EU-Gipfel: Deutschland steht als Verlierer schon so gut wie fest

Beim EU-Gipfel wird Deutschland aufgrund seines Widerstands gegen ein Russland-Energieembargo unter Druck geraten, den Plänen für neue gemeinsame Schulden zuzustimmen. Macron und Draghi haben Deutschland nun in der Hand, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

IMAGO / ZUMA Wire
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Der EU-Gipfel in Versailles wird noch bis Freitag andauern, aber den Verlierer kann man eigentlich schon vor Beginn ohne allzu großes Prognoserisiko benennen: Es ist Deutschland, genauer gesagt die deutschen Steuerzahler und Sparer. Aus der Europäischen Kommission war schon im Voraus bekannt geworden, dass man aus Anlass des Krieges in der Ukraine und der erwartbaren Implikationen für die EU-Staaten ein zweites gemeinsames Schuldenprogramm zur Diskussion stellen wird. Das sickerte wohl nicht zufällig unmittelbar nach dem Besuch des italienischen Ministerpräsidenten und Ex-EZB-Präsidenten Mario Draghi bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durch.

Schuldenunion
Dass ein solches Programm, mit dem der angebliche Ausnahmecharakter der gemeinsamen Schulden des EU-„Wiederaufbaufonds“ dann endgültig erledigt und die EU ganz offen zu einer Schuldenunion transformiert wäre, den schon lange gehegten Wünschen der Regierungen in Paris und Rom entspricht, ist bekannt. Und Ursula von der Leyen ist zwar Deutsche, aber wohl nicht zuletzt deswegen von Emmanuel Macron als Kommissionspräsidentin forciert worden, weil sie keine deutschen sondern nur Selbstdarstellungsinteressen kennt. Sie wird nichts gegen eine solche Radikalveränderung der EU zulasten der finanziellen Interessen der Bürger Deutschlands (und anderer Nettozahler- beziehungsweise traditioneller Hartwährungsländer in der EU) tun, das ist allgemein bekannt. Im Gegenteil wird von der Leyen jede Möglichkeit nutzen, die Macht der Brüsseler Behörde, also ihre eigene zu befördern.

Falls es in der neuen Bundesregierung überhaupt noch einen Hauch von Widerstand gegen diesen letzten Schritt zur Mithaftung deutscher Steuerzahler für Schulden anderer EU-Staaten gegeben haben sollte, dürfte er nun angesichts des russischen Angriffskrieges endgültig aufgegeben werden müssen. Denn Berlin steht nach seiner nun als gescheitert entlarvten Russland-Politik enorm unter Druck. Unter Gerhard Schröder und Angela Merkel hat sich Deutschland in Energieabhängigkeit von Russland begeben und kann deswegen kein Energie-Embargo gegen Russland mitmachen. Oder besser gesagt: nur unter dem Risiko der unmittelbaren und fundamentalen Schädigung der eigenen Wirtschaft.

Damit haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi ein Druckmittel in der Hand. Für sie ist jetzt die Gelegenheit günstig, die alten Bedingungen, unter denen Helmut Kohl einst der Währungsunion zustimmte, endgültig abzuschaffen. Vermutlich wird der argumentative Hebel – „wegen euch können wir Russland nicht strenger sanktionieren, also sperrt euch gefälligst nicht“ – auch noch auf anderen Ebenen funktionieren. Zumindest wird die Bundesregierung nun die für sie besonders peinliche Einstufung der Kernenergie als klimaschützend und damit EU-förderungswürdig erst recht nicht mehr verhindern können. Macron kann Scholz auf dessen Klagen über Deutschlands Bedarf an russischem Gas stets antworten: Was musstet ihr auch unbedingt aus der Atomkraft aussteigen!

Dass Deutschland durch diese Zustimmung zur Schuldenunion einem Gasembargo gegen Russland auf Dauer entgehen kann, sollte man dennoch nicht für sicher halten. Wenn die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine scheitern und Putin seinen Angriffskrieg noch lange fortsetzt, wird der Ruf nach noch härteren Sanktionen und dem totalen Embargo noch lauter werden. Berlin wird sich dem auf die Dauer dann nicht entziehen können – auch wenn man vorher bei den gemeinsamen Schulden zugestimmt hat.

Die Perspektive des Ukraine-Krieges für Deutschland ist also besonders düster: neue, zusätzliche Haftung und Zahlungsverpflichtungen in der EU bei einer ungesicherten beziehungsweise sehr stark verteuerten Energieversorgung. Dazu kommen noch die  Kosten für die Versorgung von ukrainischen Flüchtlingen und den künftigen Wiederaufbau der Kriegszerstörungen in der Ukraine, von denen gerade Frankreich und Italien voraussichtlich deutlich weniger betroffen sein werden. Deutschland wird also ökonomisch schwächer, muss aber mehr Lasten tragen.

