Lindner zu US-Wahl: Deutsche Goethe-Institute gegen Trump-Anhänger

Nicht nur deutsche Journalisten, sondern auch Politiker fühlen sich offenbar zuständig für das Wohl Amerikas. Christian Lindner schlägt vor, Goethe-Institute zu errichten, wo Trump-Anhänger leben. Und Baerbock weiß, was der Supreme Court jetzt zu tun hat.

imago images / ZUMA Wire
Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP

Unter all jenen enttäuschten bis entsetzten Reaktion in Deutschland auf das Ausbleiben des vorausgesagten klaren Wahlsieges für Joe Biden stechen einige besonders hervor. Einerseits war und ist die deutsche Fernsehberichterstattung eifrig bemüht, in Grafiken und Worten den Eindruck zu vermitteln, dass Biden schon so gut wie gewonnen habe. Hier offenbart sich womöglich eine Fortentwicklung des Haltungsjournalismus zum Hoffnungsjournalismus. 

Andererseits offenbaren auch deutsche Politiker einen Glauben, auf die Wahlen in den USA Einfluss ausüben zu können. Zum Beispiel Grünen-Chefin Annalena Baerbock: Sie habe ein „mulmiges Gefühl“, sagte sie im ZDF und wichtig sei nun, „dass sich nicht einer als Präsident erklärt, auch wenn die Stimmen final noch gar nicht ausgezählt sind“. Gerichte und andere Institutionen müssten nun „ihre Arbeit machen und sicherstellen, dass auch die letzte Briefwahlstimme ausgezählt wird“, forderte Baerbock, als ob der Supreme Court auf motivierende Ansagen deutscher Grünenpolitikerinnen angewiesen sei. 

Offenbar glaubt mancher deutsche Beobachter tatsächlich, dass man hier irgendeinen Einfluss auf das habe, was da in den USA passiert. Vielleicht ist es aber auch einfach eine Spätfolge der in kulturwissenschaftlichen Seminaren dominierenden konstruktivistischen Ideologie, die nun auf ihrem Marsch durch die Redaktionen vor den Kameras angekommen ist: Demnach gibt es schließlich keine von Worten und Kommunikation unabhängige Wirklichkeit, sondern die wird „konstruiert“, salopp gesagt: herbeigeredet.  

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Den Vogel der deutschen Hybris abgeschossen hat, um es mal so salopp zu formulieren, heute morgen allerdings kein Journalist. Es war der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner. Der hatte sich offenbar Gedanken gemacht, wie Deutschland auf diese Wahlen reagieren müsse, könne oder solle. In dieser „dramatischen Konfliktsituation“ sagte er im ZDF, sei es nun unabhängig vom Endergebnis angesagt, „den Dialog mit den USA“ zu intensivieren. Klingt vernünftig, ist es ja auch eigentlich. Aber dann wird Lindner konkret. Warum nicht „gemeinsame Kabinettssitzungen“, wie man sie schließlich mit Frankreich auch veranstalte? Man fragt sich, wie solch eine außenpolitische Naivität in der einstigen Genscher-Partei möglich sein kann. Aber das war nur die Einleitung. Die Krönung Lindnerscher transatlantischer Visionen kam danach: „Warum machen wir uns nicht auf den Weg, überall dort neue diplomatische Vertretungen beziehungsweise Dialog-Einrichtungen wie Goethe-Institute zu gründen, wo auch die Wähler von Herrn Trump sind. Die USA werden eben nicht nur durch Hollywood und Wallstreet bestimmt, sondern auch durch das Land, was dazwischen liegt … und da müssen wir hin.“   

Man muss sich das konkret vorstellen: Sollen also demnächst die in den USA bestehenden Goethe-Institute aus Atlanta, Boston, Chicago, Los Angeles, San Francisco, Washington und New York in die Prärie von Wyoming umziehen? Oder passenderweise vielleicht in die kleine Hauptstadt von North Dakota, die passenderweise nach dem in Deutschland gar nicht mehr so hoch verehrten einstigen Reichskanzler Bismarck benannt ist? Und da sollen dann eifrige deutsche Germanistik-Dozenten den widerspenstigen Hinterwäldlern (oft mit deutschen Wurzeln!) im Zusammenspiel mit „Hollywood und Wallstreet“ beibringen, was sie zu denken und wen sie bei nächster Gelegenheit zu wählen hätten? So hört sich das zumindest an, was Lindner da vorschlägt. 

