Nach dem Flüchtlingsgipfel: die Union und die Wiederentdeckung des politischen Streits 

Die Kommunal- und Landespolitiker der Union zeigen unter dem Druck der Migrationswirklichkeit der Parteiführung, was jetzt not tut: eine scharfe Opposition gegen die illusionäre Asylpolitik von Nancy Faeser und der Ampel.

IMAGO / Jürgen Heinrich
Pressekonferenz zu den Ergebnissen des zweiten Flüchtlingsgipfels von Bund, Ländern und Kommunen im Bundesinnenministerium, 16.02.2023

Die Zeiten der parteiübergreifenden (nur die AfD ausschließenden) Einigkeit in der Migrationspolitik sind vorbei. Das ist das eigentliche Ergebnis des Flüchtlingsgipfels. Der Versuch Nancy Faesers, mit Harmonie-Phrasen – „Seite an Seite“ – und der Verkündigung von vier neuen Arbeitskreisen die dramatische Zuwanderungswirklichkeit in den Kommunen zu übertünchen, ist grandios gescheitert, als unmittelbar nach ihr der Landkreistagspräsident Reinhard Sager sprach. Der Druck durch die wachsenden Migrantenzahlen auf die Kommunen und Landkreise wird von Tag zu Tag und Woche zu Woche größer, sagte er sicht- und hörbar emotionalisiert. 

Wie groß der Streit zwischen der Bundesregierung und zumindest den unionsgeführten Landesregierungen und Kommunen ist, machte dann ein kleiner Eklat im Publikum deutlich. „Heuchelei“, rief der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, und verließ protestierend den Saal. Da hatte gerade Faesers Parteifreund, der Hamburger Innensenator Andy Grote, versucht, die Lage ähnlich wie diese schönzureden und die Fortsetzung der Politik der Bundesregierung gefordert. 

Migration und NGOs
Wie die Union das Programm der AfD in Brüssel kopiert
Endlich, so muss man sagen, ist damit auf dem vielleicht wichtigsten innenpolitischen Feld der Streit offen ausgebrochen, den die Alternativlos-Politik Angela Merkels seit 2015 erstickt hatte. Es ist wohl bezeichnend für den Zustand der Unionsparteien, dass ausgerechnet Kommunal- und Landespolitiker die haltlose Migrationspolitik der Ampel frontal angreifen – während man sich im Konrad-Adenauer-Haus mit dem Rauswurf des Hans-Georg Maaßen und anderen Avancen an die regierenden Grünen selbst verharmlost. 

Aber die Bundespolitiker der Union werden sich dieser Dynamik aus der eigenen Basis, oder jedenfalls von den eigenen kommunalpolitischen Praktikern nicht dauerhaft entziehen können. Deren Überzeugungskraft ist deswegen so groß, weil ihre Motivation erkennbar nicht machtpolitisch, sondern sachpolitisch ist. Hier geht es nicht um Koalitionsoptionen, sondern um den Kern von Politik: das Lösen von Problemen, die den Bürgern wichtig sind. Die Landräte und Bürgermeister stehen mit dem Rücken zur Wand, wie unzählige Alarmrufe in den vergangenen Wochen deutlich gemacht haben. Die Kapazitäten für die Unterbringung und Versorgung weiterer Armutsmigranten sind schlicht am Ende. Wie Hessens Innenminister Peter Beuth sagte: „Die Stimmung im Land droht zu kippen.“

Die CDU wird also von der eigenen Basis, oder jedenfalls ihren kommunalpolitischen Praktikern, gezwungen, wieder das zu sein, was sie in den langen Merkel-Jahren so gründlich verlernt hat: eine Kontrahentin gegen Sozialdemokraten und Grüne auf einem zentralen Politikfeld. In anderen europäischen Ländern und sogar in Brüssel begreifen Politiker der alten Mitte-Rechts-Parteien diese Aufgabe und die darin enthaltene Chance allmählich. Wenn Merz und die führenden Köpfe der Union das nicht tun, verlieren sie ihre Existenzberechtigung. 

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Kommentare ( 86 )

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Fieselsteinchen
1 Jahr her

Denen steht der Bürger mit der Mistgabel vor der Tür, in kleineren Gemeinden auf jeden Fall! Und ich kenne niemanden mehr von den 2015er Flüchtlingshelfern, die sich noch engagieren würden. Unterkante, Oberlippe: „Schnauze voll“! Die Leute haben selbst Existenzprobleme wegen der Inflation und hoher Energiepreise. Da kommen die gut motorisierten, fordernden Ukrainer schlecht an, von den jungen Männer aus Westasien und Afrika mit dem Ticket um die halbe Welt ganz zu schweigen!

Peter Schewe
1 Jahr her

Der Landkreis Regensburg charterte ein Hotelschiff für 200 Flüchtlinge und verorgt diese rund um die Uhr. Den Schiffseigener freuts, er muss das Schiff nicht mal bewegen. Die 1.800 Einwohner zählende Gemeinde Bach wurde nicht mal vorab informiert, der Ärger und Frust entsprechend.
Vorschlag: Alle Hotels und Pensionen beschlagnahmen und als Flüchtlingsunterkünfte nutzen bei vollem Service selbstverständlich. Die Kosten übernimmt eh schon der Steuerzahler. Da wären doch noch ausreichend Kapazitäten für die nächsten Flüchtlingswellen vorhanden.

