Eine Lektion in Demokratie. Mit Übungen zum Selbststudium.

Das Aufstellen von Fallen ist in der Demokratie so wenig zu verbieten wie das Hineintappen in dieselben. Es ist auch nicht verfassungswidrig.

Auch wenn nun flugs korrigiert werden soll, was nicht ungeschehen gemacht werden kann, wird es lange dauern, bis wieder alle Tassen im Schrank stehen. Das geht nicht von selbst. Wir müssen üben.

I.

Zu besichtigen war also ein „Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte, nicht nur für Thüringen, sondern für ganz Deutschland“ (SPD-Klingbeil). Geht es eine Nummer kleiner? Es ist die Weimar-Keule. Im alten Weimar besaßen die Gegner der Demokratie rechts und links die Mehrheit. Die Diktatur war eine reale Gefahr. Das ist heute nicht der Fall. Diese Geschichte wird sich nicht wiederholen. Heute gehört zur deutschen Staatsräson, dass links besser ist als rechts.

Übung 1: Notieren Sie, weshalb die AfD-Abgeordneten zu Unberührbaren abgestempelt werden, und wem das nützt.

II.

Es gibt in der AfD eine Menge Geschichtsklitterer, Nationalisten, Systemverächter und zu viele stramm gezogene Scheitel über zu vielen Hohlräumen. Außerdem darf der ehemalige Geschichtslehrer Höcke ungestraft Faschist genannt werden. Die Partei tendiert nicht zur Mitte, sondern hat sich zunehmend radikalisiert. Dass mit ihr niemand regieren will, ist verständlich. Das wollte und will ja auch niemand. Aber dann darf man sich auch nicht von der AfD fahrlässig oder bauernschlau oder blöderweise zum Ministerpräsidenten wählen lassen, sondern lehnt die Wahl dankend ab. Zu den Fähigkeiten des Politikers K scheint nicht das Denken von A nach B zu zählen. FDP-Chef Lindner konnte ihn nicht daran hindern, will sich aber nicht schon wieder zum Buhmann der Nation stempeln lassen. Es ist aber bereits geschehen.

Übung 2: Formulieren Sie, was einen Putsch von Punsch unterscheidet.

III.

Der linke Ministerpräsident hatte bereits bei den Wahlen seine Mehrheit verloren. Der Versuch, ihn nicht mehr ins Amt zu wählen, kann deshalb nicht undemokratisch gewesen sein. Dennoch heiligt der gute Zweck nicht das angewandte Mittel. CDU und FDP im Thüringer Landtag haben das ignoriert, Deshalb ließen sie sich von der AfD benutzen. Das Aufstellen von Fallen ist in der Demokratie so wenig zu verbieten wie das Hineintappen in dieselben. Es ist auch nicht verfassungswidrig.

Übung 3: Schreiben Sie auf, weshalb so viele frühere Wähler der CDU und SPD heute AfD wählen.

IV.

Warum machen sich Grüne und SPD eigentlich einen so schlanken Fuß? Das Mantra des Juste Milieu lautet: Bodo Ramelow ist schlimmstenfalls harmlos. Weshalb hat der nette Landesvater dann nicht einfach weiter regiert? Niemand hätte ihn daran hindern können. Niemand hat ihn gezwungen, sich der Wiederwahl zu stellen. War der dialektisch geschulte Kopf der pfiffigere Fallensteller? Hat er nur wählen lassen, um der AfD zu gestatten, die etablierten Parteien vorzuführen? Dann hätte er klammheimlich mit der AfD kooperiert! Er lag mit „wachechten Faschisten“ (nochmals Klingbeil) im Bett!

Übung 4: Versetzen Sie sich in die Lage von Bodo Ramelow. Mit welchen Hintergedanken stellen Sie sich der unnötigen Neuwahl?

V.

Kanzlerin Merkel hält für „unverzeihlich“, was in Thüringen geschah. Sie forderte aus der Ferne, eine korrekt verlaufene Abstimmung „rückgängig zu machen“.

Übung 5: Welche Vorstellung von Demokratie verrät damit die ehemalige CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin?

VI.

„Es war ein schlechter Tag für die Demokratie“ (Merkel et al.) Ob es uns gefällt oder nicht: So geht Demokratie. Sie ist nicht zu verwechseln mit einem evangelischen Kirchentag. Es könnte ein ausgesprochen guter Tag gewesen sein, wenn noch ein paar Rücktritte und Stürze folgen. Auch AKK hat sich vorführen lassen, von Merkel wie von den Parteifreunden in Erfurt. Gar nicht so schlecht wäre der Tag, wenn ihm das Ende der Berliner Koalition folgte. So weit wird es vermutlich nicht kommen. Denn Merkel will Kanzlerin bleiben, koste es was es wolle. Der Niedergang der Altparteien macht die ganze Republik zunehmend schwerer regierbar. Die Thüringer Irrungen und Wirrungen spiegeln nur das Chaos in Berlin. Sie sind so etwas wie das komische Rüpelspiel im ernsten Drama.