Hier offenbart der Vorsitzende einer Partei, die einst von dem Literaten Theodor Heuß mitgegründet wurde, nicht nur ein befremdliches Verständnis von der Aufgabe von Bildungsinstitutionen und auswärtiger deutscher Sprach- und Kulturpolitik. Vor allem offenbart Lindner eine erschreckende Hybris: Ausgerechnet eine Institution des Staates, der als Demokratie erst mit amerikanischer Hilfe entstanden ist, soll den Amerikanern also demokratische Reife vermitteln. 

Vielleicht spekuliert Lindner schon auf eine Vortragsreise durch die neuen Goethe-Institute. Schließlich könnte er dort aus erster Hand berichten, wie vorbildlich Demokratie in Deutschland funktioniert, wo die Bundeskanzlerin nach einer Wahl mit unerwünschtem Ausgang einfach feststellt, dass diese „unverzeihlich“ sei und „rückgängig“ gemacht werden müsse. 

Begleiten könnte ihn dabei dann Margot Käßmann. Die frühpensionierte Bischöfin der evangelischen Kirche und Autorin mit Nähe zum Politikbetrieb hatte die Christen in den USA in ihrer Bild-Kolumne belehrt: „Donald Trump zerstört ganz bewußt Recht und Ordnung. Er befeuert Gewalt und Rassismus, Frauenverachtung und Lüge. Ich finde, Christen dürften ihn am 3.11. nicht wählen.“ Sehr viele Christen in den USA sehen das bekanntlich anders. Gerade die mehrheitlich von evangelischen Christen bewohnten Bundesstaaten im sogenannten Bible-Belt des Mittelwestens sind Trump-Hochburgen.  

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Kommentare ( 92 )

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MRKA
3 Jahre her

Vielleicht sollten sich die Damen und Herren mal das Video von Jonny Rotten in ‚Good Morning Britain‘ anschauen (6:48).
Das wäre gut um deren Horizont zu erweitern.

country boy
3 Jahre her
Antworten an  MRKA

Die Engländer haben Johnny Rotten, wir haben Thomas Gottschalk.

Jan des Bisschop
3 Jahre her

Welchen Stellenwert Herr Lindner einer Wahl beimisst, hat sich bei der Wahl von Herrn Kemmenich deutlich gezeigt. Obwohl die Wahl vollkommen korrekt abgelaufen ist, hat Herr Lindner auf Anweisung von ganz oben oder aus eigener Selbstüberschätzung Herrn Kemmenich zum Rücktritt gezwungen. In unserer Kanzlerinnen Republik ist nichts sicher, wenn es eine bestimmte Person nicht will. Also mein Rat an alle Politiker, die sich jetzt zur Wahl äußern, Maul halten, ihr müsst nehmen, was ihr kriegt und wenn es ein Herr Biden ist, dann dürft ihr euch nicht beschweren.

Ego Mio
3 Jahre her

Für die Leitung dieser neuen Goethe-Institute schlage ich den Herrn Relotius vor. Der kennt sich mit den Trump-Wählern ja schon bestens aus.

