„Bruch der Zivilisation“: Baerbock verhebt sich an ihren Worten

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock will in Russlands Kriegsführung einen "Bruch der Zivilisation" erkennen. Damit inflationiert sie den eindeutig auf den Holocaust bezogenen Begriff "Zivilisationsbruch".

IMAGO / photothek
Annalena Baerbock, Bundesaussenministerin, nach dem Treffen der NATO-Außenminister in Bukarest, 29.11.2022.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in ihrer jüngsten Aussage über Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ihre – bestenfalls – historische Unbedarftheit dokumentiert. Ihr Presse-Statement am Rande eines Treffens der Nato-Minister beginnt mit der Feststellung, dass der russische Machthaber Wladimir Putin „Kälte als Kriegswaffe“ einsetzt. Dann folgt die Behauptung, dies sei ein „brutaler Bruch nicht nur mit dem Völkerrecht, sondern mit unserer Zivilisation“. Sie wiederholte diese Formulierung noch einmal: „Dass dieser brutale Bruch der Zivilisation so geführt wird – also ich hätte mir das in den letzten Jahren niemals vorstellen können.“

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Der Begriff des Zivilisationsbruchs ist von dem Historiker Dan Diner eingeführt worden und stellt den einzigartigen Völkermord des Nazi-Regimes an den europäischen Juden in eine globalgeschichtliche Perspektive. Wer in anderem Zusammenhang von einem „Bruch der Zivilisation“ spricht, hebt diesen also auf eine Ebene mit dem Holocaust – und inflationiert letztlich die Erinnerung daran. Wenn man das, was 2022 in der Ukraine geschieht, einen Zivilisationsbruch nennt, dann macht das Reden vom Zivilisationsbruch keinen Sinn mehr, weil es schon vor 1939 und auch nach 1945 unzählige Angriffskriege wie diesen gab.

So sehr der Angriffskrieg von Putins Regime auch zu verurteilen ist, einen „Bruch der Zivilisation“ stellt er sicher nicht dar. Den Vorwurf, Kälte als Waffe einzusetzen, hatte schon einige Tage zuvor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erhoben. Aber er sprach eben nicht inflationierend von einem Zivilisationsbruch. Der Kriegsbeginn selbst ist zweifellos ein Bruch des Völkerrechts. Aber Baerbock, die sich selbst bekanntlich attestiert „aus dem Völkerrecht“ zu kommen, sprach nicht vom Angriff generell, sondern von der konkreten Art der russischen Kriegsführung.

"Kälte als Waffe" und "Zivilisationsbruch"
Da Russlands Angriff auf die Ukraine bereits ein eklatanter Bruch des Völkerrechts ist, scheint Baerbock den Bruch des (Völker)Rechts im Krieg (ius in bellum) zu meinen, also der internationalen Haager Landkriegsordnung von 1907. In der findet sich ein solches Verbot von „Kälte als Waffe“ aber nicht. Die Verletzung der Landkriegsordnung durch Russland fand ganz unabhängig von der Jahreszeit und der Temperatur schon statt, weil diese nicht gestattet, „unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschiessen“ und generell „die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums ausser in den Fällen, wo diese Zerstörung oder Wegnahme durch die Notwendigkeiten des Krieges dringend erheischt wird“, untersagt. Mit diesen „Notwendigkeiten des Krieges“ haben aber in vielen Kriegen seit 1907 immer wieder Kriegführende Parteien Beschießungen und Bombardierungen von nicht unmittelbar militärischen Zielen gerechtfertigt.

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Kommentare ( 61 )

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RA.Dobke
2 Jahre her

Nun haben wir die GRÖAUAZ! Die „Größte Außenministerin aller Zeiten“ oder doch nur den „Größten Ausfall aller Zeiten“ ?!

alter weisser Mann
2 Jahre her

nicht gestattet, „unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschiessen“
Verteidigt die Ukraine nicht jeden Fußbreit ihres Landes? Beispiel Mariupol: Das hätte man eben klar zur offenen Stadt erklären müssen, um es nicht zerschießen zu lassen (und zu zerschießen). Dann hätte man es aber auch nicht verteidigen dürfen und es nicht benutzen, um dort die Russen militärisch zu binden.
Und auf der Mikroebene ist Völkerrecht eh nicht immer praktikabel und wird nicht beachtet … von allen Kriegführenden.

Nachdenklich
2 Jahre her

Leider sieht sie nicht einmal gut aus mit dem dümmlichen Gesichtsausdruck – wahrscheinlich finden den noch am ehesten Männer gut, die sie selbst als „Chauvi- Schweine“ titulieren würde. Ein Mann mit Hirn würde ihr nicht die Erziehung der gemeinsamen Kinder anvertrauen wollen.