Übung 6: Rechnen Sie schnell mal aus, wie viele Prozentpunkte für die AfD auf Merkels Konto gehen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 158 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

158 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Sonny
4 Jahre her

Sehr geehrter Herr Herles, ich akzeptiere Ihre Meinung natürlich. Aber Hand aufs Herz: Wie viele AfD-Politiker kennen Sie tatsächlich persönlich? Und wissen Sie, wie viele gestandene (normale) Menschen, die im außerpolitischen Berufsleben keine Versager sind, Mitglied oder Sympathisanten der AfD sind? Haben Sie mal mit einer repräsentativen Auswahl dieser Menschen wirklich gesprochen? Die AfD besteht nach meinen, zumindest lokalen, Erfahrungen aus Menschen, die weder Nazi noch Systemverächter sind – ganz im Gegenteil. Allen ist die Sorge zuteil, dass Deutschland zunehmend abdriftet in Verhältnisse, die wir n i e wieder wollten und wollen und die Erkenntnis, dass es mit der bisherigen… Mehr

anita b.
4 Jahre her

Herr Hermes , Hand aufs herz. Glauben sie wirklich , dass man in Zukunft um die AFD beim regieren drum herum kommt?
Ich nicht!

anita b.
4 Jahre her

Umbildung ist ein ziemlich treffenden Wort für das, was derzeit in Deutschland passiert.
Glauben sie wirklich , dass die Leute bis in alle Ewigkeit sich merken, welche Worte schon von den Nazis gebraucht wurden.

Gerro Medicus
4 Jahre her

Zitat: „Es gibt in der AfD eine Menge Geschichtsklitterer, Nationalisten, Systemverächter und zu viele stramm gezogene Scheitel über zu vielen Hohlräumen. Außerdem darf der ehemalige Geschichtslehrer Höcke ungestraft Faschist genannt werden. Die Partei tendiert nicht zur Mitte, sondern hat sich zunehmend radikalisiert.“ Zunächst: Geschichtsklitterer. Was verstehen Sie darunter? Leute, die historische Zusammenhänge anders sehen als die offizielle Lesart es vorgibt? Wie der australische Historiker Sir Christopher Munro Clark? Damit meine ich nicht Holocaustleugner – die sind inakzeptabel, allerdings übrigens in vielen Staaten dieser Erde nicht strafbewehrt. Dass es in Deutschland unter Strafe steht ist jedoch gut und richtig. Oder meinen… Mehr

Den Knach
4 Jahre her

Wie schön, Herr Herles, dass Sie wieder als Kontrapunkt in unserer ach so gefährlichen Filterblase agieren.. Ihre Argumente überzeugen mich aber dennoch nicht. Zuerst und vor Allem.. Hören Sie doch endlich auf, die Nazis und Faschisten des Dritten Reichs als rechts zu bezeichnen. Ihr werter Kollege Wegner hat es Ihnen doch so schön aufgearbeitet, dass diese SOZIALISTEN und damit links waren! Hier gerne zum Nachstudieren: https://www.tichyseinblick.de/meinungen/reichsarbeitsdienst-und-tee-auf-der-terrasse/ Und, damit stehen die Ramelows und die Linke aka SED und neuerdings die SPD in der politischen Nachfolge derer, die sie ach so bekämpft. Und zu dem politischen Schmierentheater, das hier im Ländle gezeigt… Mehr

IDa1
4 Jahre her

Meinen sie Herrn Tichy oder den Autor des Artikel, Herrn Herles?

humerd
4 Jahre her

Übung Nr. 6: eine unliebsame Meinungsäußerung öffentlich tätigen. Schon zwingt Merkels verlängerter Arm im EU -Parlament zur Entschuldigung. „Borrell hatte am Mittwoch im Europaparlament gesagt, die Jugendlichen hätten sich von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg mobilisieren lassen, ohne sich der Auswirkungen einer klimaneutralen Zukunft auf ihr Leben bewusst zu sein. Er habe Zweifel, dass sie „bereit sind, ihren Lebensstandard zu senken“. Borrell sprach scherzhaft vom „Greta-Syndrom“. https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-02/klimaaktivistin-anna-de-wever-kritik-josep-borrell-eu “ „Greta-Syndrom“ Von der Leyens Vize entschuldigt sich bei Klima-Aktivisten EU-Kommissionsvize Josep Borrell hat angezweifelt, dass junge Klimawandel-Gegner wirklich bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. Das brachte ihm massive Kritik ein – nun… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Das dem Herrn Herles noch nicht aufgefallen ist, dass es gerade immer diejenigen sind, die anderen Lektionen in Demokratie erteilen wollen, die eigentlich gar nichts verstanden haben, wundert mich langsam immer weniger.

Dieter Kief
4 Jahre her

Herr Herles es wählen mehr Leute AfD wegen Merkel als wegen Ihnen, aber ein paar schon auch wegen Ihnen, vermute ich. Ich weiß nur nicht so recht, ob Ihnen das passt, ehrlich gesagt, ne?!

Tobias_81
4 Jahre her

Man kann über den Artikel von Herrn Herles sicherlich geteilter Meinung sein, aber die Aussage CDU und FDP hätten sich von der AfD benutzen lassen teile ich in keinster Weise. Was haben diese beiden „etablierten Parteien“ denn gemacht? Sie haben einen Kandidaten aufgestellt um ihren Wählern vorzugaukeln das den „Rändern“ nicht das Feld überlassen wird. Wohlwissend das beide (AfD und FDP Kandidaten)nicht gewinnen können und Ramelow als Sieger aus der Wahl geht. Das war Betrug an ihren Wählern und dafür gab es die Quittung. So zu tun als seien FDP und CDU vielleicht naiv, aber aus völliger Überzeugung mit einem… Mehr