Libertardistani
3 Jahre her

In meinen nun über 50 Jahren FDP habe ich genug Beispiele erlebt, wie und dass etliche Funktionäre mit immer mehr Macht oder immer mehr angehäuften Posten, die viel Macht beinhalteten, damit immer weniger umgehen konnten und auch nicht bereit waren, sich von kräftezehrenden Posten zu trennen. Lindner hat seit 2017 an Macht hinzugewonnen… Lindners jetziges Statement entspricht, ins Hybritische überhöht, meiner unmaßgeblichen Meinung nach seinem Verhalten gegenüber Kemmerich. Muss etwa den Amerikanern aka Thüringern das System Merkel erst beigebracht werden? Vor allem: müssen sie par ordre Mufti Germaniae ihre Staatsformen europäisieren und dem bürokratischen Zentralstaat Kompetenzen abtreten (Aus den Opfern… Mehr

Libertardistani
3 Jahre her
Antworten an  Libertardistani

Lindner hat, wie ich eben höre, im Hühnerhof einer Schlagzeilen Liebenden Gazette noch einen draufgesetzt. Warum stellt er sich nicht die Frage, ob Trump ihn je empfangen hätte wollen? Nicht mein Vorsitzender! Er müsste imstande sein, seine Worte vorsichtig abzuwägen und sich einer diplomatischen Ausdrucksweise zu befleißigen. Völlig daneben! Der Geist von Hans-Dietrich möge strafend über ihn kommen! Genscher wäre nie eingefallen, öffentlich in solchen Worten über den Präsidenten der USA herzuziehen! Was wäre passiert, wäre nicht Heiko M., sondern er auf Genschers Stuhl gekommen, und hätte als amtierender AuMi dieses Statement von sich gegeben? Nicht auszudenken!

Peter Pascht
3 Jahre her

„Deutsche Goethe-Institute gegen Trump-Anhänger“ ???
Wenn Herr Lindner seine eigene SED Politik machen möchte, „die FDP, die FDP hat immer Recht“, dann soll er sein Geld oder das der FDP dafür veruntreuen.
Mein Steuergeld zur Förderung der Goethe-Institute kann er dazu nicht veruntreuen.

Peter Schulze
3 Jahre her

Ab Anfang 2016 haben die Mainstreammedien in D beschwörend auf uns eingewirkt, auf keinen Fall D. Trump zu wählen. Waren wir eigentlich wahlberechtigt? Dann wurde Mr. Trump gewählt. Was folgte war eine narzisstische Kränkung der Haltungsjournalisten. Daraufhin erfolgten tägliche Angriffe mit voller Breitseite auf ihn. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt. Die 68er und ihre Schüler waren sehr erfolgreich im Marsch durch die Institutionen, besonders der Medien und Bildungseinrichtungen. Die Anti-Vietnamkriegsbewegung mit ihrem Antiamerikanismus gehört zu ihrer DNA. In D. Trump haben sie nun ihre Hassfigur.

Dieter Kief
3 Jahre her

Christian Lindner ist außer Rand und Band.

Peter Pascht
3 Jahre her

Der lateiner sagt zu solchen Leuten wie Lindner:
„si tacuisses philosophus mansisses“

Peter Pascht
3 Jahre her

„Nicht nur deutsche Journalisten, sondern auch Politiker fühlen sich offenbar zuständig für das Wohl Amerikas.“
Ja aber hallo und ob.
Scholz SPD: „Herr Scholz hat angemahnt, dass alle Stimmen ausgezählt werden müssen.“
Heiko Maas SPD: „Wir müssen darauf achten des der Wahlprozess regelkonform zu Ende gebracht wird.“
Lindner FPD: „Was Trump da tut ist völlig inakzeptabel“
usw, AKK, und viele andere.
Das sind die Politiker, die anderen Einmischung in den Wahlkampf der USA vorwerden.
Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, denn was Recht und richtig ist wissen nur wir.

Last edited 3 Jahre her by Peter Pascht
Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Gemeinsame Kabinettssitzungen mit Luxemburg sind realistischer. Wo auf dem Weg vom Generalsekretär zum Vorsitzenden haben ihn Mut und Realitätssinn verlassen? Hat er jetzt eine Hypothek auf dem Haus oder was ist sein Problem?