Der Winzer
2 Jahre her

Ich hätte nicht gedacht, dass sie überhaupt in der Lage ist, ein Wort wie „Zivilisation“ fehlerfrei auszusprechen … .

alter weisser Mann
2 Jahre her
Antworten an  Der Winzer

Sie hat doch genug Quark getreten, etwa auf die Frage, ob der nahende Winter als Gefahr nicht etwas spät aufgefallen sei.
Nun ja, sie zerbricht sich mit Hochdruck den Kopf … wenns denn hilft.
Die Vorfälle in Polen …jaja

Last edited 2 Jahre her by alter weisser Mann
Riffelblech
2 Jahre her

Die Grünen in staatlichen Führungspositionen sind an völliger Hohlheit in Wort und Tat sehr einfach zu identifizieren.
Baerbock nimmt darin eine Führungsrolle ein. Will sie ja auch immer und überall gerne .Habeck folgt ihr auf dem Fuße .
Damit ist Duo infernale der deutschen Politik perfekt .
Es wäre freilich nicht fair die vielen anderen Minister und Staatsekretäre der von den Grünen und Gelben und Roten installierten zu vergessen ,die diesen Anspruch nicht weniger erfüllen.

peer stevens
2 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

…nun, was ist zu tun?
…weitere drei Jahre warten und hoffen, dass es sich danach zum „“Besseren wendet“
…aber Achtung: Bis dahin haben ausreichend Fluechtlinge den deutschen Pass und damit aendert sich nichts, denn die waehlen mehrheitlich ihre Sozialversorger mit nur einer Gegenleistung: jede ihrer Stimme fuer -gruen-rot-
…es wird also eher noch viel schlimmer und damit hoffnungslos
….wenn wir jetzt nicht runter vom Sofa kommen, ODER?!

RA.Dobke
2 Jahre her
Antworten an  peer stevens

Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht – oder nicht?!

Ernst-Fr. Siebert
2 Jahre her

Framen tun nur die anderen? „Putins Angriffskrieg“
Schrieb oder sprach man je von Napoleons Angriffskrieg? Oder von Wilhelms Angriffskrieg, nicht einmal von Hitlers Angriffskrieg spricht man. Da reicht es vom Zweiten Weltkrieg zu sprechen.
Oder sollen auch bei Tichy die, die da ein wenig differenzieren, „eingenordet“ werden? Oder ist unklar, wer wen angegriffen hat und man muss es deshalb extra betonen?
Wir lesen hier und wir lesen da und wer wen angegriffen hat, lesen wir auch. Hier manchmal anders als da. Urteilen wollen wir selbst.

peer stevens
2 Jahre her
Antworten an  Ernst-Fr. Siebert

….“Oder von Wilhelms Angriffskrieg, nicht einmal von Hitlers Angriffskrieg…….“ 
…Herr Siebert, auf diese Aussage hin, empfehle ich Ihnen sich einmal in Geschichtsbuechern kundig zu machen
…Sie werden feststellen, wie falsch Sie liegen
…aber bitte lassen Sie bei Ihrer Suche nach den wirklich Veranwotlichen die -offiziellen/offizioesen Machwerke, die nach -45 in Deutschland im Umlauf sind aussen vor

luxlimbus
2 Jahre her

Der einzig zivilisatorische Bruch ist der ungerechtfertigte Aufstieg einer ungebildeten, verwöhnten Trampolinspringerin. Für keine gescheiterte Utopie sich zu schade zu sein, aber jedem die Welt, mit einem beschränkten Wortschatz nur aus Superlativen, erklären wollen.
Wer lässt sich so etwas gefallen?

Johann P.
2 Jahre her

Ihren „Chef“ interessiert das Auftreten und Labern seines Außenministers offenbar nicht die Bohne! Das ist also die „Führung“, die der Kanzlerdarsteller im Wahlkampf großmäulig angekündigt hat: Jeder kann tun und lassen, was er will, Hauptsache, an seinem Sessel wird nicht gesägt. War da nicht mal was mit Richtlinienkompetenz? – Eine so unterirdische Regierungstruppe zusammenzuwürfeln und an den Trögen zu halten, das ist schon genial (im negativen Sinne wohlgemerkt)…

Ralf Poehling
2 Jahre her

Eine absurde Diskussion unter Zivilisten.
Jeder Krieg zwischen den Militärs verschiedener Nationen ist per Definition ein Bruch der Zivilisation, weil das zivile Volk da nichts mehr zu sagen hat.
Genau darum muss das zivile Volk militarisiert werden, um auch im Kriegsfall mitreden zu können und nicht einfach zum Spielball fremder Interessen degradiert wird.

Teide
2 Jahre her

„Kriege sind außerdem bedingungslos materialistisch. Es gibt zwar Theorien über gerechte und ungerechte Kriege, die dann auch betonen, dass die gerechte Sache immer siegt, aber in der groben Wirklichkeit entscheiden solche Dinge wie Produktionskapazitäten und Mobilisierungsfähigkeit. Das sind stets handfeste und berechenbare Dinge, die, nebenbei bemerkt, deutlich für Russland sprachen und sprechen. So deutlich, dass jemand, der sich ernsthaft Gedanken über Kriege macht, darauf geachtet hätte, es nicht dazu kommen zu lassen, weil das Ergebnis, das letztlich eintreten wird, von vorneherein absehbar war. Stattdessen wurde erst jede echte Option auf eine friedliche Lösung versenkt, nein, geradezu verhöhnt, wie von der… Mehr