Lernen zuhause ist kein Ersatz für Unterricht in der Schule

Ein Leipziger Verwaltungsgericht erlaubt Eltern, ihre Kinder zur Schule zu schicken - oder auch nicht. Ein Modell für die Zukunft sollte das nicht sein, denn Homeschooling pur bringt nichts.

Mit zu den größten Kollateralschäden der Corona-Pandemie gehören die Schäden am Bildungswesen und an der Bildung der jungen Leute. Mit Stand 19. Mai kann man sagen, dass die Schüler seit Schließung der Schulen Mitte März je nach Jahrgangsstufe zwischen 200 und 300 Unterrichtsstunden verloren haben. Das ist ein Viertel eines Schuljahres, bis zum Beginn der Sommerferien kann es sich auf ein Drittel ausweiten.

Zumal für Grundschüler, bei denen es um den Erwerb grundlegender Kulturtechniken geht, ist das ein Rückstand, der kaum aufzuholen ist. Das „Homeschooling“ konnte diesen Rückstand kaum ausgleichen. Dass reguläre Schule und Präsenzunterricht auch soziales Lernen sind, lassen wir dabei außer Betracht. Der Lernrückstand selbst lässt sich allenfalls teilweise aufholen, wenn mit dem neuen Schuljahr 2020/2021 – vorbehaltlich einer zweiten Pandemiewelle – nachholende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören eine angemessene Kürzung von Ferien, vorübergehend oder phasenweise die (Wieder-)Einführung eines Samstagsunterrichts und die Wiederentdeckung eines straffen Unterrichtsstils.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Dass – wie jetzt in Sachsen – die Eltern von Grundschülern selbst entscheiden dürfen, ob sie ihre Kinder nach Öffnung der Schulen in die Schule schicken oder nicht, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Das Verwaltungsgericht Leipzig will es so. Eltern eines Siebenjährigen hatten geklagt, dass der Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen den Schülern nicht eingehalten werden könne, und vom Gericht Recht bekommen. Das Kultusministerium, das für die Öffnung der Schulen zusammen mit Infektiologen und Kinderärzten der Kliniken in Dresden und Leipzig ein Konzept entwickelt hatte, beugte sich notgedrungen dieser gerichtlichen Eilentscheidung: Der Schulbesuch ist bei fortdauernder Schulpflicht bis auf weiteres freiwillig.

Freiwillig zur Schule oder eben nicht zur Schule? Da kommen uralte Schülerträume und alte pädagogische Träume zu neuer Blüte: Schluss mit der Schulpflicht, dafür eine Bildungspflicht qua Homeschooling!, heißt die Forderung.

Ist Homeschooling ein Zukunftsmodell? Nein!

Vergessen sei nicht: Die Einführung der Schulpflicht in Deutschland vor – je nach Teilstaat – 200 bis 300 Jahren ist und bleibt eine große soziale Errungenschaft. Damit wird allen sozialen Schichten eine halbwegs solide und breite Bildung ermöglicht, und zwar unabhängig vom Bildungsstand und vom Geldbeutel der Eltern. Gäbe es diese Schulpflicht nicht, so käme wohl kaum mehr als ein Fünftel der Kinder – Kinder nämlich wohlhabender Eltern – in den Genuss von Bildung. Dem Gros der Kinder bliebe solches vorenthalten. Vergessen sei auch nicht: Die Einführung der Schulpflicht war eine Maßnahme zum Schutz der Kinder vor Ausbeutung durch Kinderarbeit.

Was das Homeschooling betrifft, so sind die USA auch in dieser Hinsicht ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Gewiss steckt das öffentliche Schulwesen dort in einem reichlich desaströsen Zustand. Die US-Elite-Schulen und die US-Elite-Universitäten drängen diese Diagnosen oft genug in den Hintergrund. Das Homeschooling hat jedenfalls in den USA allein schon deswegen großen Zulauf bekommen. Angeblich haben sich die Eltern von bereits zwei Millionen Kindern solchermaßen, das heißt durch „opting out“, aus dem öffentlichen Schulwesen ausgeklinkt.

Betrachten wir Homeschooling ganz praktisch. Tatsache ist: Kein Elternpaar kann seinen Kindern an fachlicher Kompetenz mitgeben, was Schule mitgeben kann. Allenfalls im Grundschulbereich mag das möglich sein. Darüber hinaus bedürfte es schon eines privaten Netzwerkes, das schier der regulären Gründung einer Privatschule gleichkäme. Vor allem aber wird „Home-Beschulten“ die ganze Bandbreite schulischen sozialen Lernens und schulischer Kultur vorenthalten. Solche Kinder erleben nicht, was ein Skikurs, eine Studienfahrt zusammen mit einer ganzen Klasse oder was eine gemeinsame Theateraufführung, ein sportlicher Wettstreit mit anderen bedeuten.

