„Beängstigend, dass der Staat vor Extremisten kapituliert“

Zuerst wurde Lucke am Reden gehindert, dann de Maizière, jetzt darf Lindner nicht auftreten. Wenn das in dem atemberaubenden Tempo weiter geht, ist bald kein Nicht-Linker mehr übrig, der sich öffentlich gegen diese durch linke Gewalt erwirkten Redeverbote wehren könnte.

© Carsten Koall/Getty Images
Symbolbild

Was für eine Szene: Ausgerechnet Thomas de Maizière, Christdemokrat und bis vor gar nicht allzu langer Zeit Innenminister, der Mann, der aus Angst vor unschönen Bildern ganz wesentlich an der Entscheidung beteiligt war, die deutschen Grenzen nicht zu schließen, der in seiner Amtszeit als Verfassungsschutzminister die linksradikale Antifa zu bislang kaum gekannter Größe aufsteigen ließ (sie war ja hilfreich im Kampf gegen den politischen Gegner), wurde nun selbst Opfer der Geister, die er, wenn schon nicht rief, so doch zumindest stillschweigend mehr oder wenig duldete: Ein Bündnis aus FridaysForFuture und Antifa verhinderte am Montagabend beim Göttinger „Literaturherbst“ einen Auftritt des Christdemokraten aus der alten Hugenottenfamilie, die auch in deutschen Diktaturen durchaus einflussreich war.

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— Andreas Hallaschka (@Hallaschka_HH) October 22, 2019

„Die Polizei hält es für zu gefährlich, wir müssen uns der Gewalt beugen“, erklärte der Geschäftsführer des Literaturherbstes, Johannes-Peter Herberhold laut HNA.

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Er berichtete, dass er von Demonstranten attackiert wurde, die dabei Teile seiner Kleidung zerrissen. De Maizière selbst war mit einem Unions-Abgeordnetenkollegen zu Fuß bereits auf dem Weg zum Veranstaltungsort, als er benachrichtigt wurde von den Tumulten. Die beiden Politiker sind „daraufhin unbemerkt über einen Hintereingang in ein Restaurant im Rathaus gelangt“, heißt es in einem Bericht der HNA, was wohl eine beschönigende Wortwahl ist: Man könnte auch von Flucht sprechen. Nach der Absage der Veranstaltung musste de Maizière den Angaben zufolge von einer Zivilstreife am Hintereingang des Restaurants abgeholt worden. Eine Augenzeugin sagte laut Presseberichten: „Es ist beängstigend, dass der Staat vor Extremisten kapituliert.“

Schon kurz vor der Szene in Göttingen verhinderten vergangene Woche linke „Aktivisten“, wie Störer, Extremisten und Gewalttäter heute beschönigend genannt werden, eine Lesung des AfD-Gründers Bernd Lucke, der nach fünf Jahren im EU-Parlament an seinen Arbeitsplatz an die Hamburger Universität zurückkehrte. Er wurde in Sprechchören als „Nazi-Schwein“ beschimpft und mit Gewalt am Halten seines Vortrages gehindert. Er blieb dann schweigend im Saal. Für den Professor und das Recht auf Redefreiheit einzustehen, dazu raffte sich den Videomaterialien zufolge niemand von den Studenten im Saal auf – sie blieben einfach sitzen.

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Statt eines glasklaren Bekenntnisses zur Freiheit von Meinung und Lehre zeigten Universitätsleitung und grüne Wissenschaftssenatorin kaum verhohlen Verständnis für die gewaltsamen Störer. Später hieß es gar vom ASTA und einer Hamburger Linkenabgeordneten, Lucke habe durch sein Verbleiben im Saal und weil er sich zwischen seine Studenten begeben habe, selbst eskaliert, anstatt den Saal sofort zur Deeskalation zu verlassen. Somit wäre er für die hässlichen Geschehnisse selbst verantwortlich gewesen. Man muss sich das einmal bewusst machen: Das Opfer soll an der Aggression schuld sein, weil es sich nicht freiwillig zurückzog. Leider eine Denkweise, die in Deutschland auch in ganz anderen Bereichen anzutreffen ist – etwa bei Außenpolitikern oder bei Richtern.