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Kommentare ( 45 )

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Boudicca
2 Jahre her

Mit großem Pomp wird in Versailles getagt. Sichtbar erleichtert ist man darüber, dass man der Ukraine keine schnelle Aufnahme zusichern kann. So geschlossen war die EU noch nie. Schließlich will man Fehler verhindern und die Ukraine kann die Bedingungen für die Prozeduren für die Aufnahme im Kriegszustand nicht abarbeiten. Die EU mit einer nicht gewählten, sorgsam von Merkel ausgewählten Kommissionspräsidentin, fürchtet die dortige Korruption.
Geht noch mehr Zynismus?

Sonny
2 Jahre her

Egal was ich lese oder höre, täglich wird meine Liste länger, die mir bestätigt, dass ich eigentlich nichts mehr in Deutschland verloren habe und endlich gehen sollte.
Diese dämlichen Heimatgefühle sind einfach nur emotional und dekonstruktiv.

Mindreloaded
2 Jahre her

Wir hätten schon Druckmittel. Schlichtweg alle Zahlungen an die EU einstellen. Eine Parallelwährung in Deutschland installieren und sagen jetzt reichts sonst DEXIT.
…aber der Großteil der Wähler hat das ja bestellt.
…wann werden die Leute in diesem Land erwachsen? Müssen wir uns alle erst wieder auf dem Kartoffelacker treffen, um unser Abendessen zusammen zu suchen, jammernd wie das passieren konnte?

Last edited 2 Jahre her by Mindreloaded
H.Moser
2 Jahre her

Stimme aus der EU
Deutschland soll zahlen, bis es schwarz wird. Seine Moralisiererei und Weltrettungsambitionen sind unerträglich.
Ich hoffe, dass wir Östertrotteln nicht wieder mit Deutschland in den Untergang spazieren ..

Ananda
2 Jahre her

Also eine „moralische“, (keine substanziell unterlegte) Erpressung der EU. Nachvollziehbar, da wir ja der Geldgeber der Party sind. Da könnte man zum Beispiel einfach nein sagen.
Wer garantiert denn,dass Putin uns Morgen nicht den Gashahn abdreht nach dem Wirtschaftskrieg, den die „Werte Gemeinschaft“ mit der erklärten Ansage Russland zu ruinieren vom Zaun gebrochen hat. Mich wundert es offen gesagt, dass Putin immer noch so brav liefert.
Es ist schon schizophren – Putins Gas nehmen aber ihn gleichzeitig schädigen wollen. Das kommt beim Zaren bestimmt gut an und bereitet sicherlich den Weg zur „Deeskalation“.

Hummi
2 Jahre her

All das ist ja nun keine so große Überraschung . Vor solchen Folgen haben viele schon lange gewarnt , aber niemand wollte es glauben .Nun mutiert die EU zur Schuldenunion dessen Last der Dumme Deutsche zu tragen hat .

Wer jetzt noch sagt die Briten wären dumm gewesen den Brexit zu vollziehen , hat immer noch nichts begriffen . Die Briten habe rechtzeitig die Kurve bekommen und sind die Intelligenten !

Barbarossa
2 Jahre her

Nun, Versailles hat schließlich seinen „guten“ Ruf zu verteidigen, Deutschland zum Alleinschuldigen und zur Milchkuh stempeln zu können. Ohne Zweifel geht da noch mehr, aber das Ende der Fahnenstange kommt näher…!

Regina Lange
2 Jahre her

Wir hatten das Dritte Reich und als Nachwehen den Sündenstolz! Der Sündenstolz wird von Politikern, Medien und anderem Geschmeiß zelebriert bis zum Untergang. Deshalb müssen wir bluten, bluten und bluten! Erst wenn Deutschland abgewickelt ist und das Zentralkomitee der EU uns ausgemolken hat, werden sie eventuell von uns ablassen! Ach nein, dann gibt’s Strafzahlungen, weil wir unseren Zahlungsverpflichtungen an die EU und die Welt nicht mehr nachkommen können. Wir sind so oder so die Gearschten. IMMER!

schwarzseher
2 Jahre her

Weit über 90% der Kommentatoren geben meine Meinung über die Zukunft dieses ( ehemals meines ) Landes wieder. Was soll ich sonst noch schreiben, außer daß mit wenigen Ausnahmen sich die Deutschen es selber eingebrockt haben und es nicht besser verdienen.

Teiresias
2 Jahre her

Green Deal ist Inflationspolitik ist Schuldenpolitik.

Die Ersparnisse der Deutschen sollen gegen die Schulden gerechnet werden – zur Freude der Hochfinanz.

Was propagandistisch als höhere Moral verkauft wird, dient lediglich dazu, daß wir beraubten Deutschen als böse Menschen verunglimpft werden können, wenn wir es wagen sollten, uns gegen die große Enteignung zur Wehr zu setzen.