währung heißt) abgespeist und wer dann keine Sachwerte besitzt geht wieder „fringsen“ oder betätigt sich als „Kohlenklau“. Siehe 1948:
„Das Festkontengesetz vom Oktober 1948 legte dann ein Umstellungsverhältnis von 100:6,5 fest: Für 100 Reichsmark erhielt man 6,50 DM. Damit wurden private Guthaben stärker enteignet als Schulden.“
Irgendwer muss die Party bezahlen, und das ist letztendlich der Bürger.
https://www.lieblingsmakler-jena.de/finanzen/waehrungsreform/

Thorsten
1 Jahr her

Es gibt keinen Ausweg aus der Schuldenunion. Die Russlandsanktionen und der Ukrainekrieg sind teuer und werden hunderte Milliarden € verschlingen.
Und noch teurer wird der Wiederaufbau. Der Euro wird weiterhin am Abgrund torkeln während die USA ihre Weltherrschaft gegenüber Europa durchsetzen kann.
Die Gefahr dass nun China zur echten Weltmacht wird, ist ein weiteres Problem für Europa. China kann mit seinen Devisenreserven nunmehr munter Europa und Russland aufkaufen. Und wird es auch machen müssen, um sich vor dem Verfall des Euros zu schützen.

bkkopp
1 Jahr her

Wie viele andere auch meint Scholz, dass EU-Gemeinschaftsschulden die Gemeinschaft stärken würden ( Hamilton-Moment ). Die EU-Kommission giert geradezu nach noch mehr Verteilungsmacht für ernannte, und niemandem verantwortlichen Politfunktionäre, und damit finanzielle Einflußmöglichkeiten auf Regierungen, auch zum Aushungern. Das sogenannte EU-Parlament giert nach souveränen Gesetzgebungskompetenzen für die kopflastig links-radikalen Parteiaktivisten, die weder eine legitime Vertretung der Völker sind, noch irgendeine Verantwortung für eine rechtsstaatliche Ordnung haben. Als Krönung der post-demokratischen, föderalen Exekutiv-Diktatur will man dann noch die Einstimmigkeit im Europäischen Rat zurückdrängen, um notfalls mit Geld geschmiert, Gefügigkeit zu erreichen und links-radikale Werte durchzudrücken. Es wird alles nicht funktionieren, aber… Mehr

janapier
1 Jahr her

Seelenlos zusehen, wie die Ukraine von Putin vergewaltigt wird, keinerlei Erinnerung an die eigenen Verstrickungen in cum-ex haben, die eigene Bevölkerung an den Niedrigstbietenden verhökern – das ist Scholzen. Und Hochverrat.

JamesBond
1 Jahr her
Antworten an  janapier

Wenn Grüne plötzlich für Waffenlieferungen sind, sollten alle Alarmglocken schrillen. Das Risiko Atomkraftwerke weiter zu betreiben ist zu hoch, aber einen Wirtschafts-Krieg, der garantiert nicht unserer ist, mit Russland vom Zaun brechen und damit unser Land endgültig zu zerstören, das nenne ich Hochverrat!

EinBuerger
1 Jahr her

Dass es dem Land schadet, ist ihnen sowieso egal. Aber es schadet auch ihnen. So steigen nämlich dadurch die Zinsen für Schulden der BRD. D.h. es wird noch schwieriger, die Bevölkerung mit schuldenfinanzierten Gaben ruhig zu stellen. Wie die Niedersachsenwahl und manche Demo (derzeit vor allem im Osten) zeigt, kann das durchaus für Unruhe sorgen. Außerdem zu Neid auf ihre Einkommen und Pensionen. Das kann z.B. den Druck auf die GEZ deutlich erhöhen. Aber auch für manch Vollversorgten im Politikbetrieb.

Thorsten
1 Jahr her
Antworten an  EinBuerger

Die Niedersachsenwahl hat nur gezeigt, dass den Leuten noch „zu gut“ geht. Die Ampel kann also aufs Gaspedal drücken und noch reichlich Schulden machen.
Die Verantwortungslosigkeit der Grünen und SPD in der Schuldenpolitik ist praktisch deren tägliches Gespräch.
Mal sehen, wann der nächste „Wumms“ kommt. Ein „Wumms“ sind wohl 100 Mrd € Schulden Sondervermögen.

Babylon
1 Jahr her

Alle Dämme brechen. Was macht der Finanzminister? Gar nichts indem er die Richtlinienkompetenz des Kanzlers anerkennt? Irgendwelche Einsprüche der dritten Gewalt? Nicht zu erwarten. Alles geht seinen Gang, vielmehr fließt in das Riesenloch ohne Grund.