Drittes Opfer der Angriffe auf die Meinungsfreiheit binnen weniger Tage war FDP-Chef Christian Lindner. Ihm wurde mitgeteilt, dass er bei einer Veranstaltung in der Universität Hamburg nicht reden dürfe. Das habe ihm deren Präsident ohne Begründung mitgeteilt, sagte der Liberale und schrieb auf twitter: „An @unihh werden nicht nur Vorlesungen gestört. Auch ich wollte dort mit Studierenden diskutieren. Das wurde untersagt. Wir brauchen aber mehr #Debatte, nicht weniger. Ich habe die grüne Wissenschaftssenatorin per Brief aufgefordet, sich für die #Meinungsfreiheit einzusetzen.“ Zudem gab es Attacken auf Büros von CDU- und FDP-Abgeordneten, unter anderem wurde eine Frontseite dabei mit Hammer und Sichel beschmiert.

Früher trafen die Attacken und Versuche des Mundtotmachens von linken Extremisten hauptsächlich Mitglieder der AfD und Bürger, denen nachgesagt wurde, dass sie ihr nahestehen, oder solche, die mit politisch inkorrekten Thesen den linksgrünen Zeitgeist provozierten. Die Politiker aus der Mitte sahen weg, weil sie glaubten, es betreffe sie ja nicht – und weil es politisch hilfreich für sie war. Jetzt passiert das, was auch nur mit einem bisschen Verstand vorhersehbar gewesen wäre: Die extremistische Welle erfasst nun auch immer öfter und in immer kürzeren Abständen sie selbst.

Erst Lucke, dann de Maizière, jetzt Lindner: Wenn das in dem atemberaubenden Tempo weiter geht, ist bald kein Nicht-Linker mehr übrig, der sich öffentlich gegen diese durch linke Gewalt erwirkten Redeverbote wehren könnte.

Bemerkenswert ist, dass sich die Linksextremisten immer auf Opfer konzentrieren, von denen keine Gegenwehr zu erwarten ist, und bei denen es den „Mut“ gratis gibt: Wo sind diese Protestierer bei antisemitischen Aktionen wie den Al-Quds-Demos in Berlin oder Verbrennungen der israelischen Flagge vor dem Brandenburger Tor?

Die Ereignisse der letzten Tage machen wieder einmal deutlich, wie stark unsere Demokratie von Linksextremen gefährdet wird. Im Gegensatz zu Rechtsextremen, die weitgehend geächtet sind, sind Linksextreme mit ihrem Gedankengut sehr weit in die Köpfe vieler Menschen vorgedrungen – bis hinein in Ämter, Behörden und Medien. Die Attacken auf die Redefreiheit entlarven auch, wie scheinheilig die ständigen Beteuerungen von vielen Journalisten und Politikern sind, die Meinungsfreiheit hierzulande sei nicht in Gefahr.

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So schreibt Florian Neuhann, Korrespondent im Hauptstadtstudio des ZDF, auf twitter: „Nein, solche Störungen sind _nicht_ in Ordnung. Ein Professor soll Vorlesungen störungsfrei halten dürfen, ein Ex-Innenminister ohne Probleme diskutieren dürfen. Aber wer dafür das Label #Meinungsfreiheit bemüht, sollte wissen, wem er mit diesem Narrativ in die Hände spielt.“ Es ist unfassbar – mehr als die extremistische Gewalt scheint den ZDF-Mann zu stören, dass Kritik daran den Falschen nutzt. Und Meinungsfreiheit sieht er als „Label“, also als Kampfbegriff, und zwar des politischen Gegners.

Das erinnert an finstere Zeiten in der deutschen Geschichte. In der DDR wurde Kritik tabuisiert mit dem Hinweis, sie spiele dem Klassenfeind in die Hände. Sie ist wieder da, diese alte Methode – seit Angela Merkel das Land regiert, ist sie fast allgegenwärtig, gerade auch in den öffentlich-rechtlichen Medien ((Details hier). Die ersetzen heute nur „Klassenfeind“ mit AfD/Rechts. Fakten bleiben Fakten, egal wem sie nützen.


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