WELT AM SONNTAG Nr. 5: Normal – oder?

Der deutsche Spannungsbogen findet sich zwischen dem steil ansteigenden Jubel über den den steilen Aufstieg der Handball-Nationalmannschaft und der Suche nach einer Erklärung für den Helfer in der Migrantenszene, der den Tod eines Asylbewerbers erfand.

Themenmix und Tonlage dieser Ausgabe spiegeln die Befindlichkeit der Republik, stehen die Zeichen stehen auf Gewöhnung an das New Normal. Der Spannungsbogen findet sich zwischen dem steil ansteigenden deutschen Jubel über den den steilen Aufstieg der Handball-Nationalmannschaft und der Suche nach einer Erklärung für den Helfer in der Migrantenszene, der den Tod eines Asylbewerbers erfand. Wer durch diese Ausgabe der WamS sorgfältig geht, findet viel, muss es sich aber selbst erarbeiten. In zwei, drei Storys gebündelt kriegt es der Leser nicht.

Seehofers Reise zu Putin hätte ich nur auf Seite 1 gesetzt, wenn die Geschichte mehr zur „hybriden (Informations)Kriegsführung enthielte als die üblichen Kritiken anderer Politiker. „Im Namen des KREMLS“ auf Seite 6 gibt der Aufttritt von Russlanddeutschen zu denken. Zum nächsten Versatzstück findet man auf  Seite 9: Die NATO bereitet sich auf hybride Bedrohungslagen vor.

Das Gustostück der Frontseite ist ZIPPERTS WORT ZUM SONNTAG, das eins zum Umzug am Rosenmontag ist: „Am besten, wir maskieren uns als Gutmenschen, das ist momentan die denkbar närrischste Verkleidung.“

Aus dem „Das TOR nach Deutschland“ notiere ich, was Cem Terzi vom Verein „Brücke der Völker“ für medizinische Hilfe dem Blatt sagte: „Die EU will der Türkei drei Milliarden Euro für drei Jahre zahlen. Der Umsatz der Schlepperindustrie war im letzten Jahr höher. Glauben Sie, dass dieses Geschäft einfach aufhört?“

Den neuen Standard für den Weg nach Deutschland beschreiben Bundespolizisten mit „Ein Tag, ein Land“ – sieben Tage von Bagdad bis an den Inn. Die aufrichtigen Migranten büßen für die Nennung ihres wahren Zieles Finnland zu ihrem Familienvater. Hätten sie Deutschland gesagt, wären sie drin, so werden sie nach Österreich zurückgeschickt.

PC – politische Korrektheit – ist scheinbar unbegrenzt steigerungsfähig: Was aus den USA noch alles zu uns kommen könnte und was es bisher bewirkt hat, kein reisserisches und deshalb lesenswertes Stück. Gegenüber auf Seite 9 berichtet über die Aktivitäten der SVP vor der nächsten Volksabstimmung über die schnellere Abstimmung krimineller Ausländer. Die Stimmungslage der Schweizer spiegelt die bei den Nachbarn.

„Lügen in Zeiten des Internets“, Torsten Krauels Befund ist schlüssig: „Staatliche Eingriffe würden dafür sorgen, dass Gerüchte sich noch stärker verbreiten. Nur ein freies Internet bändigt die Anarchie, die eben dieses freie Internet täglich produziert. Die Marktwirtschaft und die Wahrheit … sind in der digitalen Welt ein mächtiges Gespann.“

Titel-Thema „Haus und VORBEI“: informativ, aber für einen Titel zu schmal. „ANGST macht Schule“: Schulschwänzer, die der Arzt Schulvermeider nennt – das zentrale Problem der Schulwirklichkeit ist das nicht.

„Warten auf die WELLE“: Gezeiten-Energie-Technik ist soweit, aber Politik subventioniert weiter Windenergie. Ob der Unterschied zwischen Wind und Gezeiten noch zu ihr durchdringt? „Tidenenergie hat den Riesenvorteil, dass sie absolut verlässlich ist.“

„Das letzte FERTIGMAHL“: Nach der Tabakindustrie droht der Lebensmittelindustrie der Abstieg. Das ist wohl mehr Wunsch als Wirklichkeit. Interessante Informationen allemal. Die Werbeseite von ALDI-Süd gegenüber ist geradezu redaktionell: 1 kg Miesmuscheln küchenfertig für € 2,95 – wer greift da nicht zu?

Bei der wachsenden Vorliebe von Top-Managern (vor allem aus dem Vertriebsbereich) für Risiko-Sportarten statt Golf höre ich auf zu rapportieren.

Zurück zum Gesamteindruck: Fast alles mit Interesse gelesen, nichts mit Faszination. Aber das spiegelt unsere Tage gut.

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