ISIS erobert Libyen: Lieber Westerwelle als Obama

Westerwelle wurde für seine Haltung im Libyenkrieg von allen Seiten attackiert  

Guido Westerwelle ist von allen deutschen Leitmedien und aus allen deutschen Parteien, inklusive der FDP selber, in 2011 maßlos und, wie man sieht, komplett irrsinnig attackiert worden. In Deutschland war die gesamte Nomen Klatura, exklusive der Linkspartei und exklusive Westerwelle und exklusive weniger besonnener Stimmen und exklusive ein ganz kleines bisschen einer elegant herumeiernden Bundeskanzlerin, förmlich im Kriegsrausch gewesen:  Gaddafi hat Menschenrechte gebrochen und die meist islamistisch orientierten Rebellen mit Bomben beworfen und müsste nun, endlich mal wieder  schöner moralischer Krieg mit Marschflugkörpern und modernster Waffentechnik aus dem Amt gebombt werden. Flugverbotszone hieß die Kampfparole. Ales andere außer Krieg wäre unmoralisch, abwegig!  Und Westerwelles Ablehnung des Krieges und die von ihm forcierte deutsche Enthaltung im Weltsicherheitsrat wären verwerflich.

Mensch, Leute! Wisst ihr nicht mehr, was ihr geschrieben und gesendet habt und in welchem Brustton überheblicher Überzeugung ihr dabei aufgetreten seid? Westerwelles Karriere, auch innerhalb der FDP, ist ganz wesentlich durch dessen ablehnende Haltung dem Libyenkrieg gegenüber zu ihrem Ende gebracht worden und doch steht fest, mindestens heute, dass ihr euch alle geirrt habt und dass Westerwelle Recht hatte. Und dass jetzt ganz konkret und in weit intensiverer Weise die Menschenrechte verletzt werden als bis vor vier Jahren. Westerwelle ist unter dem öffentlichen Druck gegen seine Person zusammengebrochen und hat in letzter Minute noch abgeschworen, es hat ihm nichts mehr genützt. 

Die brutalen Fehleinschätzungen der Politikerklasse und der Mediengewaltigen haben die Welt zum schlechteren verändert und Abhilfe ist nicht in Sicht. Denn jede Abhilfe setzt voraus, dass diejenigen, die sich mit ihren damaligen Irrtümern in ihrer Karriere erst richtig eingerichtet haben, und auch heute noch sehr viele Irrtümer obendrauf produzieren, zu einer selbstkritischen Katharsis den Mut finden. Auch einfach mal abtreten und Reue zeigen, ein Beispiel geben, wäre angesagt; Wir haben Fehler gemacht, wir haben alles komplett falsch eingeschätzt und wir haben irreversible Verschlechterungen für die Menschenrechte bewirkt. Wir haben mit dem Begriff Menschenrechte gespielt, um uns in unserer moralischen Schönheit zu sonnen. Westerwelles Motivlage, oder besser, die ihm unterstellte Motivlage sind völlig irrelevant: Seine Haltung zum Libyenkrieg, der ja nur ein kleiner großer Teil der Gesamtpolitik in der Region war, der aber eine entscheidende Weichenstellungsfunktion hatte, verdient Respekt und Ehre, auch wenn Westerwelle selber noch im letzten Moment eingeknickt ist. Westerwelle Respekt zollen in Zeiten, in denen Personalisierung wichtig ist, ist bedeutsam, um den Massenirrtum der oberen 10 000, die sich explizit – und das Ganze ist erst vier Jahre her – auch gegen das Volk entschieden haben, das ebenfalls keine Beteiligung Deutschlands am  Krieg wollte.

Zum Wohle der Menschenrechte den demokratischen Volkswillen übergehen und mit der Ignorierung des demokratischen Volkswillens eine Politik durchzusetzen, mit der in fernen Ländern blühende Demokratien aufgebaut werden sollte, das war das irre Credo der 2011 kriegslüsternen Nomen Klatura in diesem unserem Land. Um es zu wiederholen, Westerwelle, der die politische Bühne verlassen hat, verdient Respekt.

Der für diese Woche angekündigte zweite Teil von Bettina Röhls Essay zur freien Liebe erscheint aus aktuellem Anlass kommenden Dienstag.




 

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