Panama und Migranten

Dass sich in Steueroasen durch die Opera Buffa Panama Papers etwas ändert, glauben nur Unbedarfte. Aber Seiten-füllend ist es und von anderen Themen lenkt es ab. Erst mal. Auch in der Sonntagspresse. Für Sie gelesen von Roland Tichy und Fritz Goergen.

„Panama ist überall – Ab wann ist Steuern sparen asozial“ blättert die BamS auf ihrer Doppelseite „DEBATTE AM SONNTAG“ allgemein verständlich auf. Den Platz für Wolfgang Schäubles persönlichen Beitrag „Wir brauchen weltweit völlige Transparenz“ hätte das Blatt sparen können. Solche Politiker-Sprüche nimmt längst niemand mehr für bare Münze. BILD-like praktisch die Ergänzung mit „9 völlig legale Steuertricks für Jedermann“: „Wer dem Staat unnötig Geld schenkt, ist blöd“.

Um Geld geht es auch bei dem interessanten Bericht über den jungen Berliner Valentin Stalf, der mit einer Smartphone-App ein kostenloses Girokonto plus weltweit funktionierende Kreditkarte bietet und so die übliche Bank ersetzt. Ob die Sparkasse und ihre Branchenverwandten die Signale hören?

In „London, Hauptstadt der Geldwäscherei“ im Wirtschaftsteil der NZZ spottet der englische Staranwalt Geoffrey Robertson:“Grossbritannien ist das Herz, die Nabe der internationalen Steuerflucht, indem es diesem Restposten des Empire erlaubt, das Steuergeheimnis zu behalten und Offshore-Trusts oder -Firmen zu betreiben.“

Auch die „Steuerparadiese in den USA“ kriegen ihr Fett weg und der zahnlose Obama, aus dessen Sprüchen nichts wird. „Panama-Affäre erschüttert Grossbritannien“ titelt die NZZ am Sonntag: Der Stuhl von Premier Cameron wackelt. Ist das schon eine Vorentscheidung über den Brexit? Noch mehr über Panama – „Schlaumeier Inc.“ – im NZZ-Hintergrund.

In „30% weniger VW-Boni“ berichtet die BamS, dass Winterkorns Nachfolger Müller morgen einen solchen freiwilligen Verzicht für die Konzernvorstände vorschlagen wird. Eine Bewertung kann das Blatt ja noch nachreichen: Das klingt nach Zeitgewinn und nicht nach Systemkorrektur.

„WER BESTIMMT JETZT, WER ZU UNS DARF?“ Hier zeigt die BamS, wie unklar und widersprüchlich „Der offizielle Weg nach Deutschland“ und die bisher sichtbare Praxis des Merkel&Erdogan-Deals zur Abschiebung der Migranten aus Griechenland in die Türkei und im Gegenzug der Abholung von anderen Migranten aus der Türkei anläuft.

Die NZZ am Sonntag lässt ihre Leute vor Ort und Stelle berichten: „Flüchtlinge unerwünscht“. Im Fischerdorf Dikili gegenüber von Lesbos wollen sie keine Flüchtlinge mehr sehen, weil sie auf ihre Touristen warten. „Die Stimmung hat sich völlig gedreht“ zitiert die NZZ den Organisator der Suppenküche auf der griechischen Seite: „Auf der Insel Chios herrscht Chaos“. Dort, aber auch in Nordgriechenland stürmen Griechen die „Sitzungen von Gemeinderäten und prügeln sich mit Flüchtlingen und der Polizei.“

Auch aus Dikili: „Begonnen hatte der Ärger in Dikili im März, als die türkische Küstenwache, Marine und Gendarmerie mehr als 1.700 Flüchtlinge in der Ägäis auf(brachte) … und in Sporthallen und Schulen in dem rund 35.000 Einwohner zählenden Städtchen“ steckten. „Die Syrer rebellierten, steckten Decken und Matratzen in Brand und zerschlugen das Mobiliar.“ Die Regierung sagt, die Syrer würden in Zukunft per Flugzeug aus Griechenland direkt ins südtürkische Adana transportiert. Amnesty International vermutet, dass sie von dort illegal nach Syrien abgeschoben werden. Die Regierung sagt, nein, sie werden in einem Lager untergrbracht.

Mit der Mutter eines Teilnehmers des markant ins Bild gesetzten Kinder-Marathons hat die BamS im oberösterreichischen Linz gesprochen. Die Mutter will ihren fitten Zweijährigen nicht ins Ziel gezerrt haben, aber ihr Ziel ist klar: „Wenn wir uns in zwanzig Jahren wiedertreffen, ist Nikita Eishockeyprofi, das weiß ich jetzt schon.“ Das zerrt schon  – oder?

Viel kritischen und lehrreichen Lese-Reichtum bietet die WamS dieses Wochenende: „Der Angstgegner“ lautet die Zeile von Michael Gassmann und Benedikt Fuest über das neue Wachstum von Amazon. Lebensmittel, eigene Logistik, TV und Unterhaltung: Kaum ein Bereich bleibt tabu. Es ist eine lesenswerte Story, weil sie nach vorne schaut und Gefahren für die herkömmliche Struktur von Handel und Industrie aufzeigt – das ist die eigentliche Dynamik der Digitalisierung: Nicht abstrakte Technologien, sondern ziemlich handfestes Zupacken. Es zeigt eine Dynamik, der Old Europe nichts entgegenzusetzen hat: unternehmerische und technologische Dynamik.

Beim Thema Euro verfolgt die Redaktion die Fährte von vergangener Woche: Die Enteignung deutscher Sparer, bislang als von Gott gewollt und von Merkel exekutiert, ist mittlerweile als Thema sogar bei dem einen oder anderen Politiker angekommen. Armut im Alter rückt näher und ist künstlich von einer völlig irren Währungspolitik geradewegs gemacht.

„Sie hat einen Gewissensberater“, titelt Inga Michler über Susanne Klatten. Sie spendet nicht nur Millionen, sondern hat auch einen „innovativen Ansatz in der Philanthropie“, will „Das Beste für die Zivilgesellschaft rausholen“ lassen. Allerdings ist die Story zu nahe am Beratungsunternehmen; gut Ding will heute auch einen Berater haben.

Dazu in der Politik als Glanzstück das Interview mit Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der über die Bedrohung unserer Ordnung durch den islamischen Terror warnt: „Das islamistisch-terroristische Potenzial liegt bei etwa 1.100 Personen. Zudem verzeichnen wir 8.650 Salafisten. Die Zahl steigt täglich.“ Da schau her – und auch „Die AfD ist aus unserer Sicht derzeit keine rechtsextremistische Partei“, auch die weiteren Voraussetzungen für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz fehlten.

„Kriminelle arabische Großfamilien beherrschen ganze Stadtviertel – nun rekrutieren sie auch in Flüchtlingsheimen“, sagt er. Wer hätte das gedacht – jedenfalls wäre, wer Maaßens Aussage vor einem Jahr für erwartbar gehalten hätte, sofort in die Trommel der Regierungsweißwaschungsmaschine gekommen und so lange geschleudert worden, bis er widerrufen hätte. Die WamS legt sich weiter an. Wohl mit  Deckung des Springer-Vorstandschefs Matthias Döpfner, der über die Erdogan-Nummer von Jan Böhmermann herzlich lachen kann und die Satire mit einem Tucholsky-Zitat verteidigt, das Sie hier auch schon lesen konnten.

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