Im übrigen darf man nicht übersehen, welche Folgen die Zulassung von Homeschooling gerade in Populationen mit viel Migrationshintergrund hätte. Wer Homeschooling zulässt, müsste nämlich als Alternative zum öffentlichen Pflichtschulwesen den Besuch privat organisierter Koranschulen als Ersatzbeschulung zulassen. Oder ebenso naheliegend, weil an Hunderten von Schulen in Deutschland mit 80 und 90 Prozent Migrantenanteil Realität: Wer vermittelt den oft genug „schuldistanzierten“ muslimischen Kindern und Jugendlichen eine für die spätere gesellschaftliche und berufliche Integration notwendige solide Bildung, die ihre oft bildungsfernen Elternhäuser nicht leisten können oder nicht leisten wollen? Vielen dieser in Parallelgesellschaften lebenden Eltern liegt leider nicht viel am Schulbesuch – zumal am Schulbesuch ihrer Mädchen. Viele solche Eltern gäben die Schulpflicht für ihre Kinder gerne preis.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 35 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

35 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
bfwied
3 Jahre her

Nein! Sie hängen einem idealisierten Bild der Schule an! Wie Sie richtig bemerken, liegt den meisten muslimischen Eltern nichts oder recht wenig an der schulischen Ausbildung ihrer Kinder, sie lernen auch in der Schule in den allermeisten Fällen sehr wenig, und dazu gibt es ein Unmenge an Studien und Aussagen von Lehrern, die Hausbesuche machen – was sie nicht machen müssten – und sehr unfreundlich behandelt werden. Sie ziehen als Beleg die USA heran, aber ohne auf die Klientel einzugehen und die verschiedenen Umstände. Die staatlichen Schulen sind häufig nicht nur nicht schlecht, sondern recht gut. Der Lernrückstand ist ein… Mehr

ioeides
3 Jahre her

Herr Kraus, aus eigener Erfahrung halte ich die Bedeutung zumindest des Oberstufen-Lehrstoffs für das weitere Leben für überschätzt: In den Sommerferien 1963 kam ich nach einem einjährigen Aufenthalt in einer kleinen Gemeinde im Süden Michigans – bewaffnet mit einem „Straight A“ High School Diploma mit Goldschnitt – zurück in meine alte Klasse, mittlerweile Oberprima, an einem Kölner Jungensgymnasium. Infolge einer Schuljahresumstellung stand bereits im Dezember die erste schriftliche Abi-Arbeit (Mathe oder Physik) an, im Februar war das Abi durch und ich konnte – sozusagen als früher G8er – ohne Zeitverzug mein 10semestriges Ingenieurstudium durchziehen. Niemals in den nunmehr 56 Jahren… Mehr

Agrophysiker
3 Jahre her

Bildungspflicht statt Schulpflicht! Nun die allgemeine Schulbildung war sicherlich ein großer Fortschritt. Allerdings stellen die staatlichen Schulen längst nicht mehr überall eine gute Bildung sicher. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass es für Eltern in gewissen Gebieten extrem ratsam ist, dort wegzuziehen, bevor die Kinder in die Schule kommen. Da sind wir von amerikanischen Verhältnissen nicht mehr so weit entfernt. Dort soll übrigens der Bildungsstand der Kinder nach Homeschooling im Durchschnitt sogar deutlich besser sein als bei den öffentlichen Schulen. Insofern gehört meiner Ansicht die Schulpflicht durch eine Bildungspflicht ersetzt (natürlich mit entsprechenden regelmäßigen Prüfungen). Da ist ein liberalerer… Mehr

AlNamrood
3 Jahre her

Der Unterrichtsstoff nach der 6. Klasse kann extrem verdichtet werden. Auch in den Kernfächern. Wichtig ist am Ende nur Mathe und das damit verbundene logische Denken. Eine Textanalyse kann jeder mit IQ im dreistelligen Bereich so schreiben dass sie für die Abituraufgabe reicht.

augustderstarke
3 Jahre her

Ich habe eben mit meiner Enkeltochter (3. Klasse) über Mathematikaufgaben
gebrütet. Textaufgaben von solcher Schwere hatten wir früher in der 6./7. Klas-
se. Was will man mit solchen Übertreibungen erreichen? Mit Gewalt die PISA-
STatistik schönen, oder den Kindern die schöne Mathematik verekeln? Heimbe-
schulung (bin nun mal Deutscher) bei überbordenden Lehrplänen ist kontra-
produktiv. Die Uhr, z.B, wurde im Galopp behandelt, kaum einer der Klasse
kann sie. Wäre in der Heimbeschuling – nur kurzfristig sinnvoll – nicht Wieder-
holen und Festigen richtiger?

AlNamrood
3 Jahre her

Man braucht nur nach Amerika schauen um die Entwicklung abzusehen. Normaler Unterricht ist in den „Inner City Schools“ gar nicht möglich, DESHALB pochen Eltern auf Homeschooling. Berlin ist ja bereits so weit. Die Regelung dass Heimunterricht nicht gleichwertig ist wird sich in unserem Gut-und-Gerne-Land nicht halten können.