Demokratius
1 Jahr her

Die Union und die SPD unter Führung von Merkel haben dieses Desaster 2015 doch eingeleitet! Natürlich sind die Kommunalpolitiker vor Ort jetzt am Ende ihrer Kräfte und Möglichkeiten. Man hätte aber die Dinge rechtzeitig regulieren und Ordnung schaffen müssen, ehe „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist. Wenn die Basis der Unionsparteien und der SPD jetzt keinen Aufstand gegen ihre Volkszertreter in Berlin anfangen, dann ist ihnen nicht zu helfen. Die Probleme wachsen ihnen über den Kopf.

StefanB
1 Jahr her

„Wenn Merz und die führenden Köpfe der Union das nicht tun, verlieren sie ihre Existenzberechtigung.“

Haben sie doch längst! Sie könnten diese also nur neu begründen. Mit Grün-Merz und Konsorten wird das allerdings garantiert nichts.

Guzzi_Cali_2
1 Jahr her

Selbst wenn sich etwas ändern würde – ein (notwendiger) Erdrutsch bei diesem Thema ist nicht zu erwarten. Allenfalls Tippelschritte. Und bis mit Tippelschritten zu einer Lösung gefunden ist, ist die Katz‘ den Baum rauf. Meine Befürchtung ist, daß die Herren Unerwünschten hier noch richtig Party machen und irgendwann die Bürger zur Selbsthilfe greifen. Das wird dann die sich selbst erfüllende Nancy-Faser-Prophezeiung, von wegen „das ganze deutsche Volk besteht nur aus Nazis“. Und wenn das Ganze dann so richtig kippt, werden diejenigen das Sagen haben, die man eigentlich so gar nicht will: Die wirklichen Nazis mitsamt ihrer Schlag-drauf-und-frage-erst-danach-Entourage. Da ist es… Mehr

AnSi
1 Jahr her

Es würde nur helfen, wenn man den „ach so unverbindlichen“ Migrationspakt auf der Stelle vor der UN medienwirksam zerreißen würde! Dazu dann mal die „unschützbaren“ Grenzen schützen und abschieben, abschieben, abschieben. Im Land sofortige Umstellung auf nur notwendige Sachleistungen und die auch nur für 6 Monate maximal! Eventuell würde sich das dann herumsprechen, dass es keinen Sinn mehr macht nach D zu reisen um zu kassieren und sich ein besseres Leben zu gönnen.
Aber das sind Träume.
Daher: fliegt sie alle ein! Für jeden, der seit 2015 schrie „Wir haben Platz!“ noch 1000 extra!

HRR
1 Jahr her

Landkreistagspräsident Reinhard Sager: „Der Druck durch die wachsenden Migrantenzahlen auf die Kommunen und Landkreise wird von Tag zu Tag und Woche zu Woche größer, sagte er sicht- und hörbar emotionalisiert.
Es ist wohl bezeichnend für den intellektuellen Zustand der Träger politischer Verantwortung in den Ländern und Kommunen, die sich sehenden Auges von der Regierung in dieses Dilemma haben hineinmanövrieren lassen.
Wenn der Krug bereits zerbrochen am Brunnen liegt, ist es reichlich spät auf grundsätzliche und absehbare Probleme zu reagieren!

Gutmuetiger
1 Jahr her

Mal langsam mit den galoppierenden Pferden.
Vorerst geht es den Kommunalpolitikern erst einmal nur um mehr Geld vom Bund. Geld und Gebäude, das ist das heroische Ziel.
Hieraus eine geänderte Migrationspolitik der Opposition abzuleiten ist ein vollkommen falscher Schluss der gezogen wird.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Ich glaube der Union noch gar nichts. Erst wenn die erste Landtagsfraktion offen mit der AFD kooperiert, ist das Eis gebrochen. Wie 1994 Höppner mit der SED PDS in Sachsen-Anhalt. Wird höchste Zeit.

imapact
1 Jahr her

Die Stimmung ist doch schon lange gekippt. Schon Ende 2015 war die sog. „Willkommenskultur“ nur ein von den Linken ersonnenes Konstrukt. Die wahre Stimmung wird nur mit aller medialen Gewalt und der Einschüchterung, offen über die migrationspolitische Vergewaltigung der Deutschen zu sprechen, unter dem Deckel gehalten. Apropos AfD: nicht nur die Linken schwurbeln stets, daß die AfD bzgl. Migration „keine Konzepte“ habe. Doch, hat sie, seit 2015 und es sind die gleichen, die nun auch von Seiten der Kommunal-und Landkreisverantwortlichen langsam geäußert werden. Diesen Politikern, die an der Front praktischer Bewältigung stehen, hat der Gipfel nochmals in aller Deutlichkeit gezeigt,… Mehr