Politkaetzchen
3 Jahre her

Das deutsche Bildungssystem hat wesentlich größere Probleme als Homeschooling. Wer wissen will, wieso die Grünen und Linke eine solch treue Anhängerschaft besitzen, muss sich einfach nur die heutigen Schulen ansehen. Die heutigen Schulen sind reinen Entertainmentstätten verkommen: Statt effiziente Wissensvermittlung steht Spaß in Vordergrund, weil sonst armen Kinderchen ja soooo demotiviert und ihrer Wissbegierde beraubt werden, blablabla… Da werden Bildchen gekrackelt, mit Lehrer am Tisch getratscht und Themen, die zu schwer sind, weggestrichen. Im Worst Case werden den Kindern allerhand Flöhe ins Ohr gesetzt, dass sie Gott weiß was können und alles werden können. Die Realität trifft sie dann spätestens… Mehr

Vulkan
3 Jahre her

In mancher Hinsicht stimme ich Ihnen zu, aber ich halte Lernen auf digitalem Weg zumindest für ältere Schüler oder Erwachsene als Zusatzangebot für eine gute Lösung. Ich arbeite selbst als Dozentin in der Erwachsenenbildung, habe kürzlich Corona-bedingt erstmalig einen Online-Kurs angeboten. Die Leistungen waren sehr unterschiedlich, die beste Teilnehmerin erledigte im selben Zeitraum ungefähr 15mal so viele Übungen wie die schlechteste und war total begeistert von dem Angebot. Es war mir klar, dass es deutliche Unterschiede zwischen den beiden gab, aber bei der Gelegenheit fiel mir auf, wie sehr hoch Motivierte im normalen Unterricht manchmal ausgebremst werden. Sehr positiv finde… Mehr

Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  Vulkan

Der digitale Weg ist nur sinnvoll, wenn es auch sinnvoll genutzt wird. Meist aber sind die Menschen zu faul. Mein damaliger Informatikunterricht sah allerdings so aus: Wir durften 90 Minuten in Internet rumsurfen, während der Lehrer sich Bauer sucht Frau anschaute. Um Noten zu generieren hat er einfach uns ein Ankreuztest hingeklatscht.

SpenglersPriest
3 Jahre her
Antworten an  Politkaetzchen

Das liegt aber nicht am digitalen Weg sondern schlicht am Lehrer.

Vulkan hat Recht. Es ist flexibler und es ist die Zukunft. Keine Schule und keine Uni kann an Lehre leisten was das Internet leisten kann, sofern der Schüler/Student wissbegierig ist.

Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  SpenglersPriest

Das ist ja der Knackpunkt. Gutes Lehrpersonal gibt kaum. Entweder sind sie links grün verstrahlt wie mein Deutschlehrer, faul wie der Informatiklehrer oder zu alt, um mit dem Internet umzugehen wie meine Politik Lehrerin.

Proll27
3 Jahre her

Das ist ein Schlüsselbegriff “Wiederentdeckung eines straffen Unterrichts“. Ganz genau darum geht es nämlich, nicht erst in der Phase seit Corona. Wie wäre es z.B. mit Aufnahmeprüfungen für weiterführende Schulen? Unsere Schulen wurden durch linksgrüne Wahnideen sturmreif geschossen. Corona gab ihnen dann den Rest.

Yuminae
3 Jahre her

Mein Sohn geht in NRW zur Schule. Erste Klasse. Ich habe das große Glück Heimarbeit machen zu dürfen und nicht wirklich damit ausgelastet zu sein. Der andere müsste irgendwann in den Kindergarten als bald 4-jähriger, der allerdings ein perfekter Spielkameraden für den Älteren ist. Bislang hatte mein Sohn zweimal Schule und wird bis zum Ende der Sommerferien noch 5 mal gehen dürfen. Lernen schafft er hier zu Hause eindeutig besser. Die zwei Schultag bislang waren ein Witz. Keine Übung, keine Arbeitsblätter und vier Stunden nur mit Mundschutz dasitzen. Mundschutz im Klassenraum? Da ich allerdings von einer grundlegenden Dummheit von Grundschullehrern… Mehr

SpenglersPriest
3 Jahre her
Antworten an  Yuminae

Ja, Homeschooling kann weitaus effektiver sein als das was oftmals in den Schulen geboten wird (aka Beschäftigungstherapie). Ein ehemaliger Kollege hat eine beeindruckende Bildung und Auffassungsgabe, die er mit seinen vielen Geschwistern teilt. Woran liegt es? Die ebenfalls hochgebildete Mutter bliebt daheim und hat die Kinder, zusätzlich zur verpflichtenden Schule, unterrichtet.

Die Schulen orientieren sich an den Schwächsten, müssen politisch korrekt sein, verstehen sich teils auch mehr als Verwahrungsanstalten. Wer das Beste für seine Kinder will, der muss andere Wege beschreiten.